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Dave Kim über queere Identität und familiäre Anerkennung
Die Oscarpreisträgerin und international gefeierte koreanische Schauspielerin Yoon Yeo-jeong hat kürzlich zum ersten Mal öffentlich über die gleichgeschlechtliche Ehe ihres Sohnes gesprochen. Ihr kurzer, aber herzlicher Kommentar sorgte in der nach wie vor konservativen koreanischen Gesellschaft für großes Aufsehen – ein seltenes Zeichen der Unterstützung aus der älteren Generation. Es waren einfache Worte, deren Bedeutung jedoch weit über die persönliche Geschichte hinausreicht. Eine Szene wie aus einem Film, die sinnbildlich für den gesellschaftlichen Wandel in Korea steht.
Dave Kim (김승환) ist Programmgestalter beim Seoul International PRIDE Film Festival, dem größten queeren Filmfestival des Landes, und engagiert sich zudem bei der NGO „Sinnaneun Center“ (신나는센터, „Zentrum der Freude“). Heute sprechen wir mit ihm über den aktuellen Stand der queeren Kultur in Korea.
Die Gruppe Chingusai (친구사이, „Unter Freunden“), die sich als erste Gruppe in Korea für die Rechte von sexuellen Minderheiten einsetzte, hatte großen Einfluss auf mich. Als ich dort zum ersten Mal aktiv wurde, war die Gruppe noch recht klein. Viele der älteren Mitglieder haben ihr Wissen und ihre Erfahrungen ganz direkt an uns Jüngere weitergegeben.
Besonders in Erinnerung geblieben ist mir das Programm „Charming School“. Dort konnte man unglaublich viel Praktisches lernen: wie man als queere Person seinen Alltag gestalten kann, welche Haltung man einnehmen möchte, etwas über queere Geschichte, sexuelle Aufklärung und auch über die Situation in anderen Ländern. Ich habe in dieser Zeit so viel mitgenommen, dass ich heute noch dankbar daran zurückdenke.
Im Jahr 2008 hatte ich dann die Gelegenheit, im Rahmen meines Elektronikstudiums als Austauschstudent nach Chicago zu gehen. Der frühere US-Präsident Obama war damals gerade Senator für den Staat Illinois, und in Chicago und anderen Städten von Illinois setzten sich Student*innen und Bürgerinitiativen sehr aktiv für die Rechte von sexuellen Minderheiten ein. In einem LGBT-Zentrum dort hatte ich Zugang zu vielfältigem Austausch und verschiedenen Unterstützungsprogrammen. Danach habe ich auch in anderen US-Städten und später in Europa verschiedene LGBT-Zentren besucht und verstand nach und nach besser, was es heißt, als queere Person zu leben.
Ich hatte mich immer sehr für Filme interessiert. Nach meiner Rückkehr nach Korea wollte ich also in diesem Bereich Fuß fassen. Mein heutiger Ehemann Kim-Jho Gwangsoo hatte damals bereits seine Produktionsfirma Generation Blue Films (청년필름), und ich war dort für alles Mögliche zuständig: Planung, Produktion, Marketing und Vertrieb. So lernten wir uns kennen. Um so schnell wie möglich mit ihm ausgehen zu können, verteilte ich die Flyer ganz besonders fleißig und tat alles, um in der Firma eine Hilfe zu sein. So kamen wir uns ganz natürlich näher, und auch ich interessierte mich nach und nach immer mehr für den Kampf um die Rechte für sexuelle Minderheiten.
Die Filmpresse wusste von unserer Beziehung ohnehin schon, also sahen wir keinen Grund, sie zu verstecken. Es gab nichts zu verbergen. Anfangs hatte ich allerdings nicht vor, eine öffentliche Hochzeit zu feiern. Doch je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir: Diese Ehe könnte nicht nur für uns persönlich, sondern auch für viele andere Menschen eine Bedeutung haben. Ich dachte, wenn wir eine öffentliche Hochzeit abhalten, könnte das ein Anstoß für die koreanische Gesellschaft sein, sich mit der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen oder Partnerschaften auseinanderzusetzen. Also brachte ich den Mut dazu auf, und letztlich haben wir unsere Hochzeit gemeinsam mit vielen Menschen gefeiert, die sich ehrlich mit uns gefreut haben. Rückblickend war es eine der besten Entscheidungen, die wir treffen konnten.
Als wir beschlossen, unsere Hochzeit öffentlich zu machen, war das Thema gleichgeschlechtliche Ehe in der koreanischen Gesellschaft kaum präsent Zwar trugen Prominente wie Hong Seok-Cheon mit ihrem Coming-out viel dazu bei, die Sichtbarkeit sexueller Minderheiten zu erhöhen. Aber eine ernsthafte gesellschaftliche Diskussion darüber, wie queere Menschen als gleichberechtigter Teil der Gesellschaft leben könnten, fand kaum statt. Selbst innerhalb der LGBT-Community war die Meinung weit verbreitet, dass es für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe noch zu früh sei. Es wurde nicht einmal klar unterschieden, ob es dabei um Gleichberechtigung oder um grundlegende Freiheitsrechte ging.
Als wir uns vor diesem Hintergrund zu einer öffentlichen Hochzeit entschlossen, stieß das viele Veränderungen an. Angeregt durch unsere Hochzeit schlossen sich Gleichgesinnte zu einem „Netzwerk für das Recht auf Familiengründung" (가족구성권 보장을 위한 네트워크) zusammen, aus dem das heutige Gagoonet: Koreanisches Netzwerk für LGBT-Rechte auf Partnerschaft und Ehe (혼인평등연대) hervorging. Seitdem wird kontinuierlich für eine gleiche Ehe für alle gekämpft. Insbesondere die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, in der dem Paar Osori-Soju (So Seong-wook und Kim Yong-min) das Recht auf Familienkrankenversicherung zugesprochen wurde, war ein symbolischer Erfolg. Heute wird sogar bei Debatten vor einer Präsidentschaftswahl öffentlich über die gleichgeschlechtliche Ehe gesprochen. Ich denke, dass unsere Hochzeit eine gewisse Rolle darin gespielt hat, die Tür zu einer gesellschaftlichen Debatte über das Thema aufzustoßen.
Aber die Veränderungen, die mir am meisten bedeutet haben, habe ich in unseren Familien erlebt. Nicht nur die Mutter meines Mannes, sondern auch meine Eltern, meine Schwester und meine Verwandten wurden mit der Zeit offener. Das Coming-out war anfangs schwierig und mit viel Angst verbunden, aber aber nach und nach haben sie mich verstanden, und unsere Beziehung ist dadurch umso stärker geworden. Deshalb ermutige ich auch Menschen in meinem Umfeld immer wieder dazu, sich zu outen. Denn ich bin überzeugt, dass man viel glücklicher ist, wenn man von Menschen umgeben ist, die einen so annehmen, wie man ist, als wenn man alle auf Abstand hält.
Wie ist dann Ihre Prognose für den institutionellen Wandel, wie zum Beispiel die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe?
Wie gesagt, die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes Koreas, dem gleichgeschlechtlichen Paar Osori-Soju die Familienversicherung zu erlauben, war eine Veränderung mit großer Symbolkraft. Dabei wurde nicht nur das Recht eines einzelnen Paares anerkannt. Ich sehe es vielmehr als Signal, dass im heteronormativen System erste Risse entstanden sind.
Anzeichen dafür gibt es tatsächlich überall. Unter der Regierung von Präsident Moon Jae-in wurden etwa gleichgeschlechtlichen Partnern von Diplomaten oder Angehörigen der amerikanischen Streitkräfte ein Ehegattenvisum ausgestellt, und auch beim Teilen von Flugmeilen oder bei Versicherungsleistungen zeichnet sich langsam eine Veränderung ab. Das System an sich hat sich zwar nicht verändert, aber der starre Rahmen des existierenden Systems wackelt ein wenig.
Auch in den USA oder in europäischen Ländern wurde die gleichgeschlechtliche Ehe nicht über Nacht eingeführt. Es gab vielmehr einen allmählichen Fortschritt, der verschiedene Partnerschaftsmodelle durchlief, wie zum Beispiel die PACS-Partnerschaft in Frankreich. So wurden die Risse immer größer, immer mehr gesellschaftliche Systeme wurden eingebunden, und darauf folgte dann schließlich der gesellschaftliche Konsens über die gleichgeschlechtliche Ehe.
Deshalb bin ich überzeugt, dass die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Korea nur eine Frage der Zeit ist. Natürlich gibt es Momente, in denen ich frustriert bin – einfach, weil es länger dauert, als ich gehofft hatte. Aber ich glaube fest daran, dass dieser Wandel von echtem Verständnis und Zustimmung in der Gesellschaft begleitet sein muss. Es reicht nicht, nur das Gesetz zu ändern. Es muss auch im Alltag der Menschen ankommen, funktionieren und gelebt werden können.
In Südafrika zum Beispiel ist die gleichgeschlechtliche Ehe zwar gesetzlich erlaubt, aber in der Realität trauen sich viele queere Menschen nicht einmal, sich zu outen. Wenn die Gesellschaft nicht mit dem Gesetz mitzieht, bleibt es am Ende nur ein Stück Papier mit schönen Worten. Deshalb finde ich es wichtiger, das System so weiterzuentwickeln, dass es von der Gesellschaft mitgetragen und unterstützt wird – auch wenn das vielleicht etwas mehr Zeit braucht. Auf lange Sicht ist das der gesündere Weg.
Nach Ihrer Heirat gründeten Sie „Sinnaneun Center“. Es ist die erste Gruppierung Koreas, die sich als eingetragener Verein für die Rechte sexueller Minderheiten einsetzt. Könnten Sie uns mehr darüber erzählen?
Auch vor der Gründung des Sinnaneun Center hatten sich bereits verschiedene NGOs für sexuelle Minderheiten eingesetzt. Aber außer uns gibt es kaum jemanden, der mit der Regierung kooperiert. Um mit der Regierung, Unternehmen und verschiedenen anderen Institutionen kooperieren zu können, braucht es eine juristische Person, wodurch auch finanzielle Transparenz erzielt wird. Anders gesagt, die Eintragung als Verein, wodurch wir eine juristische Person wurden, bedeutete auch, dass der Staat die Existenz unserer Organisation offiziell anerkannte. Wir wollten zeigen, dass in Korea eine Organisation sexueller Minderheiten auch rechtlich existiert, und haben uns daher als Verein eintragen lassen.
Auch bei unserer Arbeit wollten wir nicht einfach das wiederholen, was andere Gruppen bereits tun. Stattdessen haben wir gezielt nach Bereichen gesucht, die in der koreanischen Gesellschaft bisher wenig Beachtung fanden. Einer dieser Bereiche war Kunst und Kultur. Das Seoul International PRIDE Film Festival und die Pride Expo – inspiriert von der New Yorker LGBT Expo und jedes Jahr im Dongdaemun Design Plaza veranstaltet – sind heute unsere wichtigsten Events. Darüber hinaus organisieren wir auch kulturelle Veranstaltungen wie die Pride Gala, die jedes Jahr im Mai zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie stattfindet.
Mit den hochwertigen Inhalten, die von queeren Menschen selbst geschaffen werden, verfolgen wir zwei Ziele: Zum einen wollen wir das Selbstbewusstsein innerhalb der Community stärken. Zum anderen möchten wir es auch Menschen außerhalb der queeren Szene erleichtern, sich dem Thema offen und ohne Berührungsängste zu nähern. Unser Center setzt dabei besonders auf die Kraft von Kultur und Medien: Durch den Genuss hochwertiger Inhalte lassen sich Vorurteile und diskriminierende Haltungen auf ganz natürliche Weise abbauen.
Das Seoul International PRIDE Film Festival wurde 2011 gegründet. Zu Beginn wurden wirklich nur Filme gezeigt. Ab 2015 begann es etwas zu wachsen, und 2019 wurde es vom Korean Film Council als internationales Filmfestival anerkannt, was die Größe und Bedeutung stark anhob.
Im Rest von Asien war es interessanterweise gleichzeitig schwierig. Beim Tokyo International Lesbian & Gay Film Festival (Rainbow Reel Tokyo) verließen wichtige Figuren aufgrund der schlechten Wirtschaftslage und der Nuklearkatastrophe von Fukushima die Stadt, weswegen es verkleinert werden musste. In Hongkong brach nach der Regenschirm-Revolution der gesamte Kulturbereich ein. In Taiwan ist die Lage außenpolitisch schwierig, und die Länder in Südostasien können mit Korea bislang nicht mithalten, was das Niveau der Filmproduktion angeht. Aufgrund dieser Ausgangslage übernahm unser Festival automatisch eine wichtige Rolle in Ostasien. Wir sind immer sehr dankbar für die zahlreichen positiven Reaktionen, auch wenn wir noch viel zu lernen haben.
Bei der Auswahl unserer Filme stehen vor allem der künstlerische Anspruch und die Qualität der Umsetzung im Vordergrund. So wichtig eine Geschichte auch sein mag – wenn sie nicht überzeugend erzählt wird, verliert sie an Wirkung. Ob bekannte Schauspieler*innen oder renommierte Regisseur*innen beteiligt sind, spielt für uns keine entscheidende Rolle.
Selbst bei Filmen, die international Aufmerksamkeit erhalten haben, etwa bei großen Festivals wie der Berlinale, wenden wir unsere eigenen, strengen Kriterien an. Uns geht es darum, dass die Filme wirklich berühren, herausfordern und etwas bewegen – unabhängig von ihrem Bekanntheitsgrad. Filme, die gut gemacht sind und bei einem Filmfestival ausgezeichnet werden, bekommen automatisch viel Aufmerksamkeit. Wenn diese dann queere Filme sind oder queere Geschichten erzählen, können dadurch auch dem allgemeinen Publikum, das sich für diese Themen bislang nicht interessierte, auf natürliche Weise die Existenz und die Rechte sexueller Minderheiten nähergebracht werden. Deswegen ist für uns der künstlerische Wert der Filme das wichtigste Kriterium.
Das Seoul International PRIDE Film Festival zeigt jedes Jahr über 100 queere Filme aus aller Welt. So bekommen die Zuschauer*innen Einblicke in die Lebensrealitäten queerer Menschen aus ganz unterschiedlichen Ländern und Kulturen. Indem das Publikum diese vielfältigen Geschichten miterlebt – direkt oder indirekt – entsteht ein Raum für Verständnis und Empathie. In diesem Sinne hat das Festival auch eine klare bildende Funktion: Es schafft Begegnung, baut Vorurteile ab und fördert den Dialog zwischen verschiedenen Lebenswelten.
Sie haben in einem Interview mal gesagt, dass die Themen und Charaktere in koreanischen queeren Filmen begrenzt sind. Hat sich dies in den letzten Jahren positiv entwickelt?
Bis vor einigen Jahren wurden in koreanischen queeren Filmen zumeist Geschichten von Heranwachsenden behandelt, was ich persönlich sehr schade fand. Zum Glück hat sich das seit 2022 spürbar verändert: Die Bandbreite an Themen und Figuren wird immer größer.
Früher waren queere Charaktere oft düster oder tragisch gezeichnet. Heute sehen wir auch schillernde, auffällige Persönlichkeiten auf der Leinwand. Selbst die Rolle des Bösewichts wird nun auch mal mit einer queeren Figur besetzt. Auch transgeschlechtliche Figuren werden inzwischen vielfältiger dargestellt: Früher waren sie fast immer groß und schlank, heute erscheinen sie in ganz unterschiedlichen Körperformen und spiegeln damit die Realität besser wider.
Und queere Hauptfiguren tauchen nicht mehr nur in Schulgeschichten auf, sondern auch im Sport oder anderen Lebensbereichen. Diese Entwicklung bricht mit alten Stereotypen – und das freut mich sehr
Zudem zeigt das zweitgrößte internationale Filmfestival Koreas, das Jeonju International Film Festival, seit 2020 kontinuierlich queere Filme. 2024 liefen im Wettbewerb zum koreanischen Film gleich zwei queere Filme. Dass ein großes Filmfestival, das kein explizit queeres Festival ist, Interesse am queeren Genre zeigt und dieses beleuchtet, halte ich für eine positive Veränderung für die koreanische Filmwelt und die Gesellschaft im Allgemeinen.
Welche gesellschaftliche Bedeutung sollte ein queeres Filmfestival Ihrer Meinung nach über seine Rolle als reines Filmfestival hinaus haben?
Frauenfilmfestivals zeigen nicht einfach nur Frauenfilme, sondern stoßen einen gesellschaftlichen Diskurs an und spielen auch eine pädagogische Rolle. Genauso sollten auch queere Festival den Festivalcharakter zwar beibehalten, aber gleichzeitig auch beständig Verantwortung übernehmen und eine gesellschaftliche Rolle spielen.
Zudem denke ich zwar, dass es noch mehr und vielfältigere queere Filmfestivals geben sollte, aber in der Realität muss man strenge Regeln befolgen und komplizierte Voraussetzungen erfüllen, um als Filmfestival offiziell anerkannt zu werden. Ich halte daher eine stärkere Nutzung von verschiedenen Formaten wie Filmvorführungen oder Filmreihen für einen realistischeren und effektiveren Ansatz.
Als ich jung war, existierte nicht einmal ein klares Verständnis von dem Begriff „sexuelle Minderheit“.
Als ich jung war, existierte nicht einmal ein klares Verständnis von dem Begriff „sexuelle Minderheit“. Als ich zur Schule ging, wurde es nur als eine Jugendkultur gesehen, die an Jungenoberschulen existierte. Die Jugendlichen von heute wissen genau, was ihre Identität ist, erleben aber dadurch auch mehr Mobbing und Diskriminierung, was sehr bedauerlich ist. Deswegen möchte ich diesen jungen Menschen nicht einfach nur eine hoffnungsfrohe Botschaft überbringen, nach dem Motto: „Wir sind glücklich und haben ein schönes Leben.“
Ich würde vor allem zwei Filme empfehlen. Der erste ist „Love, Simon“ (Regie: Greg Berlanti, in Korea ab 12 Jahren freigegeben, 2018), in dem ein Junge an einer High School seine sexuelle Identität entdeckt. Der andere ist „Herzstein“ (Regie: Gudmundur Arnar Gudmundsson, in Korea ab 12 Jahren freigegeben, 2019), der von der ersten Liebe zwischen zwei Jungen in einem isländischen Fischerdorf erzählt.
„Love, Simon“ ist ein fröhlicher und leichter Film, „Herzstein“ dagegen erzählt ehrlich von Sorgen und Qualen. Ich hoffe, dass solche Filme queeren Jugendlichen Trost spenden und zeigen, dass es auf der Welt viele Menschen wie sie gibt und sie nicht allein sind. Anderen Schülerinnen und Schülern, die nicht homosexuell sind, können sie dagegen ein Anlass sein, ihr Verständnis und ihre Empathie für andere zu erweitern.
Das Goethe-Institut Korea nimmt regelmäßig an der Pride Gala teil, die jedes Jahr anlässlich des Internationalen Tages gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie stattfindet. Können Sie uns ein bisschen mehr über diese Veranstaltung erzählen?
Unsere Veranstaltungen wie das Pride Film Festival, die Pride Expo und die Pride Gala sind erfolgreiche Formate aus dem Ausland, die wir übernommen haben. Die Pride Gala hat die Met Gala zum Vorbild, die berühmte Mode-Benefizveranstaltung in New York. In Korea gibt es in Organisationen und Institutionen auf der Arbeitsebene zwar viele Menschen, die LGBTQ gegenüber aufgeschlossen sind, ihre Vorschläge zu LGBTQ-bezogenen Veranstaltungen werden aber meistens von den Entscheidungsträgern abgelehnt. Deswegen schufen wir eine besondere Veranstaltung, an der die Entscheidungsträger persönlich teilnehmen können.
Doch in der immer noch konservativen koreanischen Gesellschaft wird das Thema sexueller Minderheiten nach wie vor sehr kontrovers diskutiert. Die Proteste homophober Gruppen sind nicht zu unterschätzen, weswegen Entscheidungsträger selbst vor der Teilnahme an LGBTQ-Veranstaltungen zurückschrecken, wenn diese öffentlich sind. Deswegen findet die Pride Gala absichtlich nicht öffentlich statt. Wir möchten, dass diese Menschen zwanglos teilnehmen können und durch die Veranstaltung ein besseres Verständnis und mehr Empathie für die Rechte sexueller Minderheiten entwickeln.
Wir verleihen dort auch jedes Jahr einen Preis an eine Person oder Organisation, die viel für die Rechte sexueller Minderheiten getan hat, und es gibt klassische Musikeinlagen. Laut Forschungen waren viele klassische Komponisten wie Schubert oder Händel queer. So versuchen wir diskret das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass unter weltberühmten kulturellen und künstlerischen Werken auch viele sind, die von queeren Menschen erschaffen wurden.
Als Laudatoren laden wir jeweils eine Person aus den Bereichen Politik und Diplomatie, Religion sowie Medien ein. Das sind immer überraschende Persönlichkeiten, bei denen Außenstehende sich wundern, dass sie bei einem solchen Anlass eine Rede halten. So bemühen wir uns darum, das Bewusstsein der Entscheidungsträger in Organisationen und Institutionen nach und nach zu verändern. Dankenswerterweise sind viele bereits positiv eingestellt. Wir möchten, dass diese wichtigen Gäste bei der Pride Gala sicher sind und eine gute Zeit verbringen. Wir stecken viel Energie in die Vorbereitung, damit diese Zeit ihnen in guter Erinnerung bleibt.
Mein Mann, Kim-Jho Gwangsoo, der CEO des Sinnaneun Centers, wird dieses Jahr 60. Aus diesem Anlass haben wir uns ein wenig umgeschaut – und dabei festgestellt, dass viele queere Aktivist*innen in Korea inzwischen ebenfalls älter werden und sich mit dem Thema Alter auseinandersetzen müssen.
In den USA oder Europa gibt es bereits LGBT-Seniorenzentren, und queere Menschen sind dort oft besser sozial abgesichert. Auch wir möchten nun ganz konkret ein System zur Altersvorsorge entwickeln und anbieten. Denn Altersvorsorge ist längst ein gesamtgesellschaftlich wichtiges Thema – und in einer sich wandelnden Gesellschaft müssen auch die Stimmen sexueller Minderheiten gehört und berücksichtigt werden. Deshalb planen wir in Zukunft verschiedene Initiativen, die sich gezielt mit diesem Thema beschäftigen.
Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt unserer Arbeit ist die Ausweitung der HIV-Präventionsmaßnahmen. Noch immer begegnen wir im Rahmen homophober Einstellungen dem alten Vorurteil: „Homosexualität gleich Aids, Aids gleich Tod.“ Ich möchte mich dafür einsetzen, dieser Form von Hass die Grundlage zu entziehen.
So wie es gegen Corona eine Impfung gibt, lässt sich auch eine HIV-Infektion heute durch das sogenannte HIV-PrEP wirksam verhindern. Ende letzten Jahres haben wir dazu ein Pilotprojekt gestartet – und ab diesem Jahr setzen wir das Programm mit Unterstützung der Regierung umfassend um. Unser Ziel ist klar: keine Neuinfektionen mehr und ein spürbarer Abbau des Stigmas, das queere Menschen immer noch mit Krankheit und Schuld in Verbindung bringt.
Zum Schluss möchte ich noch sagen, wie wertvoll für uns die Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Korea sowie mit anderen Botschaften und Kulturinstitutionen ist. Für diese Unterstützung möchte ich mich von Herzen bedanken.