Kunstakademie Düsseldorf
Im Zeichen der Autonomie

Klasse McBride
Klasse McBride | Foto: © Moritz Krauth

Der Zuschauerstrom zu den jährlichen „Rundgängen“ reicht zahlenmäßig fast an die Stoßzeiten im Pariser Louvre oder im New Yorker Museum of Modern Art. Die Kunstakademie Düsseldorf ist ein Magnet für Künstler und Öffentlichkeit.

Kunstakademie Düsseldorf – wer denkt da nicht an die legendären Fluxus-Veranstaltungen zu Beginn der 1960er-Jahre oder an den Aufruhr um Joseph Beuys, der die Institution Anfang der 1970er-Jahre in ihren Festen erschütterte? Und wem fiele da nicht sofort die Etablierung der Fotografie als Kunstform ein? Ihre namhaften Vertreter Andreas Gursky, Candida Höfer, Axel Hütte, Thomas Ruff, Thomas Struth und andere waren allesamt Absolventen der Klasse von Bernd und Hilla Becher, welche deutschlandweit die erste Professur für Fotografie bekleideten.

Gegengewicht zu New York

Dies und mehr festigte den Ruf der Kunstakademie Düsseldorf. Beleg für ihre Ausnahmestellung scheint auch die ungewöhnliche Häufigkeit, mit der immer wieder Künstler aus dem Umkreis der Akademie für die internationale Großausstellung der Biennale von Venedig ausgewählt wurden. „In Düsseldorf/Köln arbeitete die bedeutendste deutsche Künstlergeneration seit 1960, von hier aus agierten namhafte Galerien weltweit, es fanden Kunstmessen statt und viele internationale Künstler zog es an diesen Ort. Düsseldorf war damit das einzige Gegengewicht in der Positionierung aktueller Kunst zu New York“, erinnert Robert Fleck, Professor für „Kunst und Öffentlichkeit“ an der Akademie, in seinem Buch „Die Geschichte der Kunstakademie Düsseldorf seit 1945“. Der aufwendig gestaltete Band vermittelt einen Eindruck von dem kulturpolitischen und künstlerischen Stellenwert der vergangenen sieben Jahrzehnte dieser außergewöhnlichen Einrichtung. Allein das Verzeichnis der Lehrtätigen liest sich wie ein Kompendium der für die westliche Kunstentwicklung entscheidenden Künstlerpersönlichkeiten.

Dabei hatte die Akademie durchaus schwierige Zeiten zu meistern. Mit dem Mauerfall etwa brach die lebendige Galerieszene in Düsseldorf und Köln zusammen, während Berlins Anziehungskraft gleichzeitig wuchs. Die für junge Kunst entscheidende Ausstellungsinfrastruktur, wie wir sie heute in Düsseldorf mit der Kunsthalle, dem museum kunstpalast, dem Kunstverein, dem K21 Ständehaus (Kunstsammlung NRW) und KIT (Kunst im Tunnel) kennen, war nach großen Umwälzungen in den 1990er-Jahren erst im Entstehen.

Gegen die Standardisierung

Amadeus Certa, Klasse Anzinger Amadeus Certa, Klasse Anzinger | © Foto: Moritz Krauth Seit den 2000er-Jahren waren die Herausforderungen für die Kunstakademie und ihre Absolventen wiederum anders gelagert; es galt und gilt, auf die Entwicklungen zu reagieren, die durch Globalisierung und Digitalisierung angestoßen wurden. Zudem waren die Hochschulen im bildungspolitischen Bereich mit der Bologna-Reform und ihrer europaweiten Umstellung auf das Bachelor- und Mastersystem konfrontiert. Dafür, dass es dem damaligen Akademierektor Markus Lüpertz gelang, die freie Verfasstheit der Akademie gegen die Tendenz der Standardisierung und Uniformierung aufrechtzuerhalten, zollte man ihm Bewunderung. „Damit hat er gewissermaßen die Kunstakademie im neuen Jahrtausend nochmals begründet“, schreibt Fleck in dem erwähnten Buch. Lüpertz, der auf die freie Entwicklung von Künstlerpersönlichkeiten als Bildungsideal setzte, leitete die Akademie zwei Jahrzehnte, bevor ihn 2009 der britische Bildhauer Anthony Cragg ablöste. Vier Jahre später wurde die gebürtige US-Amerikanerin Rita McBride in dieses Amt gewählt, wohl auch, da man bei ihr als langjähriger Akademieprofessorin für Bildhauerei auf ihre Kenntnisse der inneren Strukturen setzen konnte. Sie ist die zweite weibliche Rektorin in der über 240 Jahre alten Institution, die 1773 als Kürfürstlich-Pfälzische Academie der Maler-, Bildhauer- und Baukunst gegründet wurde.

Im Sinne der freien Kunst

Ob mit McBrides Berufung ein nachhaltiger Wandel verbunden sein wird, lässt sich schwer prognostizieren. Doch eines lässt sich feststellen: Trotz unterschiedlicher Akzentsetzungen und Führungsstile, die mitunter auch umstritten sein mögen, bleiben die wechselnden Rektoren doch einem Gedanken treu: Sie halten unverbrüchlich an der Idee der Autonomie fest. Auf der Website der Akademie heißt es lapidar und programmatisch: „Die künstlerische Betätigung geschieht im Sinne einer freien Kunst. Außer Malerei, Bildhauerei und freier Graphik schließt dies auch die Baukunst, das Bühnenbild, die Fotografie sowie Film und Video ein. Dabei setzt die Kunstakademie auf künstlerische Qualität, Vielfalt und Internationalität.“ Etwas poetischer drückte es Markus Lüpertz in einem Interview 2013 aus: „Die vornehmste Aufgabe besteht darin, Schüler in die Atmosphäre der Kunst zu ziehen und ihnen dort ein freies Atmen zu ermöglichen.“ Das würde sicher auch Rita McBride unterschreiben.