Media Art Festival
Medienkunst zwischen Tradition und Moderne

Eröffnung des International Media Art Festival: Wie verändert sich unser Blick auf die Welt durch den digitalen Wandel?
Eröffnung des International Media Art Festival: Wie verändert sich unser Blick auf die Welt durch den digitalen Wandel? | Foto: Bolor-Erdene Tuvshintur

Eine Premiere in der Mongolei: Zum ersten Mal fand das Ulaanbaatar International Media Art Festival (UBIMAF) statt. Das Goethe-Institut Mongolei war Partner des Festivals. Im Interview sprechen wir mit der Kuratorin You Mi und Odgerel Odonchimed, Leiterin des Arts Council of Mongolia, über Medienkunst in der Mongolei, analoge und digitale Spielewelten – und die Erfindung des Steigbügels vor 2000 Jahren.

Das Ulaanbaatar International Media Art Festival stand unter dem Titel „Tradition und Moderne”. Welche kuratorische Idee verband sich mit diesem Titel?  
 
You Mi: Der Titel „Tradition und Moderne“ erscheint auf den ersten Blick als Gegensatz. Uns ging es bei dem Festival aber darum, Tradition und Moderne zusammenzudenken. Wir wollten mit Medienkunst das transformative Potential zeigen, das schon immer mit Medien verbunden war – seien sie alt oder neu. Nehmen Sie die Erfindung des Steigbügels durch das Nomadenvolk vor 2000 Jahren: Das war ein Medium, das der Konstellation Mensch/Pferd neue Möglichkeiten erschloss, die Welt zu erkunden und in ihr zu handeln.

Und heute?

You Mi: Heute müssen wir uns fragen, welchen Einfluss die neuen Medien auf unser Leben haben. Welcher Wandel geht damit einher? Und wie können wir diesen Wandel verstehen? Ein solches Verstehen gelingt besser, wenn wir über die Unterscheidung von alt versus neu, analog versus digital, Tradition versus Moderne hinausgehen und stattdessen nach Verbindungen suchen. So bekommen wir die Probleme, die sich mit schnellen Transformationen, wie sie die Mongolei genauso wie andere Länder gerade erlebt, besser in den Blick. Ziel des Medienkunstfestivals war es, diesen Blick zu schärfen.

18 Künstlerinnen und Künstler aus Asien, Europa, Nordamerika und Australien waren am UBIMAF beteiligt: Was hat der interkulturelle Austausch über Länder- und Sprachgrenzen hinweg ergeben?

Odgerel Odonchimed: Das Ziel eines jeden Festivals ist, verschiedene Stimmen zu einem Thema zusammenzubringen. Beim UBIMAF ging es darum, auf dem Wege der Medienkunst gemeinsam etwas zu den Möglichkeiten, Tradition und Moderne miteinander zu verbinden, auszusagen. Ich denke, dass sich die Künstlerinnen und Künstler diesem Thema mit interessanten künstlerischen Positionen angenähert haben. Der internationale Austausch war für alle ein Gewinn.  

You Mi: Für die internationalen Künstler war besonders spannend, dass sie sich während des Festivals auf vielfältige Weise mit dem Leben in der Mongolei beschäftigen konnten – ein intensiver Dialog mit der Gesellschaft und der Kunstszene vor Ort. Es gab etwa spontane Jamming-Sessions mit Christian Faubel aus Köln und seinem analogen Technoset: unter anderem mit dem mongolischen Flötisten und Kehlkopfsänger Damdin sowie dem Musikproduzenten und Sänger Davaajargal von der Band Mohanik. Und die französische Künstlerin Diane Rabreau erkundete die unbekannten Bezirke von Ulan Bator mit den Stadtbewohnern.

Christian Faubel von der Kunsthochschule für Medien Köln hat mit der Mongolian State University of Arts and Culture einen Workshop zu Gaming durchgeführt. Wie lief die Zusammenarbeit?

You Mi: Die Zusammenarbeit war für beide Seiten fruchtbar: Wir wollten uns dem Begriff des Spiels durch ein kombiniertes Verfahren von analoger und digitaler Animation und Programmierung annähern. Die Studierenden experimentierten mit rotierenden Scheiben, dem eigentlichen Ausgangspunkt der Animierung einer Sequenz. Dann haben sie diesen Prozess in einem Programmierungsumfeld simuliert. So wurde eine Brücke zwischen dem Analogen und dem Digitalen geschlagen.

In Deutschland spielt Medienkunst heute eine wichtige Rolle. Wie entwickelt sich Medienkunst in der Mongolei?

Odgerel Odonchimed: In der Mongolei stehen wir noch am Anfang, was Medienkunst angeht – sowohl im künstlerischen wie auch im wissenschaftlichen Bereich. Ein Beispiel: Den Lehrstuhl „Media Animation“ gibt es erst seit 2012 an der Universität für Kunst und Kultur hier in Ulan Bator. Eine lange Tradition der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Medienkunst wie in Deutschland gibt es in der Mongolei nicht. Genau aus diesem Grund haben wir das 1. Ulaanbaatar International Media Art Festival organisiert: Wir wollten den internationalen Entwicklungsstand vor Ort präsentieren und die Fähigkeiten der lokalen Künstlerinnen und Künstler fördern.

Was war für Sie die größte Überraschung am UBIMAF?

You Mi: Es gab viele schöne Überraschungen. Die größte bestand vielleicht in den offenen und neugierigen jungen Besuchern des Festivals, die mit den Werken spielten und sich mit ihnen auseinandersetzten. Dass diese auch spielerische Auseinandersetzung mit Medienkunst zustande gekommen ist, das ist für mich der größte Erfolg des Festivals.
 
Das UBIMAF fand in diesem Jahr zum ersten Mal statt. Wird es eine zweite Ausgabe des Festivals geben?
 

Odgerel Odonchimed: Es stimmt: Das UBIMAF war eine Premiere. Dabei sollte es aber nicht bleiben. Für die Entwicklung der Medienkunst in der Mongolei ist es wichtig, hier Kontinuität zu schaffen. In vielen anderen Ländern der Welt gibt es Medienkunstfestivals, die jährlich stattfinden. Das wünsche ich mir auch für die Mongolei. Darum arbeiten wir bereits jetzt gemeinsam mit dem Goethe-Institut Mongolei an Ideen für eine zweite Ausgabe des Festivals.
 

Odgerel Odonchimed hat an der Technischen Universität in Budapest Ingenieurwesen und Design studiert. Seit 2003 trägt sie zur Entwicklung der mongolischen Kultur- und Kunstszene bei, unter anderem durch ihre Mitarbeit beim Arts Council of Mongolia (ACM). Heute ist sie Geschäftsführerin des ACM.

You Mi ist künstlerisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Kunsthochschule für Medien Köln. Sie kuratiert internationale Ausstellungen und Performances mit den Schwerpunkten der Geschichte der Seidenstraße, Medien und Technologie. Dazu hat sie im März 2016 ein Performanceprogramm am Theater des Asia Cultural Center kuratiert. Sie ist ein Alexander von Humboldt Fellow.