Johannes Ebert am 18.10.2024
„Wir werden Personal abbauen müssen“
Der Haushaltsausschuss billigt Reformpläne und die deutsch-französische Kooperation wird ausgebaut: Ein F.A.Z.-Exklusiv-Gespräch mit Generalsekretär Johannes Ebert über bevorstehenden Stellenkürzungen und die Zukunft des Goethe-Instituts.
Von Paul Ingendaay
Herr Ebert, mit seinem ersten Maßgabebeschluss im November 2022 forderte der Bundestag das Auswärtige Amt und das Goethe-Institut auf, eine „kritische Bestandsaufnahme der übertragenen Aufgaben“ durchzuführen. Das hieß im Klartext: Das Goethe-Institut sollte billiger und effizienter werden. Dann kam ein zweiter Maßgabebeschluss.
Und soeben hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags den Bericht zum Goethe-Institut abgenommen. Innerhalb von zwei Jahren haben wir tatsächlich große Reformschritte getan, und wir können mit unserer Transformation weitermachen.
Von rund 14 Millionen Euro Haushaltssperre wurden im Sommer schon 9,3 Millionen Euro freigegeben, und jetzt folgen die restlichen 4,7 Millionen. Man kann also sagen: Das Auswärtige Amt und wir arbeiten zusammen, um das Goethe-Institut zukunftsfähig zu machen.
Aber es ist eine Rosskur.
Ja, und die Herausforderungen sind enorm. Einmal, weil sich die außenpolitischen und auch außenkulturpolitischen Rahmenbedingungen durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine stark verändert haben. Und zum anderen wegen schrumpfender finanzieller Mittel. Plus Inflation. Unser Reformprozess bedeutet: Neuausrichtung des Netzwerks, Veränderungen in der Spracharbeit, mehr Digitalisierung, die Neuordnung der europäischen Regionen.
Auch die Zentrale des Goethe-Instituts in München gehört dazu.
Ja. Künftig wird sie noch stärker auf das Ausland ausgerichtet sein und eher strategisch arbeiten statt operativ, also eigene Programme herunterfahren. Natürlich betreiben wir auch in Deutschland Kulturaustausch, aber wir legen den Fokus noch stärker auf das Ausland. Das ist unser Kerngeschäft.
Wie ist es mit den Arbeitsplätzen?
Wir werden Personal abbauen müssen, nämlich 7,5 Prozent aller festen Stellen in der Zentrale. Das sind 27 Stellen.
Von insgesamt 360.
Ja. Zugleich kürzen wir das Budget der Zentrale – rund 40 Millionen Euro – um 15 Prozent, das macht eine weitere Ersparnis von sechs Millionen Euro. Wir werden weniger Veranstaltungen anbieten und auch das Kultursymposium Weimar aussetzen. Ein dritter Posten sind Einsparungen durch Digitalisierung, also die Verschlankung des Apparats. Übrigens hat auch die Bundesregierung in ihrem Haushaltsentwurf 2025 eine Senkung für das Goethe-Institut vorgesehen. Wir bekommen 4,1 Millionen Euro weniger. Das Auswärtige Amt muss noch stärker verzichten als wir, weshalb wir unserem Partner sehr dankbar sind, dass unsere Kürzung vergleichsweise moderat ausfällt.
In der Öffentlichkeit wurde kaum wahrgenommen, dass der Bundesrechnungshof in seinem Bericht vom 6. Mai 2021 scharfe Kritik an dem Umzug der Münchener Goethe-Zentrale in das neue Gebäude im Jahr 2019 geübt hat. Der Bericht lässt kaum ein gutes Haar am Handeln des Goethe-Instituts, des Auswärtigen Amtes und auch des Bundesfinanzministeriums. Er rügt, alle drei hätten gegen Haushaltsrecht verstoßen. Es habe eine unzulässige Vorfestlegung stattgefunden, und durch das neue Gebäude in der Maxvorstadt entstünden, über zehn Jahre gerechnet, vermeidbare Mehrkosten von bis zu 32 Millionen Euro. Nehmen Sie diese Kritik an?
Kritik des Bundesrechnungshofs nehmen wir immer an, und Compliance-Regeln nehmen wir ernst. Eine Untersuchung unserer Liegenschaften im Ausland hat ergeben, dass das Goethe-Institut insgesamt kostengünstig arbeitet und sehr billig mietet. Doch auf das alte Gebäude in der Dachauer Straße haben wir einen anderen Blick. Der Bundesrechnungshof hat die Gefahrenlage dort anders eingeschätzt als wir. Nach unseren Informationen bestand akute Gefahr, weil der Brandschutz nicht mehr gegeben war, und deshalb mussten wir schnell ausziehen. Die größte Aufgabe des Vorstands ist es, die Sicherheit der Mitarbeiter zu gewährleisten. Es gibt kein höheres Gut. Im neuen Gebäude haben wir übrigens die Bürofläche um 5000 Quadratmeter verringert, und die Miete – gemessen am Münchener Niveau – ist auch in Ordnung. Jetzt haben wir ein offenes Raumkonzept mit wechselnden Arbeitsplätzen, das uns in der Pandemie ermöglicht hat, ohne Effizienzverlust sofort ins Homeoffice zu gehen. Eine gigantische Kostenersparnis. Der Bundesrechnungshof muss das nicht erwähnen. Aber ich.
Was machen die Sprachkurse, der Geldbringer des Goethe-Instituts?
Die Pandemie hat uns zwar hart getroffen, aber danach sind wir schnell wieder auf unser altes Niveau von mehr als 100 Millionen Euro Umsatz im Jahr gekommen. Ein Drittel des Unterrichts findet digital statt. Was sehr stark anwächst, ist der Prüfungsbereich. Wichtig sind wir natürlich auch bei der sprachlichen und interkulturellen Vorbereitung von Fachkräften auf das Leben und Arbeiten in Deutschland.
Stimmt es, dass das Goethe-Institut weltweit mehr als 100.000 Schulen mit Lehrmaterial, digitalen Angeboten und Fortbildungen versorgt?
Das könnte hinkommen. Weltweit gibt es etwa 106.000 Schulen, an denen Deutsch unterrichtet wird.
Sie haben auch noch Neuigkeiten zu Goethe-Instituten an neuen Orten.
Das Besondere daran ist der Ausbau der deutsch-französischen Kooperation. Wir können ja nicht nur sparen und Institute schließen. Seit Längerem planen wir ein deutsch-französisches Institut in Bischkek in Kirgisistan. Das Goethe-Institut hat dort im Sommer seinen Status geklärt, und unsere französischen Partner machen das demnächst auch. Dasselbe passiert in Glasgow. Dort wird die bereits bestehende Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich offiziell in die Reihe der uns sehr wichtigen deutsch-französischen „Kultur Ensembles“ aufgenommen.
Davon gibt es schon einige.
Ja, unter anderem in Palermo, Ramallah, Atlanta. Auch Córdoba in Argentinien ist geplant.
Jetzt das traurigere Thema: Wie weit sind Sie mit der Abwicklung der Institute, die Sie schließen müssen?
Es ist in der Tat ein schmerzlicher Prozess. Aber es ist fast alles getan. Bordeaux, Lille und Straßburg sind geschlossen, auch die italienischen Institute. Washington dauert etwas länger, weil wir dort einen langfristigen Mietvertrag haben, aber sobald wir eine Zwischenlösung finden, sind wir draußen.
Was ist mit Toulouse?
Dort haben wir den Sprachkurs geschlossen, aber nicht das Institut. Ich will nicht behaupten, die deutsch-französischen Institute könnten die Arbeit der Goethe-Institute in Frankreich ersetzen. Aber sie stellen eine neue Form der Kooperation dar, ein starkes Signal, dass wir im Ausland zu zweit auftreten. Das hat auch eine europäische Dimension.
Sie sind jetzt zwölf Jahre im Amt. Als das Goethe Institut-Anfang 2022 seine interne Reform „Zukunft gestalten. Goethe 2025“ begann, da muss es auf Fehlentwicklungen und Versäumnisse reagiert haben. Dinge, die man erst sieht, wenn man genau hinschaut. Welche waren das?
Das Hauptproblem waren die Strukturkosten, die anteilig immer höher wurden. Das ist ja normal. In guten Zeiten hatten wir 58 Prozent Strukturkosten, also fixe Ausgabenwie Miete, Liegenschaften, Gehälter. Aber sie steigen nun einmal, und es ist schwierig, von 62 Prozent wieder herunterzukommen, wenn die Haushaltsentwicklung nicht mitmacht. Dennoch: Wir werden das schaffen. Wir werden unter 60 Prozent landen.
Sie werden auch Ihre Regionalstruktur in Europa umkrempeln. Bisher gab es fünf Regionen mit jeweils einem Regionalleiter.
Das war dezentral gedacht, und es hatte seinen Sinn. Es bedeutete auch mehr Eigenverantwortung, ein eigenes Budget. Warum soll alles über die Zentrale laufen? Doch über die Jahre gibt es auch Wildwuchs. In Zukunft sortieren wir das neu und teilen unsere europäischen Institute in zwei Zonen auf: Europa 1 und Europa 2. Das sind größere Einheiten, die mehr europäische Synergien erzeugen sollen. Die Hauptsitze dieser beiden Zonen werden Amsterdam und Athen sein.
Nach dem terroristischen Anschlag der Hamas vom 7. Oktober 2023 sagten Sie einmal, arabische Partnerorganisationen empfänden die Institutswebseite als zu einseitig. Und es kam vor, dass manche Partner nicht mehr mit Goethe kooperieren wollten. Wie steht es damit heute?
Wir sind als Deutsches Kulturinstitution nicht von den weltweiten Debatten, Protesten und Boykottaufrufen, die der Nahostkonflikt ausgelöst hat, ausgenommen. Das hat zu vielen Reaktionen geführt – in verschiedenen Ländern. Besonders in den arabischen Ländern der Region Nahost-Nordafrika ist unsere Kulturarbeit derzeit sehr herausfordernd. Partner ziehen sich zurück. Eine Veranstaltung in New York etwa wurde gestört, zwei Goethemedaillen-Preisträger haben ihre Auszeichnungen zurückgegeben. Ich finde es enorm wichtig, dass das Goethe-Institut trotzdem aktiv in den Dialog geht. Wir haben unsere Institutsleiter und Institutsleiterinnen aufgefordert, mit den Kritikern zu sprechen, weil man den Kontext, vor dem Deutschland agiert, erläutern muss. Und ich glaube, es ist die Aufgabe des Goethe Instituts weiterzugehen. Antisemitismus ist dabei völlig inakzeptabel, und das machen wir jedem klar. Wir unterstützen israelische Künstler, nach Deutschland zu kommen, und verhelfen ihnen zu Residenzaufenthalten. Leute, die das Existenzrecht Israels ablehnen, mit denen arbeiten wir nicht. Zugleich müssen wir das Schwierige versuchen: Menschen aus der arabischen Welt zuzuhören und sie zu Wort kommen zulassen. Es ist keine Option, dass wir nicht miteinander sprechen.
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