Pionierarbeit eines Comic-Lektors

Foto: © Isabelle Daniel

Was auf dem deutschen Comicmarkt landet, entscheidet eine Handvoll Leute. Filip Kolek ist einer von ihnen.

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Filip Kolek, Foto: © Isabelle Daniel

Zu den ersten Comics, die Filip Kolek gelesen hat, gehörten aus Deutschland geschmuggelte Superhelden-Geschichten. Nachdem die Familie 1989 aus der Tschechoslowakei nach Frankfurt am Main emigrierte, lernte er Art Spiegelmans „Maus“ und Gilbert Hernandez‘ „Love and Rockets“ kennen. Heute ist es Filips Job, Graphic Novels zu vermarkten.

Nicht vielen Menschen gelingt es, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Noch weniger behalten sich die Leidenschaft für das bei, was sie einst als Berufung bezeichnet haben – und was dann schließlich doch nur Arbeit geworden ist. Filip Kolek scheint es geschafft zu haben. Wenn er über seinen Job spricht, leuchten ihm die Augen. Und man will am liebsten alle Comics lesen, die er als Pressesprecher zweier wichtiger Berliner Comicverlage betreut. Dabei entspricht Filip alles anderem als dem Klischee eines Marketing-Strategen, der seinem Gegenüber ein beliebiges Produkt verkaufen will. „Ich könnte den Job nicht machen, wenn ich nicht mit Leidenschaft dahinterstehen würde“, versichert er. Man glaubt es ihm sofort.

Coverillustration von Gilbert Hernandez mit zwei seiner Hauptcharaktere: Heraclio and Carmen. Quelle: wikipedia.orgErkannt hat der heute 34-Jährige seine Leidenschaft schon früh. In Bratislava aufgewachsen, las er als Kind bereits Comics in mehreren Sprachen: die legalen auf Slowakisch, Tschechisch oder Russisch, die illegalen auf Deutsch oder Englisch. „Comics hatten für mich schon immer einen gleichberechtigen Status mit anderen Medien“, sagt Filip, der mit dieser Einstellung lange Zeit einem kleinen Kreis von Liebhabern des Genres angehörte.

Der Comicmarkt in Deutschland wächst zwar, doch verglichen mit anderen Literatursparten befindet sich der grafische Zweig noch immer in einer Nische. Ein erfolgreicher Bestseller-Roman kann schnell die Millionenmarke an Lesern knacken. „Wenn eine Graphic Novel erfolgreich ist, verkauft sie sich vielleicht 5.000 Mal“, sagt Filip. „Wir leisten da schon Pionierarbeit.“

„Die Vorbehalte werden weniger“

Pionierarbeit ist das, was Filip tut, auch deshalb, weil es in „seinen“ Comics eben nicht um Superhelden oder die lustigen Abenteuer eines Cowboys geht, sondern um Themen, die man sonst eher in Sachbüchern findet: Die Autoren, die Filip vermarktet, schreiben und zeichnen über deutsch-deutsche Geschichte, politische Verhältnisse und gesellschaftliche Probleme. „Am Anfang begegneten mir Vorbehalte bei fast jedem Anruf, den ich bei Redaktionen machte. Das kommt mittlerweile immer seltener vor.“

Wer sich Filips Lebenslauf ansieht, könnte sich darüber wundern, wie jemand, dessen Muttersprache nicht Deutsch ist, eine Karriere als Lektor und Pressebeauftragter machen konnte. Filip, der Deutsch genauso fehlerfrei schreibt wie er spricht, sieht darin keinen Widerspruch: „Mit elf oder zwölf Jahren kann man eine Fremdsprache ja noch sehr schnell lernen – auch wenn man sprachlich gebrandmarkt bleibt“, sagt er mit einem selbstironischen Verweis auf sein rollendes R.

„Ich bin eher eine Rarität“

Cover von Maus Volume I (1986 Pantheon Books), © Art SpiegelmanAls der Eiserne Vorhang fiel, war Filip elf Jahre alt, seine Familie zog nach Deutschland um. Hier entdeckte er nach und nach Comics mit politischen Hintergründen, darunter auch jenen, der ihn ein Leben lang begleiten sollte – Love and Rockets, in dem der Zeichner Gilbert Hernandez das Leben von Einwanderern in den USA schildert. „Der weckte in mir ein Lebensgefühl, das schon lange in mir schlummerte“, beschreibt Filip seinen ersten Leseeindruck viele Jahre später.

Seine erste Stelle als Comic-Lektor war dennoch ein Quereinstieg. Nach einem Studium der Film- und Literaturwissenschaft kam er zunächst für ein Praktikum zu einem Comicverlag nach Berlin. Von da an sei er „von Verlag zu Verlag herumgereicht“ worden, erzählt Filip. Seine erste Festanstellung behielt er dann aber doch fünf Jahre, um sich schließlich für eine Tätigkeit als Freiberufler zu entscheiden. Was das in einem Mini-Business wie der deutschen Comicszene bedeuten kann, zeigt ein Blick in Filips Terminkalender. Erst Mitte 2013 kann er wieder Aufträge annehmen. Seine bescheidene Selbsteinschätzung trifft es auf den Punkt: „Ich bin eher eine Rarität.“


Copyright: Goethe-Institut Prag
März 2013