Vitjitua Ndjiharine – Eine Künstlerin in ständiger Bewegung

Feature Friday Vitjitua Ndjiharine
© Goethe-Institut Namibia

Als Künstlerin hat die Namibierin Vitjitua Ndjiharine bereits auf drei Kontinenten gelebt und gearbeitet. Steter Wandel war so schon früh ihr treuer Begleiter – was sich sowohl auf ihre Technik, als auch auf ihre thematische Arbeit auswirkt. Mittlerweile ist sie eine auch auf internationaler Ebene bekannte Vertreterinnen namibische Kunst, wobei sie sich in ihrer Arbeit immer auch auf ihrer Ovaherero-Wurzeln besinnt. Im dritten Teil unserer Serie „Feature Friday“ haben wir Vitjitua auf ihrem jüngsten Kunst-Projekt begleitet.  

 
„Ich war irgendwie immer in ständigem Umbruch.“ Noch vor dem Ende ihrer Schullaufbahn hatte Vitjitua Ndjiharine in drei verschiedenen Ländern gelebt. Geboren in den USA als Kind namibischer Eltern, die während der Apartheid ausgewandert waren, kehrte sie nach der namibischen Unabhängigkeit in ihr Heimatland zurück. Dort wuchs sie bei ihrer Großmutter in einem kleinen Dorf in der Otjozondjupa-Region auf, besuchte die Schule in Windhoek und Oranjemund und zog schließlich nach Kapstadt in Südafrika. Ein Umstand, der sich bis heute auf ihrer Arbeit auswirkt. „Ich glaube, ich bin in gewisser Weise Maximalistin, weil ich ständig umziehen und Sachen wegwerfen muss“, erklärt Vitjitua. Ihre Arbeiten beschreibt sie als farbenfroh und gefühlvoll. Da sie nur behalten kann, was in zwei Koffer passt, wolle sie ständig alles auf einmal präsentieren, mutmaßt Vitjitua. Gleichzeitig wuchs mit den verschiedenen Stationen und Eindrücken auch das Interesse für die namibische Geschichte. Und sie kam mit Kunst in Berührung, sei es durch Familienmitglieder, die zeichneten, oder einen Onkel, der als Illustrator die Kunst sogar zu seinem Beruf gemacht hatte.

Nach der Schule ging es für sie zunächst zurück in die USA, wo sie für sich selbst die Frage beantworten musste, ob Kunst auch für sie eine Karriere werden kann. „Du musst das tun, wozu du dich berufen fühlst,“ beschreibt sie ihre Entscheidung rückblickend. Aber nicht ohne einen Plan. „Ich dachte mir, zumindest kann ich Kunst studieren, einige Kunsttechniken lernen und das dann mit etwas Digitalem wie Programmieren oder Webdesign kombinieren.“ Doch es sollte anders kommen, auch dank ihrer Faszination für die namibische Geschichte.

Vitjitua Ndjiharine © Vitjitua Ndjiharine / Colibri Workshop

Vom Studium zur ersten Residenz

Gegen Ende ihres Studiums in New York schickte ihr jemand eine Ausschreibung für ein Projekt im deutschen Hamburg. Gesucht wurden namibische Historiker und Künstler, um an einem Projekt zu arbeiten, das sich mit einem kolonialen Fotoarchiv im Markk-Museum befasste. Die perfekte Gelegenheit zum perfekten Zeitraum für Vitjitua: „Kurz bevor ich die Ausschreibung gesehen habe, hatte ich bereits an einer Collagen-Serie gearbeitet. Dabei habe ich verschiedene Bilder aus Namibia mit kolonialen Bildern, die ich online finden konnte, nebeneinandergestellt.“ Diese Collage sendete sie ein. Das Resultat war eine einjährige Residenz in Deutschland, ein weiterer Umzug. Und ein Projekt, das ihren künstlerischen Fokus bis heute prägt. „Mir war nicht klar, dass es dekolonialisierend ist, in ein Archiv zu gehen und rassistische Begriffe, die jemanden auf einem Foto beschreiben, durchzustreichen,“ sagt Vitjitua. Ihre Arbeit verordnet sie daher bis heute unter den Themenbereichen Dekolonialisierung und Postkolonialismus. „Ich würde sagen, meine Arbeit dreht sich tatsächlich um Erinnerung, Gedächtnis, Kultur und Gedenken,“ fügt sie hinzu. Dabei setzt sie sich in erster Linie mit der Kultur und Tradition der Herero auseinander.

Weitere Residenzen in Deutschland und der Schweiz folgten. „Diese dekoloniale Arbeit ist etwas, was in den letzten Jahren entstanden ist, beeinflusst von der Politik in Deutschland und verschiedenen Diskussionen, die momentan im Vordergrund stehen,“ so Vitjitua weiter. Thematisch eingeengt sieht sie sich durch diese internationale Aufmerksamkeit jedoch nicht und verweist auf ein Projekt des Goethe-Instituts. Unter dem Titel „German Colonial Heritage in Africa: Artistic and Cultural Perspectives“ entstand bereits 2018 eine umfassende Studie über künstlerische Produktionen, die sich mit der deutschen Kolonialvergangenheit in Afrika befassen.   „Wenn man sich das ansieht, erkennt man, dass wir das schon immer so gemacht haben und wahrscheinlich auch weiterhin so machen werden, und dass es immer auf so viele verschiedene Arten neu interpretiert werden kann, wie es eben möglich ist,“ befindet Vitjitua.
Vitjitua Ndjiharine und Rocío Asensi

Vitjitua Ndjiharine und ihre spanische Kollegin Rocío Asensi bei einer gemeinsamen Ausstellungseröffnung in Windhoek | © Adam Smaruj / StoryWorks

Ovaherero-Traditionen und radikal positive Zukunftsvisionen

Was jedoch nicht bedeutet, dass sie sich nicht auch über das Thema hinaus künstlerisch austoben möchte. „Ich möchte auch immer wieder neue Möglichkeiten haben, mich selbst herauszufordern und neue Techniken und Arbeitsweisen auszuprobieren.“ Diese Chance erhielt sie zum Beispiel im Jahr 2025, als sie Teil des EUNIC-Projekts „Solarpunk: A Story of Sand and Energy“ wurde. Statt auf historische Begebenheiten zu schauen, sollte durch dieses Projekt eine radikal-positive Zukunftsvision für Namibia geschaffen werden. Gemeinsam mit der spanischen Künstlerin Rocío Asensi griff sie dafür auf indigene Kosmologie und alltägliche Verhaltensweisen zurück, um ihre „Zukunfts-Gegenwart“ zu artikulieren. „Es war eine Herausforderung,“ gibt sie zu. Die sie jedoch meisterte und so ihr Land und ihre Kunst erneut auf internationaler Ebene präsentierte. Im Video erfahrt ihr mehr dazu:
 

„Nehmt die namibische Kunstszene ernst, es gibt viel Talent und viele Geschichten zu erzählen. Wir müssen nur in die Szene investieren,“ so Vitjitua. Und wie sieht ihre Zukunft aus? Fürs Erste hat Vitjitua ihren Lebensmittelpunkt nach Namibia verlegt. Und arbeitet fleißig an neuen Ideen und Konzepte. So möchte sie beispielsweise ihre ursprüngliche Idee des Programmierens vermehrt in ihre Kunst einfließen lassen. Klar ist auf jeden Fall, Vitjitua Ndjiharine wird auch in Zukunft eine wichtige namibische Vertreterin der internationalen Kunstszene sein.