Politik & organisiertes Verbrechen  Marek Vagovič: „Jeden Tag bin ich gespannt, wen die Kripo als nächstes festnimmt“

Der Investigativjournalist Marek Vagovič.
Der Investigativjournalist Marek Vagovič. Foto: © Branislav Wáclav | Aktuality.sk

In den slowakischen Buchhandlungen ist das neue Buch des Investigativjournalisten Marek Vagovič erhältlich. „Vlastnou hlavou 2“ („Mit dem eigenen Kopf 2“) ist die Fortsetzung der packenden Geschichte hinter den Kulissen der ehemaligen Regierungspartei Smer-SD. Der Autor beschreibt eine der düstersten Episoden in der jüngeren Geschichte der Slowakei und analysiert die Umstände, die es Mafia und Oligarchen ermöglichten, den Staat auszuhöhlen. Im Interview spricht Marek Vagovič darüber, welche der Affären, die er in seinem Buch beschreibt, ihn bis heute nachts nicht schlafen lassen. Trotzdem glaubt er, dass der slowakischen Polizei nun endlich nicht mehr die Hände gebunden sind und sich die Schlinge auch um den ehemaligen Premierminister Robert Fico zuzieht.

Dein Buch hat den Untertitel „Wie unter Fico die Mafia den Staat beherrschte“. Kann die Slowakei in der Regierungszeit der Partei SMER-SD tatsächlich als Mafia-Staat bezeichnet werden?

Heute zweifelt wohl niemand mehr ernsthaft daran, dass der Untertitel des Buches die slowakische Realität widerspiegelt. Zuerst wurden im Rahmen der Aktion Búrka (Gewitter) Richter festgenommen, die im Auftrag des Mafioso Kočner arbeiteten, darunter auch die Smer-Abgeordnete Monika Jankovská. Dann inhaftierte die Polizei im Rahmen der Aktion Božie mlyny (Gottes Mühlen) den Sonderstaatsanwalt Dušan Kováčik, unter anderem wegen Zusammenarbeit mit der Mafiagruppe des erschossenen Unterweltbosses Ján Takáč. Schließlich wurde die gesamte ehemalige Polizeiführung festgenommen: Tibor Gašpar, Peter Hraško, Robert Krajmer und Bernard Slobodník. Im Rahmen der Aktion Očistec (Fegefeuer) werden sie unter anderem beschuldigt, eine kriminelle Vereinigung gegründet zu haben, die den Grundstein der Mafia bildet. Man darf auch nicht vergessen, dass der Oligarch Norbert Bödör in Haft ist, der Bestechungsgelder für Agrarsubventionen waschen sollte, wie die sogenannten „weißen Kragen“ des organisierten Verbrechens das tun. Trotzdem betrachte ich die Slowakei als Ganzes nicht als Mafia-Staat, denn auf verschiedenen Ebenen arbeiten eine Reihe ehrlicher Menschen mit Sinn für Gerechtigkeit. Das bestätigt sich auch jetzt, da die einst einflussreichsten Menschen des Landes in Handschellen enden. Es ist jedoch wahr, dass während der Smer-Regierungen das organisierte Verbrechen in den höchsten Kreisen von Politik, Justiz, Staatsanwaltschaft und Polizei stark zugenommen hat.

Der ehemalige slowakische Ministerpräsident Robert Fico ist die Haupt- und gleichzeitig Antiperson deines Buches. War er es, der dieses Land in der Position als oberster Boss geführt hat?

Im politischen Sinne, ja. Fico trägt die größte Verantwortung für die Zersetzung der staatlichen Schlüsselinstitutionen. Und indirekt für den Mord an Ján Kuciak und Martina Kušnírová – der Chef oder Häuptling, wie Kočner und Bödör ihn in den Chats auf der App Threema nannten, hat zwar nicht den Abzug gedrückt, aber durch sein Tun dem organisierten Verbrechen Tor und Tür geöffnet. Er nährte auch diese Atmosphäre des Hasses gegenüber Journalisten, die die Machenschaften seiner Leute aufdeckten, und einer von ihnen bezahlte schließlich mit seinem Leben. Die meisten der Genannten, die nach Operationen der Nationalen Kriminalagentur NAKA hinter Gittern endeten, waren von Smer in hohe Ämter nominiert worden. Zumindest zu Bödör pflegte Fico auch eine engere, persönliche Beziehung. Aus Threema wurde ersichtlich, dass sie miteinander telefoniert und sich getroffen haben – meinen Informationen zufolge hauptsächlich im Regierungsamt und im Hotel Zlatý kľúčik in Nitra, das der Familie Bödör gehört. Verschiedene Quellen behaupten auch, dass Bödör vertrauliche Informationen von Fico hatte. Der Oligarch soll auch für den Versuch verantwortlich sein, den damaligen Oppositionspolitiker und heutigen Ministerpräsident Igor Matovič zu diskreditieren. Auch Kočner versuchte Lobbying bei Fico zu betreiben, und zwar über seinen Kumpan Bödör. Aus den bisherigen polizeilichen Ermittlungen geht hervor, dass Bödör der Kopf dieser organisierten Verbrecherbande war. Aber warten wir die endgültigen Ergebnisse ab, um zu erfahren, wer tatsächlich der Pate war.
 

Viele von uns waren sprachlos, als Nachrichten von Kočners Handy veröffentlicht wurden, die seine monströse Welt ohne jede Beschönigung zeigten.“

Ein Regierungschef lebt in der Wohnung eines verurteilten Steuerbetrügers. Seine Assistentin und wichtigste Beraterin ist die Geliebte eines italienischen Mafioso. Ein zweifelhafter Geschäftsmann korrumpiert Polizisten, diktiert Richtern Entscheidungen und fordert Gehorsam von Staatsanwälten. Die Polizei ruft widerrechtlich Daten über Journalisten ab. Wenn du die realen Ereignisse in deinem Buch als Fiktion beschreiben würdest, würde ein guter Herausgeber das wahrscheinlich alles wegstreichen. Und Verlage würden das vermutlich mit der Begründung ablehnen, dass es selbst für einen billigen Politthriller alles ein bisschen zu viel sei. Ist dir immer noch klar, wie monströs die politische Realität in der Slowakei ist (oder war)?

Da ich seit zwanzig Jahren investigativ tätig bin, dachte ich wirklich, mich würde nichts mehr überraschen. Die Journalisten wussten, wie das hier während der Smer-Regierungen lief, dass die Karten von Oligarchen gemischt wurden und nicht von den gewählten Politikern, die nur ihre gehorsame Marionetten waren. Ich habe das in dem ersten Buch Vlastnou hlavou (Mit dem eigenen Kopf) ausführlich beschrieben. Der Mord an meinem Kollegen und seiner Verlobten war jedoch trotzdem ein Schock, das hat keiner von uns erwartet. Viele von uns waren auch sprachlos, als Nachrichten von Kočners Handy veröffentlicht wurden, die seine monströse Welt ohne jede Beschönigung zeigten. Zu seinem Netzwerk gehörten auch hochrangige Staatsanwälte oder Journalisten, die eigentlich Wächter der Demokratie sein sollten. Glücklicherweise handelte es sich in diesem Fall nur um Ausnahmen – die meisten Journalisten machen ihre Arbeit ordentlich und dank ihnen wissen wir jetzt mehr über die Verbindung der politischen Elite zur Mafia. Jeden Tag warte ich gespannt darauf, wen die NAKA als nächstes mitnimmt. Es laufen noch viele Verbrecher frei herum, die denken, sie wären für immer unantastbar. Die Schlinge zieht sich jedoch langsam zusammen, so dass selbst dem bisher so souveränen Robert Fico die Nervosität anzumerken ist. Als ihn Journalisten bei der letzten Pressekonferenz fragten, wie er das Vorgehen der Polizei gegen Menschen wie Gašpar wahrnehme, hatte er große Probleme, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten. Ich denke, wir werden weitere Überraschungen erleben.

Das Buch „Vlastnou hlavou 2“ ( „Mit dem eigenen Kopf 2“) ist die Fortsetzung eines Bestsellers, in dem Vagovič hinter die Kulissen der ehemaligen Regierungspartei Smer-SD blickt. Das Buch „Vlastnou hlavou 2“ ( „Mit dem eigenen Kopf 2“) ist die Fortsetzung eines Bestsellers, in dem Vagovič hinter die Kulissen der ehemaligen Regierungspartei Smer-SD blickt. | © 2020 Ringier Axel Springer SK

Liest man den Threema-Chat des Geschäftsmanns Marian Kočner mit der Justizstaatssekretärin Monika Jankovská, so ist das für viele wahrscheinlich ein erschreckendes Erlebnis. Ihre private Kommunikation voller Vulgarismen zeigt ein Bild der mentalen Welt dieser Leute, wie man es sich bisher fast nicht vorstellen konnte. Welcher der vielen im Buch beschriebenen Skandale war dein persönlicher Albtraum?

Erschreckend ist auch Kočners Kommunikation mit Zuzana Miková Tománková von der Resozialisierungseinrichtung „Čistý deň“ (Sauberer Tag), wo es zu sexuellem Missbrauch minderjähriger Mädchen kam, die dort eine Drogen-Entziehungskur machten. Es ist sogar möglich, dass sie zur Prostitution gezwungen wurden. Beim Schreiben des Buches Vlastnou hlavou 2 (Mit dem eigenen Kopf 2) habe ich mich auch mit einem Informanten getroffen, der mir sehr detailliert beschrieben hat, was mit den Klientinnen von „Čistý deň“ passiert ist und wie sie von mehreren Politikern missbraucht wurden. Er sprach buchstäblich von Orgien, Alkohol in Strömen, harten Drogen, Missbrauch und Vergewaltigung von Minderjährigen. Ähnliche Geschichten habe ich auch schon vorher von anderen Seiten gehört, aber das war nie so konkret und überzeugend, wie in diesem Fall. Aber da mir die besagte Quelle trotz Zusicherungen keinerlei Beweise lieferte, Fotos, Videos, was auch immer, habe ich das letzten Endes nicht im Buch verwendet. Ich konnte seine Angst verstehen, aber da es um einen sehr sensiblen Fall ging, wäre es verantwortungslos gewesen, das nur aufgrund seiner Behauptungen hin zu veröffentlichen, obwohl es keinen Grund gab, ihm nicht zu vertrauen. „Čistý deň“ ist einer der Fälle, die mir den Schlaf rauben, denn ich habe das Gefühl, dass diese Horrorgeschichte noch nicht zu Ende ist.
 

Es laufen noch viele Verbrecher frei herum, die denken, sie wären für immer unantastbar.“

Der Mord an dem jungen, talentierten Investigativ-Journalisten Ján Kuciak, dessen Mentor und direkter Vorgesetzter du warst, hat die Slowakei im Februar 2018 erschüttert. In deinem Buch bildet dieses Ereignis eine Art Mittelachse. Wie unterscheiden sich die Kapitel im Abschnitt „Nach dem Mord“ von denen im Abschnitt „Vor dem Mord“? Wie hat der Mord die slowakische Gesellschaft verändert?

Auch vor dem Mord wurden Schlüsselvorgänge im Staat von den geheimen Geldgebern der Smer-Partei gemanagt, beziehungsweise von „unseren Leuten“, wie sie genannt wurden. Für das Geld, das sie in Ficos Partei pumpten, oder für kleine Gefälligkeiten für deren Vertreter, erhielten sie lukrative Staatsaufträge oder sicherten sich Straffreiheit. Auch Korruption war allgegenwärtig, obwohl [der frühere Innenminister und Vizepremier] Robert Kaliňák behauptete, dass die allerhöchsten Stellen davon ausgenommen seien. Der Unterschied liegt darin, dass es vor dem Mord „nur“ ums Business ging, aber nach dem Mord haben wir mit Entsetzen festgestellt, dass zumindest einer aus der Clique der Auserwählten auch nicht vor physischer Gewalt zurückschreckte. Dass ein Menschenleben für ihn keinerlei Wert hatte, da er es nur durch das Prisma seiner dreckigen Geschäfte sah. Der Mord veränderte auch meinen Schreibstil: Im zweiten Teil des Buches bin ich schärfer, denn es handelt sich um einen bisher nie dagewesenen Angriff auf einen von uns. In dieser Situation war es sehr schwer, vollkommen objektiv zu bleiben, obwohl ich glaube, dass mir das in weiten Teilen gelungen ist. Der Mord erschütterte verständlicherweise auch alle ehrlichen Menschen in der Slowakei. Ihre Wut und ihren Frust äußerten sie auf die bestmögliche Art und Weise: Massenproteste, durch die Fico, Kaliňák und die Polizeiführung von ihren Ämtern zurücktreten mussten. Den Politikern ist seitdem klar, dass man ihnen nichts mehr so leicht durchgehen lassen wird, denn die Menschen sind bereit, jederzeit auf die Straße zu gehen. Der Mord hat auch die politische Landschaft in der Slowakei verändert, da der Anführer der Antikorruptionsbewegung Igor Matovič die Wahlen gewann und Smer in die Opposition gehen musste. Eine der Folgen ist auch, dass die Polizei wieder freie Hand hat und die Ergebnisse sehen wir fast jeden Tag.

Warum ist deiner Meinung nach gerade Robert Fico für den präzedenzlosen Mord des Journalisten und seiner Verlobten verantwortlich?

Neben Angriffen auf kritische Journalisten ist er auch dafür verantwortlich, dass Menschen wie Kočner oder Bödör so viel Macht gewinnen konnten. Nicht nur was ihre Geschäfte betraf, sondern auch durch die Ausweitung ihres Einflusses auf das Umfeld der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Gerichte. Wenn er sie rechtzeitig gestoppt hätte und die Strafverfolgungsbehörden getan hätten, wozu sie normalerweise da sind, wäre der Mord an Ján Kuciak und Martina Kušnírová nie passiert. Stattdessen tut er so, als ob er mit dieser Angelegenheit nichts zu tun hätte. Nicht die direkte, aber die politische Verantwortung liegt in diesem Fall klar bei ihm. Dann ist er letztlich nach dem Mord von seinem Amt als Ministerpräsident zurückgetreten, das heißt, dass die Versuche, sich selbst als Opfer irgendeines Komplotts darzustellen – sogar mit feindlicher Unterstützung aus dem Ausland – nur verlogene rituelle Tänze für ein orientierungsloses Publikum waren. Genau wie die Verschwörungserzählungen über einen geplanten politischen Umsturz unter der Führung des Finanziers Soros.

Wie ist es möglich, dass Robert Fico nach all diesen Skandalen politisch noch immer nicht totzukriegen ist?

Fico ist politisch bereits tot, aber er will das noch nicht öffentlich eingestehen. Dieses Jahr hat sich Peter Pellegrinis Flügel von der Smer abgespalten und Pellegrinis Partei hat jetzt doppelt so viele Stimmen. Fico kämpft trotz allem immer noch weiter, da ihm bewusst ist, dass er mit dem Verlust seines politischen Einflusses und der Möglichkeiten, Druck auszuüben, auch vor den Organen der Strafverfolgungsbehörden um einiges angreifbarer ist. Jetzt hat keiner der Ermittler mehr Angst, dass, wenn „unseren Leuten“ das Wasser bis zum Hals steht, eine Anweisung von oben kommt. Auch deshalb ist Ficos Hauptbeschäftigung seit Wochen, platte Reden über die Schikanen der Opposition zu führen und die Vorgänge im Land als politisch bestellte Hetzjagd auf hochrangige Vertreter seiner Regierungszeit hinzustellen. Trotz allem würde ich ihn noch nicht endgültig für erledigt erklären: Er ist noch immer ein gewiefter Populist und Redner, dem es vier Mal gelungen ist, die Parlamentswahlen zu gewinnen. Mehr als 20 Jahre lang schaffte er es auch, die Smer-Partei zusammenzuhalten. An die Spitze wird er es natürlich nicht wieder schaffen, aber nach den Wahlen 2024 könnte er durchaus einer neuen Regierung unter Peter Pellegrini angehören. Zwar wird er nicht mehr in der Position des dominanten Anführers sein, aber möglicherweise wird aus ihm eine Art Mini-Mečiar [Während der Regierungszeit von Premierminister Vladimír Mečiar in den 90er Jahren kam es zu einer Reihe politischer Skandale, Anm.d.Red.], den er damals in der gemeinsamen Koalition völlig ausradiert und ihm Wähler abspenstig gemacht hat. Jetzt droht Fico das gleiche Schicksal durch seinen Rivalen Pellegrini.
 

Die Schlinge zieht sich langsam zusammen, so dass selbst dem bisher so souveränen Robert Fico die Nervosität anzumerken ist.“

Nach den letzten Parlamentswahlen wurden wir Zeugen bisher nie dagewesener Aktivitäten der Nationalen Kriminalagentur NAKA. Im Gefängnis landen nun nicht nur Steuerbetrüger und halbseidene Unternehmer, sondern auch Polizisten, Richter und Staatsanwälte. Angeklagt und inhaftiert wurde sogar der Generalstaatsanwalt. Heißt das, dass vorher der Polizei, Gerichten und Staatsanwälten die Hände gebunden waren?

Zweifellos. Es hat gereicht, die Leute in den wichtigen Funktionen auszutauschen und schon lief alles wie geschmiert. Dass sich die Polizei nun auch an ihren ehemaligen Chef Gašpar, den Oligarchen Bödör oder den Rechtsanwalt Zoroslav Kollár herantraut, zeugt von großen Selbstbewusstsein. Ich glaube, dass alle Aktionen, die die NAKA begonnen hat – und die außerordentliche Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich ziehen –, durch handfeste Beweise gestützt sind. Und dass diese auch den Richtern ausreichen, die bisher das schwächste Glied bei der Wiederherstellung von Gerechtigkeit, Recht und Gesetz sind. Während bei Polizei und Staatsanwaltschaft schon viel passiert ist, wartet die Justiz noch auf ihre Säuberung.

Gewitter, Fegefeuer, Gottes Mühlen: Die Nationale Kriminalagentur gibt sich mit den Code-Namen ihrer Operationen viel Mühe und es geraten immer mehr hochrangige Leute aus dem Umfeld der Justiz ins Visier. Es scheint, als ob der Kreis sich langsam schließt. Ist schon der Tag in Sicht, an dem ein ehemaliger hochrangiger Politiker in Handschellen abgeführt wird? Welchen Namen würde die NAKA der Aktion geben, bei welcher das passiert?

Pate, Chef, Häuptling, Hranol (Kante), Feši (Schönling), Strapatý (Strubbelkopf) [lacht] Natürlich mache ich Witze, das überlassen wir den kreativen Köpfen bei der Polizei. Sie sind erfinderisch genug, bestimmt fällt ihnen irgendeine passende Bezeichnung ein. Was eine potentielle Straftat hochrangiger Politiker betrifft, so gibt es einige Möglichkeiten, in welche Richtungen die Ermittler gehen könnten. Angefangen bei der intransparenten Finanzierung von Ficos Partei, über zweifelhafte Ausschreibungen im Verkehrswesen bis hin zu manipulierten Bieterwettbewerben im Innenministerium. In Betracht kommen beispielsweise Paragraphen über Korruption oder Machtmissbrauch öffentlicher Stellen.

Seit 20 Jahren bist du als Investigativ-Journalist in der Slowakei tätig. Gibt es noch etwas, was dich überraschen könnte? Bist du abgestumpft?

Nach den Anschuldigungen gegen Leute wie Bödör, Kollár, Kováčik oder Gašpar überrascht mich nicht mehr sehr viel. Von dieser Art Leute hatte ich nie eine hohe Meinung – ähnlich wie von Politikern, die sich hinter verlogenen Parolen über soziale Sicherheit versteckt haben und in Wirklichkeit alles in die eigene Tasche schaufelten. Wenn man aber 20 Jahre lang die dreckigen Machenschaften der Mächtigen aufdeckt, dann stumpft das Gehirn tatsächlich ab. Angesichts der Skandale wird man ein wenig zu einem Zyniker, der auch die Politiker mit anderen Augen betrachtet, da man nichts Gutes von ihnen erwartet.
 

Marek Vagovič wurde geboren in Bratislava und studierte Geschichte an der Universität Trnava. Seit dem Jahr 2000 arbeitet er für verschiedene Medien und beschäftigt sich hauptsächlich mit den Verflechtungen von Politik, Business und organisiertem Verbrechen. Er schrieb für die Presseagentur SITA, die Tageszeitungen Pravda und SME, die Wochenzeitungen Domino fórum und .týždeň und das Internetportal Aktualne.sk. Seit Oktober 2015 leitet er die Investigativabteilung von Aktuality.sk. Zwischen 2006 und 2020 war Vagovič 19 mal für den Journalistenpreis der Open Society Foundation nominiert. Achtmal konnte er den Preis gewinnen. Im Jahr 2016 erschien sein Buch Vlastnou hlavou: Ako predal Fico krajinu oligarchom (Mit dem eigenen Kopf: Wie Fico das Land an die Oligarchen verkaufte). Zwei Jahre später schrieb er gemeinsam mit seinen Kollegen aus der Redaktion von Aktuality.sk das Buch Umlčaní: Príbeh Jána Kuciaka a Martiny Kušnírovej (Zum Schweigen gebracht: Die Geschichte von Ján Kuciak und Martina Kušnírová).

Marek Vagovič: Vlastnou hlavou 2 Der Investigativjournalist Marek Vagovič war der direkte Vorgesetzte und Mentor des ermordeten Ján Kuciak. Vagovič beschreibt die Stunden und Tage unmittelbar nach dem Mord an seinem Freund und Kollegen im persönlichsten Kapitel seines neuen Buches Vlastnou hlavou 2 (Mit dem eigenen Kopf 2).

Das Kapitel Trauer, Vorwürfe, Wut veröffentlichen wir mit Genehmigung des Autors als exklusive Vorpremiere vor dem offiziellen Verkaufsstart des Buches am 12. November 2020.

Mit dem eigenen Kopf 2 – Trauer, Vorwürfe, Wut

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