Amandus Sattler im Interview
Nachdenken über Investorenarchitektur

Pasinger Hofgärten München
Pasinger Hofgärten München | Foto: Jens Passoth

Architektur als reine Gewinnmaximierung zu betrachten, darf sich nicht durchsetzen. Amandus Sattler, Architekt und Mitinhaber des Büros Allmann Sattler Wappner Architekten plädiert für mehr Dialog, für mehr Internationalisierung und eine neue Haltung im Diskurs zwischen Architekten, Gestaltern und Investoren.

Herr Sattler, auf einem Symposium für Baukultur haben Sie über die Zukunft des Wohnens gesprochen: Ihre Betrachtung über die aktuelle Entwicklung der Städte und deren Wohnarchitektur fiel kritisch aus. Sie haben sich vehement dagegen ausgesprochen, Architektur heute nur noch als reines Investment zu betrachten. Machen Investoren unsere Städte kaputt?

Nein, das wäre zu einfach und auch an der Komplexität des Themas vorbei gedacht. Entscheidend für die Qualität von Architektur und Raumentwicklungen sind immer die gesellschaftlichen Umstände, unter denen Architektur produziert wird. Diese Umstände sind heute mehr denn je von Kapital und Politik geprägt. Noch nie stand so viel Kapital für das Bauen zur Verfügung. Institutionelle Anleger kaufen im großen Stil Immobilien. Das ist eine Folge der Finanzkrise. Die Geldanlage in Gebäude und Grundbesitz, insbesondere in den aufstrebenden Großstädten, gilt als krisensicher und wertsteigernd. Doch das hat Konsequenzen, nicht nur für die Qualität von Architektur, sondern auch für die Entwicklung von Stadtquartieren. Diese Architektur ist weniger freizügig, weniger sozial und fantasievoll, sondern dient nur noch dem Zweck, die Quantität von umbautem Raum zu steigern. Das tradierte Fundament der europäischen Stadt, sich von der Mitte her als Modell gesellschaftlichen Zusammenlebens zu definieren, gerät durch Investorenarchitektur immer stärker ins Wanken.

Qualität, Inhalt, Form und Gestaltung von Architektur und städtischem Raum sind nur noch so weit interessant, wie investiertes Geld weiter akkumuliert?

Wenn Investoren für den Mehrwert von guter Architektur nicht mehr zugänglich und ausschließlich auf einzelne Renditeobjekte fixiert sind, dann geraten städtische Strukturen und gewachsene Räume in eine Schieflage. Bauen kostet Geld. Ohne Investoren und ohne Bauherren ist Architektur nicht denkbar. Ökonomisches Denken begleitet jeden Planungs- und Bauprozess, nicht nur auf Bauherrenseite, sondern vom ersten Schritt an auch unsere Arbeit als Architekten. Unser Büro hat in seiner Geschichte mit vielen Investoren erfolgreich zusammengearbeitet. Projekte wie beispielsweise die Pasinger Hofgärten haben wir mit unserem Klienten Real Estate Investment Opportunities geplant. Es ist ein mit dem Quartier verbundener neuer, urbaner Stadtbaustein, der zwischen großen Infrastrukturen wie dem ICE-Bahnhof und dem alten Pasinger Stadtkern liegt und mit ihnen korrespondiert.

Gemeinsam mit den Bauherren haben wir nicht nur eine hohe Qualität im Städtebau, sondern auch in der Architektur und Materialität für den Einzelhandel, Büros und Arztpraxen erreichen können. Im Westteil des Gebäudes ist eine Grundschule mit Kinderhort und Kindergarten untergebracht, was einen Mehrwert für alle bietet. Die Verbindung von sozialen, kulturellen und ökonomischen Aspekten kann funktionieren, wenn Architekten und Bauherren ein gemeinsames Ziel verfolgen und sich auch ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind. Doch wenn eine übergeordnete Idee fehlt, wenn von den Kommunen eine öffentliche und konstruktive Auseinandersetzung um Qualität nicht gewünscht ist und es sich beim Bauen nur noch darum handelt, anstelle von guter Architektur schnelles Geld zu produzieren, dann investiert man an der Gesellschaft vorbei. Das darf nicht sein.
 

  • Pasing Arkaden, München Foto: Brigida Gonzales
    Pasing Arkaden, München
  • Pasing Arkaden, München Foto: Brigida Gonzales
    Pasing Arkaden, München
  • Forum Hirschgarten, München Foto: Brigida Gonzales
    Forum Hirschgarten, München
  • Forum Hirschgarten, München Foto: Brigida Gonzales
    Forum Hirschgarten, München
  • Dorniermuseum Friedrichshafen Foto: Brigida Gonzales
    Dorniermuseum Friedrichshafen
  • Dorniermuseum Friedrichshafen Foto: Brigida Gonzales
    Dorniermuseum Friedrichshafen


Wenn ausschließlich profitorientierte Zweckmechanismen das Bauen beherrschen, welche Folgen hat das für die Gestaltung von Architektur?

Die architektonische Ausformung von Gebäuden ist seit jeher von ökonomischen Bedingungen und Voraussetzungen abhängig. Investorenarchitektur aber wird heute in wachsendem Maße direkt von der Profitmaximierung geprägt. Man fordert in diesem Zusammenhang kontinuierlich neue Formen der Raumausnutzung ein, wie zum Beispiel Erker eines Gebäudes, die in den Luftraum außerhalb der Baugrenzen gebaut werden, nur mit dem Ziel, den Gewinn zu maximieren. Solche Tendenzen sind kontraproduktiv und nicht nachhaltig. Sie stellen die gestalterische Kompetenz des Architekten infrage. Es darf nicht die Aufgabe der Architekten sein, sich ausschließlich auf die Gestaltung von Fassadenhüllen und das Maximieren von Raumflächen zu reduzieren, die obendrein bautechnisch und gestalterisch keine besondere Qualität haben. Das ist doch nicht zukunftsweisend. Wo ist das Neue, das Experiment? Ganz davon abgesehen, treffen diese Ausformungen profitorientierter Handlungsweisen ja nicht nur den Architektenberuf, sondern auch Designer, Künstler, Kunsthandwerker, eben die Gesamtheit der gestalterischen Berufe. Damit wird unsere kulturelle Vielfalt zerstört.

Ist das ein Plädoyer für eine „architecture engagée“?

Ja, das auch. Es ist aber vielmehr ein Appell an die Vernunft, an die gesellschaftliche Verantwortung von Bauherren, seien es öffentliche, private oder gewerbliche Bauherren und Investoren. Ich meine, dass wir uns heute wieder stärker in einen Austausch begeben sollten, so wie ihn die Gestalter, Unternehmer und Politiker Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Gründung des Werkbundes ins Auge gefasst haben. Wir sollten diesen Diskurs auch stärker internationalisieren. Investoren wirken weltweit und wir Architekten sollten, bei aller Vielfalt kultureller Besonderheiten, eine länderübergreifende, gemeinsame Stimme bilden, um Überzeugungsarbeit bei Investoren zu leisten. Wir sollten auch überlegen, Investoren in Gestaltungsfragen zu schulen. Wir müssen im Gespräch bleiben, neue Kommunikationswege finden, um Investoren zu überzeugen. Unsere Haltung als Gestalter, unsere gesellschaftliche, soziale und kulturelle Aufgabe als Architekten aber sollten wir nicht aufgeben, sondern wieder stärker gemeinsam mit anderen definieren.
 

Amandus Sattler Amandus Sattler | © Büro Allmann Sattler Wappner Gemeinsam mit Markus Allmann und Ludwig Wappner leitet Amandus Sattler seit 1993 das Unternehmen Allmann Sattler Wappner Architekten. Mit mehr als 50 Mitarbeitern aus acht Ländern hat sich das Büro mit städtebaulichen Planungen, öffentlichen und gewerblichen Bauten, Wohngebäuden und Arbeiten im Bereich des Produktdesigns weit über die Grenzen von München international etabliert. Zu den bekanntesten Projekten zählen das Dornier-Museum in Friedrichshafen, die Herz-Jesu-Kirche und das Haus der Gegenwart in München sowie das Verwaltungsgebäude für Südwestmetall in Reutlingen. In mehr als zehn Ländern werden weltweit die Generalplanungen für eine neue Corporate Architecture der Audi AG realisiert. Weitere Projekte von Allmann Sattler Wappner Architekten sind das Stachus-Einkaufszentrum, die Pasinger Hofgärten, Passivhäuser am Piusplatz und das Forum am Hirschgarten in München.