Boskovice liegt vierzig Kilometer nördlich von Brno. Hier erscheint die investigative Lokalzeitung „Ohlasy“, was in der tschechischen Medienlandschaft heutzutage fast einer Kuriosität gleichkommt. „Die Lokalzeitungen sind mit ähnlichen Problemen konfrontiert wie die großen, überregionalen Zeitungen, haben allerdings viel weniger Mittel, um auf diese Probleme zu reagieren. Das Ergebnis ist eine sogenannte Medienwüste“, sagt Tomáš Trumpeš, Redakteur bei „Ohlasy“.
Die meisten Lokalzeitungen in Tschechien entstanden Anfang der 1990er Jahre in der Euphorie, die auf die Samtene Revolution folgte. Sie waren eine Antwort auf den lauten Ruf nach unabhängigen und freien Medien. In den vergangenen Jahren erreichte ihre Gründergeneration das Rentenalter und die bestehenden Medien werden eingestellt oder tun sich schwer damit, einen neuen Weg für ihr Fortbestehen zu finden. Ein unzureichendes Maß an Diversität sowie die Tatsache, dass diese Zeitungen alle ähnlich alt sind, sorgen für eine Monokultur, die sich, wie auch in natürlichen Ökosystemen, durch eine gewisse Fragilität auszeichnet.Denn auch für den Regionaljournalismus brachte das Aufkommen des Internets große Veränderungen mit sich, welche die bestehenden Finanzierungsmodelle grundlegend auf den Kopf stellen, neue Formen der Informationsweitergabe verlangen und auch die journalistische Arbeit selbst beeinflussen. Es wurde deutlich schwieriger, die Zeitung über die Leserschaft zu finanzieren und quasi unmöglich, im Bereich der Werbung mit Big Playern wie Google oder Meta zu konkurrieren. Gleichzeitig ist im ländlichen Raum das Mäzenatentum weniger ausgeprägt und es gibt für kleinere Medien praktisch auch keine entsprechende Förderlandschaft.
Gleichzeitig muss man als Zeitung in Bewegung bleiben und unaufhörlich nach neuen inhaltlichen Formaten suchen und auch den Anforderungen des Internetpublikums entgegenkommen.

Podcast Ohlasy – Redaktionsdiskussion über Kommunalpolitik. | Foto: © Magda Znamenáčková
Defizite begleichen wir aus eigener Tasche
Bisher scheint es, als würden wir eine Art Orientierungs- und Testphase durchlaufen, was die Finanzierungsmodelle betrifft – die einen setzen weiter auf Werbeeinnahmen, die anderen auf Einnahmen durch die Leserschaft und wieder andere auf Mäzene. Und manchmal auch alles zusammen. Ein funktionierendes Modell für wirklich hochwertige journalistische Arbeit im ländlichen Raum scheint es jedoch aktuell nicht zu geben, was zu einer Ausbreitung ebenjener Medienwüste führt. Hie und da überlebt mal eine Oase oder tut sich eine neue Quelle auf. Doch auch wir können nicht behaupten, dass wir ein gutes Modell gefunden hätten – unsere Zeitung Ohlasy schreibt seit ganzen zehn Jahren rote Zahlen, die wir aus eigener Tasche ausgleichen.Und dabei sind wir bereits maximal bescheiden – wir haben keine Redaktionsräume, sondern arbeiten von zuhause aus, unser Podcast-Studio haben wir im Arbeitszimmer und im Kleiderschrank der Frau meines Kollegen. Den Kern unserer Redaktion bilden eine schlecht bezahlte Vollzeitstelle und eine rein ehrenamtliche Teilzeitstelle. Darüber hinaus haben wir weitere Autor*innen mit sehr unterschiedlichen Beitragsraten, von denen die meisten unentgeltlich schreiben.
Die journalistische Arbeit in der Kleinstadt empfinden wir noch immer als sinnvoll. Als die Regionalzeitung von Boskovice, für die ich zehn Jahre lang als Kulturredakteur geschrieben hatte, nach einem Vierteljahrhundert eingestellt werden sollte, wussten wir eigentlich sofort, dass wir weitermachen wollten. Die Zeitung hatte eine vollwertige Redaktion mit mehreren Festangestellten und finanzierte sich überwiegend durch die gedruckte Wochenausgabe und Werbeeinnahmen, doch dieses Finanzierungsmodell ließ sich nicht länger aufrechterhalten. Zu der bitteren Erkenntnis kamen wir, nachdem wir noch eine Weile lang versucht hatten, sie zu retten und zu transformieren.
Die Rolle der Lokalpresse
Die Rolle einer Lokalzeitung ist insgesamt recht spezifisch und lässt sich nicht ganz mit den überregionalen, privatwirtschaftlichen Akteuren vergleichen. Eine Lokalzeitung wird durch ein Maß an gesellschaftlicher Verantwortung bestimmt, das ganz anders ist als im Fall einer überregionalen Zeitung, die auf einen immerhin noch einigermaßen funktionierenden und vielfältigen Markt trifft. Mit dem ländlichen Raum betritt man hingegen eine Wüste – bei dem Versuch, einen Dienst an der Öffentlichkeit zu erbringen, basiert auf journalistischen Standards, ist man ganz auf allein auf weiter Flur. Und deshalb gelten hierbei weitaus höhere Ansprüche an eine gewisse Ausgewogenheit, eine umfassende Berichterstattung sowie ein Zuwortkommenlassen von denjenigen, deren Stimmen sonst zu wenig gehört werden.Die Rolle der Lokalpresse ähnelt so immer mehr einer öffentlich-rechtlichen Rolle, obwohl sie praktisch keine Chancen hat, öffentliche Fördergelder zu bekommen. Entsprechende Fördertöpfe gibt es nicht und der Versuch aus dem Budget der Stadtverwaltung (oder der mit ihr verbundenen Unternehmen) unterstützt zu werden, ist zwar weit verbreitet, birgt jedoch monströse Interessenskonflikte in sich.
Es macht aber auch keinen Sinn, die Inhalte hinter einer Paywall wegzuschließen und sie nur denjenigen zu verkaufen, die sie sich leisten können und wollen – die grundlegende Aufgabe der Lokalpresse ist es schließlich, Informationen und Zusammenhänge für alle zur Verfügung zu stellen. Denn niemand sonst kommt dem in vollem Umfang nach. Und die politischen Kräfte auf kommunaler Ebene haben natürlich die gleichen Tendenzen wie auf nationaler Ebene – Informationen entweder zweckgerichtet preiszugeben oder gar nicht. Dadurch, dass es auf lokaler Ebene keine öffentlich-rechtlichen Medien gibt, finden sie dafür zudem noch günstigere Bedingungen vor.

Grünfläche in einer der Baulücken im jüdischen Viertel von Boskovice. Das Rasenmähen in den Sommermonaten ist eine der öffentlichen Endlosdebatten. | Foto: © Tomáš Znamenáček
Niemand zahlt dir die Betriebskosten
Wenn dann mal Fördermittel für kleine, regionale Medien ausgeschrieben werden – und dafür sind wir auch sehr dankbar – richten sie sich meist an den attraktiven Teil der journalistischen Arbeit, also an Investigativjournalismus und Regionalentwicklung. Um sich das erlauben zu können, muss man seinen Betrieb jedoch erst auf eine solide Basis gestellt haben. Und dafür gibt einem niemand Geld.Es ist nicht so, dass es im ländlichen Raum keinen Investigativjournalismus bräuchte oder dass wir uns nicht weiterentwickeln müssten. Natürlich wäre das notwendig. Aber zuallererst müssten dafür die lokalen Medien auf eine solide Basis gestellt werden und noch wichtiger: Es müssten neue Medien dort entstehen, wo sie heute fehlen.
Denn besonders ein gut funktionierendes Medium kann dann zur Stelle sein, wenn sich ernstere Angelegenheiten auftun und es notwendig wird, vom Wachhund zum Jagdhund zu werden und sich auf die investigative Fährte zu begeben. Uns ist es beispielsweise in einer solchen Situation gelungen, durch konsequenten Druck die Interessenskonflikte des örtlichen stellvertretenden Bürgermeisters aufzudecken, was mit dem Bruch der Koalition endete. Oder auch das Bossing von Angestellten durch eine Schulleiterin hier im Ort.
Beide Fälle zogen sich eine Weile hin und dass sie sich nicht unter den Teppich kehren ließen, liegt auch daran, dass wir sie immer wieder in die Öffentlichkeit zurückzerrten, nachhakten und bei den zuständigen Behörden Druck aufbauten, damit sie sich der Sache annahmen. In ersterem Fall führte dies dazu, dass der stellvertretende Bürgermeister für seine Koalitionspartner untragbar wurde, gerade auch durch sein arrogantes Auftreten in unserer Zeitung und seine Unfähigkeit, uns die ganze Angelegenheit zu erklären.
Im Bossing-Fall war ausschlaggebend, dass es uns gelang, eine ganze Reihe von sehr konkreten Zeug*innenaussagen über das Verhalten der Chefin gegenüber Angestellten zu veröffentlichen. Der Satz „Sie sollen nicht denken, Sie sollen zuhören“ entwickelte sich in Boskovice zu einem geflügelten Wort.
Dort, wo es qualitativ hochwertige Zeitungen gibt, gibt es auch mehr Demokratie. Und ein größeres Vertrauen in die Demokratie. Das gilt nicht nur für den Vergleich einzelner Staaten, sondern es ist nachgewiesen, dass das Vertrauen in das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft sich zu großen Teilen direkt dort entwickelt, wo man lebt. Also nicht nur aus überregionalen Nachrichten, sondern daraus, wie die Lokalpolitik funktioniert, das Krankenhaus, die Schule und so weiter. Lokaljournalismus leistet auf lokaler Ebene einen wichtigen Beitrag zu einer offenen und transparenten Gesellschaft, in der soziales Grundvertrauen gedeihen kann.
Hinzu kommt, dass für eine Gemeinschaft lokale Medien von entscheidender Bedeutung sind. Sie ermöglichen Dutzende und Hunderte kleinerer Interaktionen, die für eine Gemeinschaft identitätsstiftend wirken und ihr in vielerlei Hinsicht eine bessere Kommunikations- und Funktionsfähigkeit verleihen.

Die Regionalbahn auf ihrer letzten Fahrt Richtung Boskovicer Furche vor der Stilllegung des Streckenabschnitts. | Foto: © Tomáš Trumpeš
Der Wachhund
Unsere journalistische Arbeit besteht im Wesentlichen daraus, grundlegende Informationen über das Geschehen und die Politik hier in der Stadt bereitzustellen. Wir verfolgen Stadtratssitzungen mit, lesen Protokolle, nehmen an Pressekonferenzen teil, haken immer wieder nach, überprüfen Informationen und stellen den Vorhaben der Stadt die Meinungen der Opposition sowie der Fachöffentlichkeit entgegen. Und dann präsentieren wir dies unserem Publikum auf eine verständliche Art. Auch das ist Teil unserer Arbeit – wir übersetzen wichtige Informationen, die von den Behörden oftmals in einer unverdaulichen Weise veröffentlicht werden, in eine übersichtliche Form und eine verständliche Sprache.Eine weitere wichtige Aufgabe besteht darin, die öffentliche Debatte zu fördern. Ich berufe mich immer gern auf das Bonmot, die Grundlage der Politik sei der konstruktive Konflikt. Unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass der Konflikt konstruktiv bleibt, aber auch dass der Konflikt nicht gänzlich erlischt. Beide dieser Tendenzen sind gefährlich; auch auf lokaler Ebene neigen die Machthabenden stark zu entweder destruktivem Verhalten oder zur Bildung von Hinterzimmerstrukturen, bei denen in aller Stille Absprachen getroffen und ohne öffentliche Diskussion durchgesetzt werden. Deshalb hat die Zeitung die Aufgabe, sowohl die Debatten zwischen Koalition und Opposition im Blick zu behalten, als auch immer wieder die fachliche und interessierte Öffentlichkeit zu den einzelnen Angelegenheit zu Wort kommen zu lassen. Und unter Umständen auch selbst mit einem Kommentar auf Problempunkte hinzuweisen.
Dies haben wir schon oft gemacht, zum Beispiel bei den Plänen großer städtischer Investitionen, als die politischen Vertreter*innen immer wieder versucht hatten, alles so hinzubiegen, dass man ihnen nicht in die Karten schauen konnte. Gleichzeitig schlugen sie jegliche fachliche Beratung aus – daraus folgte beispielsweise eine große Blamage bei der Ausschreibung eines Architekturwettbewerbs, den die Tschechische Architektenkammer als rechtswidrig einstufte. Durch konsequente Kritik bei ähnlichen Verfahren konnte mit der Zeit erreicht werden, dass die politischen Vertreter*innen nun deutlich standardisierter vorgehen und auch Experten in den gesamten Prozess involviert werden.
Eine wirklich entscheidende Rolle kommt der Lokalpresse stets vor den Kommunalwahlen zu. Das ist für uns immer wie eine Olympiade, alle vier Jahre. Wir versuchen sehr konsequent und detailliert über die Programme und Pläne der einzelnen kandierenden Parteien und Wählergemeinschaften zu berichten, die Zusammenhänge der örtlichen Lokalpolitik zu erklären und Video-Interviews mit allen Spitzenkandidat*innen zu führen. Beim letzten Mal nahmen wir noch die Debatte zwischen den Kandidierenden um das Bürgermeisteramt dazu.
Lokalzeitungen haben eine große Bedeutung für das Zusammenleben einer Gemeinschaft. In einer Stadt finden permanent wichtige Aktivitäten statt, die für eine funktionierende, gesunde Gesellschaft unverzichtbar sind. Wir sind deshalb nah dran an der Zivilgesellschaft, informieren über die Tätigkeiten von Vereinen, über das kulturelle Leben und lassen viele interessante Leute zu Wort kommen, die hier in der Stadt leben oder sie besuchen und etwas zu sagen haben. Und das praktisch in allen Lebensbereichen.

Die Folgen des letzten Hochwassers in Boskovice. | Foto: © Tomáš Znamenáček
Lebendige Zivilgesellschaft
Und der letzte Bereich unserer Arbeit ist das, was wir etwas altbacken „Heimatkunde“ nennen. Nicht weil wir an billigen Patriotismus glauben, sondern weil wir die positive Einstellung zu dem Ort, an dem wir leben, verstärken und vertiefen wollen – auf Grundlage von Wissen über Geschichte, Geografie, Natur und geistiges Erbe.Das Ziel unserer Arbeit ist also in all diesen einzelnen Aspekten, zu einer informierten, aktiven Gesellschaft beizutragen mit gesunden Beziehungen, einem Interesse am eigenen Umfeld und der Umwelt und mit der Kompetenz, eine kultivierte öffentliche Debatte zu führen. Gleichzeitig ist unser Ziel, in der Öffentlichkeit für diejenigen einzustehen, die Unterstützung benötigen und deren Stimme gerade nicht genug gehört wird.
Wenn wir über Medienwüsten reden, übersehen wir eine Sache, die für den journalistischen Bereich wichtig ist und die nicht außer Acht gelassen werden sollte, und zwar die Existenz von sogenannten Amtsblättern. Diese werden direkt von der Stadtverwaltung finanziert, sehen für gewöhnlich wie Zeitungen aus, sind aber letztendlich ein Instrument der regierenden Parteien, was sich in Form und Inhalt niederschlägt. Gleichzeitig beeinflussen sie ganz erheblich nicht nur den Annoncenmarkt, sondern auch die Informationslandschaft und die öffentliche Debatte. In dieser Hinsicht stellen sie eine Konkurrenz für uns dar, die keinerlei journalistische Standards einhält, nicht die Neutralitätsansprüche einer öffentlichen Dienstleistung erfüllt, aber zum Beispiel in unserer Stadt über ein etwa dreimal so großes Budget verfügt, das, abgesehen von kleineren Werbeeinnahmen, praktisch komplett aus öffentlichen Mitteln stammt.
Ein Wille, dieses Medienmodell unter die Lupe zu nehmen, bei dem regierende Politiker Inhalte direkt bestimmen, was auf überregionaler Ebene absolut unhaltbar wäre, lässt sich in der Öffentlichkeit bislang scheinbar nicht erkennen. Das, was wir auf überregionaler, landesweiter Ebene bei den öffentlich-rechtlichen Medien fürchten, hat sich auf kommunaler Ebene bereits als Standard etabliert. Die Machtmechanismen dahinter sind jedoch auf jeder Ebene dieselben.
Lokale Besonderheiten
Aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen, glauben wir kaum noch an die Etablierung eines zentralisierten Netzwerks regionaler Medien, wie es beispielsweise die Zeitung Deník konzipierte. Zum einen ist es unserer Meinung nach gut, wenn eine Zeitung von unten emporwächst und eine eigene Identität und Unabhängigkeit aufweisen kann, und zum anderen gibt es jeweils nichtübertragbare lokale Besonderheiten, die ebenfalls gut sind, um ein spezifisches Profil zu formen. Und wie bereits zu Beginn erwähnt – wir haben schlechte Erfahrungen mit einem bestimmten Typ von journalistischer Monokultur gemacht, deshalb sind wir auch in dieser Hinsicht der Meinung, dass es eine gewisse Diversität braucht.Unsere Stadt hat beispielsweise ein reiches historisches Erbe, mehrere bedeutende Baudenkmäler und ein einzigartiges städtebauliches Ensemble im ehemaligen jüdischen Viertel. Damit verbunden ist auch ein einzigartiges überregionales Festival, das vom Prager Verein Unijazz ausgerichtet wird und landesweit eine der größten Veranstaltungen dieser Art ist. Daraus hat sich auch eine spezifische Kulturtradition entwickelt.
Dann haben wir zum Beispiel auch ein eigenes städtisches Krankenhaus, was nicht selbstverständlich ist – Krankenhäuser werden meist vom Kreis oder vom Staat betrieben. Außerdem gibt es bei uns sehr spezielle Probleme mit den verkehrstechnischen Begebenheiten, aufgrund der nicht fertiggestellten Schnellstraße und der fehlenden Direktverbindungen im Zugverkehr nach Brno. Daraus ergeben sich die unterschiedlichsten Aspekte: unter anderem kommt es nicht zu einer so großen Abwanderung von Aktivitäten und Menschen nach Brno und andersherum ist Boskovice damit attraktiv für Menschen, die mehr suchen, als nur eine Satellitensiedlung mit guter Anbindung zum Pendeln.

Werbe-Smog im Herzen der Stadt sowie die städtischen Denkmalzonen von Boskovice. | Foto: Tomáš Trumpeš
Vom Nachteil zum Vorteil
Auf diese Tatsachen hatte mich einst eine befreundete Soziologin aufmerksam gemacht und damit gewissermaßen die hier gängigen Vorstellungen auf den Kopf gestellt, dass wir durch die Entfernung zu Brno und die schlechte Verkehrsanbindung nur Nachteile hätten. Über die Jahre hinweg konnte ich dies dann selbst immer mehr beobachten – als zum Beispiel die Stadtverwaltung ein riesiges Stück Stadtwald an die Betreiber eines Dinofreizeitparks verkaufen wollte, setzten sich diejenigen aktiv dagegen zur Wehr, die gerade wegen dieses Stadtwalds nach Boskovice gezogen waren.Gleichzeitig ist es sehr nützlich, sich mit anderen kleineren Medien auszutauschen, zusammenzuarbeiten sowie Erfahrungen und Informationen zu teilen. Einige Themen betreffen uns alle – zum Beispiel diese Amtsblätter. Bereits seit längerem beschäftigen wir uns mit einem Thema, das praktisch alle Städte und Kommunen betrifft, nämlich die Vorgehensweise bei der Planung von größeren kommunalen Investitionen. Unsere Zeitung hat über die Jahre entscheidend dazu beigetragen, dass Boskovice den Weg hin zu offenen Architekturwettbewerben gegangen ist.
Ein weiteres Thema ist die zweifelsfreie Transparenz der Stadtverwaltung – ich bin immer wieder schockiert, wenn ich mit Leuten aus anderen Kleinstädten oder auch Prager Stadtteilen spreche und höre, wie viele politische Entscheidungen dort im Hinterzimmer getroffen werden und wie wenig Politiker für ihre Vergehen zur Rechenschaft gezogen werden. Dort, wo es eine gut funktionierende Lokalzeitung gibt, herrscht wiederum auch ein permanenter Druck, die Öffentlichkeit gut zu informieren.
Als wichtigstes Thema für die Zukunft betrachte ich die Anpassung an den Klimawandel – auch davon ist absolut jede Stadt betroffen. Und gleichzeitig lässt sich ein riesiges Defizit beobachten, was die Vorbereitungen betrifft sowie den Willen, Lösungen zu finden. Aber auch hier ist es notwendig, das Thema erst einmal öffentlich zu bearbeiten. Dabei erschöpfte sich unsere Stadt bereits mit der Debatte um das Rasenmähen in den Sommermonaten, was natürlich noch lange nicht ausreicht. Dann sind da noch die sozialen Probleme, Obdachlosigkeit, überhaupt städtischer Wohnungsbau, der Druck, die Schulen zu modernisieren – bei all diesen Themen versuchen wir, die Stimmen derer zu verstärken, die nach einer Verbesserung streben. In der Vergangenheit war exzessives Glücksspiel ein großes Thema. Inzwischen ist es generell verboten.

Der öffentliche Raum oder: Wie Boskovice seine Besucher begrüßt. | Foto: © Tomáš Trumpeš
Regional oder eher lokal?
Für die Menschen und vor allem für Journalisten aus Großstädten mag es hinsichtlich einer Kleinstadt unglaubwürdig oder lächerlich klingen, aber auch wir sind mit Problemen und Kritik aus dem Randgebiet unserer Region konfrontiert. Und diese Kritik ist berechtigt – auch wir leiden an der Unfähigkeit des Zentrums, das Leben in den kleineren Gemeinden der Region zu sehen, wahrzunehmen und zu reflektieren. Dazu muss gesagt werden, dass uns dazu praktisch keinerlei Mittel mehr zur Verfügung stehen, das heißt, die Vorstellung eines selbständigen Journalisten, der sich nicht Boskovice, sondern insbesondere dem Geschehen in den umliegenden Gemeinden widmet, ist für uns zwar sehr reizvoll, ökonomisch aber einfach nicht umsetzbar. Wir sind in Bezug auf unsere Möglichkeit eher ein lokales als ein regionales Medium. In dieser Hinsicht hat sich der Regionaljournalismus mehr zu Schulden kommen lassen, als es vielleicht aussehen mag.In vielerlei Hinsicht ändert sich die Welt im ländlichen Raum genauso wie die Welt des großen Journalismus. Auch wir spüren nach Jahrzehnten, dass wir langsam abgehängt werden und dringend eine Modernisierung unserer Arbeit online bräuchten. Von Anfang an haben wir zwar ziemlich intensiv versucht, ein neues Publikum anzusprechen, das lieber Podcasts hört als Artikel zu lesen, aber uns fehlen einfach die Kapazitäten dafür, mehr mit Videos zu arbeiten oder aktivere und innovativere Formate in den sozialen Medien zu bedienen. Aber damit sind wir wieder am Anfang – wenn lokale Medien nur sehr schwierig Zugang zu einer Finanzierung des Allernötigsten erhalten, können sie sich schlecht auch noch um ihre Weiterentwicklung kümmern.

Festival für das jüdische Viertel in Boskovice – alljährliches Highlight im Kulturprogramm. | Foto: © Tomáš Trumpeš
Den Regionaljournalismus unterstützen
Aus all dem hier Aufgeführten geht klar hervor, dass wir einerseits eine große Krise des Regional- und Lokaljournalismus beobachten. Andererseits ist dessen Bedeutung für eine demokratische Gesellschaft offensichtlich. Gleichzeitig müssen wir zugeben, dass wir aktuell keine Lösung parat haben, wir machen kein Geheimnis daraus, dass auch unsere Zeitung seit zehn Jahren im Minus ist und wir ihre Existenz selbst mitfinanzieren müssen. Dennoch ermutigen wir immer wieder vor allem junge Journalist*innen, in den ländlichen Raum zurückzukehren und dort zu versuchen, Zeitungen zu gründen und weiter zu betreiben.Eine Unterstützung des Regionaljournalismus sollte nicht aus einer Unterstützung dessen bestehen, was gerade noch da ist, sondern sollte vor allem die Entstehung von neuen Zeitungen fördern. In Tschechien sollte es in jeder Gemeinde ähnliche Lokalzeitungen geben, mit größerer Reichweite, so wie es eben in den 1990er Jahren nach der Samtenen Revolution der Fall war.
Damals war allerdings die Nachfrage nach gedruckten Zeitungen noch größer und die Werbeanzeigen sorgten für solide Einnahmen. Aus unserer Erfahrung und der Situation andernorts kommen wir zu der Überzeugung, dass eine auf soliden Beinen stehende Zeitung im ländlichen Raum ohne institutionelle, staatliche Förderung nur schwer vorstellbar ist. Gerade ältere Kollegen reagieren auf diesen Gedanken ablehnend – es erscheint ihnen journalistisch unsauber, als Zeitung Geld von demselben Staat anzunehmen, über dessen Funktionieren sie kritisch und unvoreingenommen berichten sollen. Ein Risiko im ländlichen Raum birgt allerdings auch die Abhängigkeit von Werbeeinnahmen, von Mäzenen (die möglicherweise eigene Interessen verfolgen) und in gewisser Weise auch von der Leserschaft: Den Einfluss von Filterblasen, die sich hinter Bezahlschranken bilden, auf das Denken und die Inhalte von Medien können wir auf überregionaler Ebene sehr deutlich beobachten. Mögliche Subventionen, die staatlich und dadurch weit weg von der kommunalen Ebene sind, erscheinen in dieser Hinsicht beinahe sicherer.
Wie eine solche Förderung konkret aussehen könnte, müsste diskutiert werden; wir hegen keine Ambitionen die konkreten Parameter vorzuschlagen. Ohne sie wird sich die Medienwüste allerdings höchstwahrscheinlich weiter ausdehnen, auch wenn es in den vergangenen Jahren immer wieder neue sympathische Projekte und Oasen des qualitativ hochwertigen Journalismus gab.
Das Problem ist natürlich nicht nur auf die Tschechische Republik beschränkt. Wie die ehemalige EU-Kommissarin Věra Jourová in ihrem Rückblick im Tschechischen Rundfunk übrigens sagte, betrachtet sie es nach zehn Jahren in der EU-Kommission als ihre größte Niederlage, dass es ihr nicht gelungen ist, eine Finanzierung des Regionaljournalismus sicherzustellen.
März 2025