Ägypten

Apr. 2018

Die abstrakte Schule im Rampenlicht  Gespräch mit dem ägyptischen Künstler Farouk Hosny

Farouk Hosny Gallery Foto: © Hassan Emad

„Das Licht in Farouk Hosnys Werk ist eindeutig das Licht Ägyptens. Eine Mischung aus dem Wasser des Nils, dem Wasser des Meeres und der kargen, vertrockneten Wüste. Er arbeitet wie ein Dichter und füllt nicht bloß einen leeren Ort, sondern kreiert einen Raum, in dem Imagination und Wirklichkeit miteinander verschmelzen. Er produziert Farben, Striche, Skizzen, Nebel, lange geschwungene Linien, kurze Aufschreie und grelle Spritzer.”

 

Farouk Hosny Farouk Hosny | Foto: © Hassan Emad Diese Worte des französischen Kunstkritikers Michel Nurisdany verschaffen uns Zugang zum Werk des ägyptischen Künstlers Farouk Hosny, der abstrakte und expressionistische Malerei miteinander verbindet. Eine umfassende Sammlung von Werken, in denen die Farbe blau dominiert, spiegelt das Wasser des Meeres wieder und die Kindheitserinnerungen des Künstlers, der in Alexandria aufgewachsen ist.

Farouk Hosny, geboren 1938, sorgte Zeit seines Lebens für Kontroversen. Nicht nur wegen seiner Malerei, welche das ägyptische Publikum und die Kritiker schlicht als „Kritzelei” abtaten, sondern auch in seiner Funktion als Kulturminister. Dieses Amt hatte er unter dem ehemigen Präsidenten Mubarak, der im Zuge der Revolution von 2011 zurücktrat, 23 Jahre lang inne.

Obwohl sich die meisten ehemaligen Regierungsmitglieder aus der Zeit Mubaraks aus dem Rampenlicht fernhalten, hat Farouk Hosny einige Ausstellungen konzipiert und neue Werke geschaffen. Zudem hat er dem ägyptischen Staat sein Haus vermacht, welches nach seinem Tod als Museum genutzt werden soll. Wir sprachen mit ihm über sein Leben zwischen Kunst und Politik.
 
Ihre Werke transportieren verschiedene Gefühle und viele Fragen und streben stets nach Befreiung. Doch wovon möchten Sie befreien und welches sind die großen Fragen und Sorgen, die Sie beschäftigen?

Ich sage immer, dass  Enthüllung die Kunst kaputt macht. Der künstlerische Prozess beruht meiner Meinung nach in erster Linie auf Gefühlen. Wenn ich male, befinde ich mich irgendwo zwischen Bewusst- und Unbewusstsein, deshalb befreit das Malen von allen Zwängen. Sicherlich gibt es Sorgen, die alle Menschen teilen. Da sind jene Sorgen, die sich um einen Traum drehen, das Streben danach, eine neue künstlerische Stufe zu erreichen, die nicht erreichbar ist. Und es gibt andere Sorgen, die sich um Zeit, Existenz und den Menschen drehen.
 
  • Art Gallery 1 Foto: © Hassan Emad
  • Art Gallery 2 Foto: © Hassan Emad
  • Art Gallery 3 Foto: © Hassan Emad
  • Art Gallery 4 Foto: © Hassan Emad
  • Art Gallery 5 Foto: © Hassan Emad
  • Art Gallery 6 Foto: © Hassan Emad


Sie sind in Alexandria geboren und haben dort ihre Kindheit und Jugend verbracht. Wie spiegelt es sich in Ihrer Persönlichkeit und Ihrem Werk wieder in dieser historischen und kulturell reichen Stadt am Mittelmeer aufgewachsen zu sein?

Alle Künstler sind von ihrer Umgebung beeinflusst, insbesondere in der Anfangsphase. Beispielsweise in der Wüste finden Sie viele Poeten, denn die Umgebung, die Leere, die Stille und die sich ausdehnende Weite, fördert diese Kunstform. In der Stadt sind die Menschen vielen anderen Einflüssen ausgesetzt. Ich bin in Alexandria geboren. Als Hafenstadt war Alexandria  immer von vielen unterschiedlichen Kulturen geprägt und von Mitte des 18. bis Mitte des 20. Jahrhunderts war sie eine bedeutende Kunstmetropole. Alexandria  hat Dutzende europäische Kunstschaffende hervorgebracht, darunter den griechisch-alexandrinischen Schriftsteller Constantine Kavafis, den großen ägyptischen Maler Mahmoud Said oder den Sänger und Komponisten Said Darwish. In jener Zeit in einer Stadt wie Alexandria mit ihrer ausgeprägten kulturellen Szene aufzuwachsen hat mich in meiner Kindheit und Jugend mit Sicherheit stark inspiriert und motiviert.

Erzählen Sie uns von Ihren Reisen nach Frankreich und Rom, wie haben Sie diese erlebt?

Das Meer ist einer der ersten Fixpunkte meiner Kindheit und Jugend. Ich habe mich immer gefragt, wie es wohl auf der andern Seite aussieht, in der Ferne, aus der die Schiffe kamen. Ich verspürte stets einen starken Drang zu reisen und das gegenüberliegende Ufer zu entdecken. In der Schule studierte ich die französische Sprache und Kultur, was mich dazu ermutigte, die Reise anzutreten. Ich setzte also meinen Plan in die Tat um und fuhr los, und ich fühlte mich wie neu geboren.

Weshalb haben Sie sich in ihrem künstlerischen Schaffen für die abstrakte Malerei entschieden?

Ich habe mich nicht direkt für das Abstrakte entschieden, aber ich habe bemerkt, dass ich mich darüber am besten  ausdrücken kann. Vor meiner Reise nach Frankreich malte ich expressionistisch und akademisch und ich probierte verschiedene künstlerische Schulen aus. Die abstrakte Schule zog mich schließlich in ihren Bann. Als ich nach Ägypten zurückkehrte und meine Werke ausstellte wurde ich heftig kritisiert. Ich hätte aufhören können. Ich hätte malen können, was Öffentlichkeit und Kritikern gefiel. Doch dann wäre ich ein verlogener Künstler gewesen und hätte doch mit meinen Werken das Publikum nicht erreicht, denn sie wären nicht ehrlich gewesen. Und mit der Zeit haben sich die Öffentlichkeit und die Kritiker mit den abstrakten Werken auseinandergesetzt, denn sie spiegeln meine Persönlichkeit wieder ohne vorzutäuschen.

Sie waren 23 Jahre lang Kulturminister in einem autokratischen, nicht demokratischen, System. Wie hat sich das auf Sie als Künstler ausgewirkt?

Vom ersten Tag an in diesem Amt, habe ich in mir Raum für mich als Künstler erhalten. Ich spürte, dass ich die wichtige Aufgabe hatte die Kultur und das Erbe Ägyptens zu bewahren, doch in all den Jahren bin ich nie der regierenden Nationaldemokratischen Partei (Al-Hizb Al-Watani) beigetreten und ich habe immer wiederholt, dass ich nicht geboren wurde, um Minister zu sein, sondern um Künstler zu sein. Dieses Amt ist per definitionem temporär, aber die Kunst, die wird es immer geben.