Keine Wahlempfehlung

Wahl-O-Mat Bundestagswahl 2013 (© bpb)

Der Wahl-o-Mat dient jungen Wählern zur politischen Orientierung

38 Thesen: Darauf lässt sich der Bundestagswahlkampf reduzieren. Alle vier Jahre kondensieren die Entwickler des „Wahl-o-Mats“ Partei- und Wahlprogramme zu einem multimedialen Fragebogen. Junge Wähler sollen sich so spielerisch über die deutsche Parteienlandschaft informieren können. Tatsächlich ist der Wahl-o-Mat eine Erfolgsgeschichte. Seit im Jahr 2002 der erste Wahl-o-Mat an den Start ging, haben sich rund 24 Millionen Menschen durchgeklickt. Betrieben wird der Wahl-o-Mat von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Im Interview erzählt bpb-Redakteurin Pamela Brandt von der komplizierten Entwicklung des Tools.

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Hier geht’s zum Wahl-O-Mat. © bpb

Für jeden Wähler ist die Motivation, eine bestimmte politische Partei zu wählen, ja eine andere. Nach welchen Kriterien wählen Sie die Thesen aus, die im Wahl-o-Mat landen?

Dabei hat die Zielgruppe ein großes Mitspracherecht. Der erste Schritt in der Entwicklung des Wahl-o-Mats ist ein dreitägiger Workshop mit Politikexperten und Jugendlichen zwischen 18 und 26 Jahren, in dem wir die Wahlprogramme aller zur Bundestagswahl zugelassenen Parteien – das sind mehr als 30 – wälzen. Zuvor legen wir sechs große Themengebiete fest, damit keines vergessen wird – also beispielsweise Außen- und Sozialpolitik. Zu diesen Themen werden in dem Workshop dann anhand der Wahlprogramme, aber auch anhand der aktuellen politischen Diskussion, rund 86 für alle verständlich formulierte Thesen entwickelt. Diese Thesen schicken wir dann an die Parteivorstände – denn wir interpretieren ja nicht die Wahlprogramme. Das heißt: Die Parteien erhalten unsere Thesen, auf die sie mit „Stimme zu“ oder „Stimme nicht zu“ antworten müssen – genau wie der Nutzer, wobei dieser zusätzlich die Option hat, mit „Ich weiß nicht“ zu antworten.

Wahl-o-Mat 2013 von Fluter

Wie reagieren denn die Parteien auf den Wahl-o-Mat?

Am Anfang fanden sie das nicht so einfach. Mit einem klaren „Ja“ oder „Nein“ auf die Thesen zu antworten, hat denen Kopfschmerzen bereitet. Zehn Jahre später betrachten sie es aber wohl als Mittel, ein Kurzwahlprogramm zu formulieren. Außerdem dürfen sie mit ihrer Antwort eine Begründung aus maximal 500 Zeichen nennen, die später auch die Wahl-o-Mat-Nutzer lesen können.

Was passiert, nachdem die Parteien geantwortet haben?

Dann treffen wir uns ein zweites Mal mit den Politikexperten und Jugendlichen. Dabei werden auch die Antworten der Parteien auf ihren Faktengehalt kontrolliert. In einem dritten – statistischen und redaktionellen – Auswahlverfahren werden aus den 86 ursprünglichen Thesen 38 ausgewählt, die alle aktuellen Themen umfassen und in der Lage sind, die Parteien zu unterscheiden. Dabei geht es auch darum, die Themen zu reflektieren, die den jungen Wahlberechtigten wichtig sind.

Die Redaktion: Thomas Andonie, Johannes Moritz Bartsch, Anna Bosch, Anni Michelle Deutsch, Fabian Drywa, Sabine Eberhardt, Frederic Pascal Genreit, Anna Gründler, Lisa Gürth, Pareick Gwinner, Max Haslböck, Anna Maria Jansen, Ruth Kichmann, Sophie Leins, Marcus Marosz, David Meuresch, Lara Moritz, Rebecka Müsel, Mareike Riesinger, Fabian Schiffelholz, Tom Schwesig, Mareike Spychala, Christian Stuffrein, Johannes Uhl, Pauline Westerbarkey. Lizenz: CC BY-ND 3.0 / (bpb)

Welche Themen finden die jungen Wahlberechtigten denn vor der anstehenden Bundestagswahl wichtig?

Tatsächlich unterscheiden sich die Jugendlichen dabei gar nicht so sehr von den erwachsenen Wahlberechtigten. Zum Beispiel hat sich bei dem Workshop in Köln gezeigt, dass auch die 18- bis 26-Jährigen die Rentenproblematik durchaus wichtig finden, weil sie wissen, dass auch sie später einmal davon betroffen sein werden. Die meisten Jugendlichen sind zudem ökologisch interessiert und finden Tierschutzfragen wichtig. Auch das Rauchverbot war Bestandteil der Diskussion – und eine immer wiederkehrende Frage ist, ob Drogen legalisiert werden sollten.

Wird der Wahl-o-Mat auch hauptsächlich von dieser Zielgruppe genutzt?

Ja. Anfangs waren rund 50 Prozent der Nutzer jünger als 30 Jahre – und auch jetzt sind es noch fast 40 Prozent. Natürlich ist es immer so, dass bei einem Instrument der politischen Bildung, das entwickelt wird, um komplexe Themen in reduzierter Form wiederzugeben, sich über die eigentliche Zielgruppe hinaus immer mehr Menschen angesprochen fühlen – weil es eben so einfach ist. Die ursprüngliche Idee des Wahl-o-Mats war aber, ihn für Jugendliche zu entwickeln. Viele junge Wahlberechtigte verzichten darauf wählen zu gehen mit dem Argument dass es zwischen den Parteien sowieso keine großen Unterschiede gäbe. Der Wahl-o-Mat zeigt, dass das nicht stimmt.

Wie zuverlässig ist denn der Wahl-o-Mat? Und wie viel Einfluss hat er?

Zunächst einmal: Wir geben keine Wahlempfehlung. Der Wahl-o-Mat ist ein Frage-und-Antwort-Tool, das zuallererst der Information darüber dient, welche Parteien zur Wahl zugelassen sind und was sie voneinander unterscheidet. Dass er gut funktioniert, zeigt unsere Nutzerforschung: In Umfragen geben 90 Prozent an, dass ihr Ergebnis sie nicht überrascht. Bei den meisten steht an erster oder zweiter Stelle die Partei, die sie auch wirklich wählen beziehungsweise eine Partei aus derselben „Parteienfamilie“ im Links-Rechts-Spektrum.

Auch die NPD gehört zu den Parteien im Wahl-o-Mat. Warum lassen sie diese rassistische und verfassungsfeindliche Partei nicht weg?

Im Wahl-o-Mat sind alle zur Wahl zugelassenen Parteien vertreten. Das bringt die Schwierigkeit mit sich, dass auch verfassungsfeindliche und rechtsextreme Parteien wie die NPD ihren Platz darin haben. Nutzer müssen jedoch, bevor sie mit dem Wahl-o-Mat beginnen, die Parteien auswählen, mit denen sie ihre eigenen Antworten abgleichen wollen. Das heißt, dass auch die Wahl verfassungsfeindlicher Parteien wie der NPD zunächst einmal ganz bewusst geschieht. Und dann ist es so, dass die etwa fünf Thesen, die sozusagen auf die NPD zugeschnitten sind, ein eindeutiges Bild der rechtsextremen Einstellung der Partei vermitteln, etwa die Frage: „Sind Sie der Meinung, dass es Sozialhilfe nur für Deutsche geben sollte?“ Bei den Begründungen, die die Parteien mitliefern dürfen, zeigt sich seitens der NPD zwar der Versuch, ihre Forderungen in ein positiveres Licht zu rücken. Doch hinter den Floskeln verbirgt sich ganz klar das rechtsextreme, rassistische Weltbild der Partei. Im Wahl-o-Mat geht es eben auch darum, das klar zu machen. Ich denke, es ist besser, auf diese Art hinzugucken als gar nicht hinzugucken.


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September 2013
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