Johannes Ebert am 08.07.2025
Rede anlässlich des Sommerempfangs des Goethe-Instituts
Grußwort von Johannes Ebert zum Sommerempfang des Goethe-Instituts im Goethe-Institut Berlin
Was machen Sie im Sommer, wenn Sie nicht auf dem Sommerfest des Goethe-Instituts sind und Sie Urlaub haben? Ich habe mir letzte Woche eine Auszeit genommen und bin mit meiner Frau mit dem Fahrrad von München nach Venedig über die Alpen gefahren. Können Sie sich vorstellen, wie das ist? Das ist ein ziemliches Auf und Ab! Wunderbare Landschaften, Berge, Flüsse, Wasserfälle und Wiesen. Sanfte Abfahren auf ehemaligen Bahnstrecken, wo man vor Freude – ich sage es altmodisch – jauchzen möchte – beispielsweise vom Brenner nach Sterzing hinunter. Dann wieder steile und lange Anstiege. Hinter Innsbruck 16 Prozent Steigung. Auf der Bundesstraße – die Autos rasen in engem Abstand vorbei, der Höllenlärm der Motorräder reißt an den Nerven. Oben in einem Dorf ein rotes Schild: Hier geht es zum Defibrillator! Dann wieder eine schattige Straße durch einen Auwald mit kühler und erfrischender Luft. Das Fahrrad läuft wie von selbst.
Sehr geehrte Abgeordnete, sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde,
Warum erzähle ich das hier? Weil mich diese ganze Alpenüberquerung an meine Arbeit beim Goethe-Institut erinnert. Ich leite – natürlich gemeinsam mit dem Kaufmännischen Direktor, einem tollen Führungsteam und begleitet vom Präsidium – diese Institution seit über 13 Jahren. Und irgendwie kommt mir das ein bisschen vor wie meine Alpenüberquerung in der letzten Woche.
Die wunderbaren Landschaften sind die phantastischen Kulturprojekte, mit denen meine Kolleginnen und Kollegen auf der ganzen Welt gemeinsam mit ihren Partnern Menschen in Austausch bringen, kreative Prozesse entfesseln und Kunstwerke anregen. Es sind die über 250 000 Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer, die auf der ganzen Welt an Goethe-Instituten die deutsche Sprache lernen. Es sind unsere über 6 Millionen Follower in den Sozialen Medien. Es sind unsere Institute, die Begegnungs-, Kreativitäts- und Lernorte sind und in schwierigen Situationen auch Raum für freien Austausch und zensurfreien Diskurs. Es sind die Netzwerke, die wir geschaffen haben und die wir schaffen zwischen Deutschland und der Welt. Netzwerke von Institutionen, Künstlerinnen, Wissenschaftlern, Musikern, Schriftstellerinnen, Schülern und Studentinnen. Netzwerke von Menschen auf der ganzen Welt, die über das Goethe-Institut mit Deutschland verbunden sind!
Die sanften Abfahrten sind die kleinen Erfolge, die man als Leiter dieser Institution hat. Wenn man gemeinsam mit den zuständigen Kolleginnen und Kollegen eine neue Strategie erstellt hat. Wenn man im Nachhinein merkt, dass eine Entscheidung, an der man lange gearbeitet hat, richtig war. Wenn es Zuspruch gibt aus der Politik, der Gesellschaft und der Medien.
Aber es sind auch die Steigungen, die im Gedächtnis bleiben. Das ist auch beim Goethe-Institut so. Ich will gar nicht auf jeden einzelnen Anstieg in den letzten Jahren eingehen. Die besten Steigungen sind die, nach denen man immer noch frisch aussieht. Die, die Sie alle gar nicht mitkriegen. Im Moment habe ich aber das Gefühl, dass wir uns alle zusammen in der Mitte einer Steigung befinden, deren Ende noch nicht in Sicht ist. Das sind die anstrengendsten.
Ich muss die geopolitischen Entwicklungen, die auch auf unsere Arbeit einwirken, gar nicht aufzählen. Sie alle kennen sie: Der Angriff Russlands auf die Ukraine und seine Folgen. Der Krieg im Nahen Osten, der immer mehr Opfer in der Zivilbevölkerung fordert. Das neue Gesicht der transatlantischen Beziehungen und vieles mehr. Sie alle stellen auch unsere Arbeit vor neue Herausforderungen – vielleicht, wie nie zuvor. Und zugleich machen sie unsere Arbeit auch wichtig und bedeutsam für unser Land wie selten zuvor. Dann natürlich die Frage der Finanzen, die im öffentlichen Bereich zurückgehen, während die Kosten auf der ganzen Welt steigen.
Aus der Politik kommt die Frage nach dem Nutzen unserer Arbeit: Wie trägt die Arbeit des Goethe-Instituts zu Sicherheit, Wohlstand und Freiheit bei? Das Goethe-Institut hat ein sehr breites Portfolio und natürlich tut es viele nützliche Dinge. Es bereitet mit seinen Sprachkursen und interkulturellen Kursen Fachkräfte auf Deutschland vor. Seine physischen und intellektuellen Freiräume, die das Goethe-Institut auf der ganzen Welt schafft, sind auch ein Beitrag, um freiheitliche Werte zu stärken. Jenseits politischer Konflikte und kriegerischer Auseinandersetzungen sind die menschlichen und gesellschaftlichen Netzwerke, die das Goethe-Institut schafft, tragfähig und nachhaltig. Das ist auch ein Beitrag zur Sicherheit unseres Landes. Von „Softpower“ ist in diesen Tagen viel die Rede. Das alles ist nützlich. Und wir liefern viele Gründe, warum man ausreichend Geld in dieses einzigartige Netzwerk für Deutschland investieren muss.
Auf meiner Fahrradtour habe ich immer auch ein paar Bücher dabei. Und bei der Lektüre abends im Hotel mit schweren Beinen, aber erfrischt von einem schönen Glas Bier, fiel mit ein wichtiges Zitat in die Hände:
Das soll Winston Churchills Antwort geantwortet haben, als seine Finanzexperten ihm vorschlugen, die Kulturausgaben während des zweiten Weltkriegs zu kürzen. Diese wichtige Aussage Churchills verschiebt die Perspektiven. Ist nicht gerade das, wofür Sie alle sich einsetzen, die Künstlerinnen und Schriftsteller, die Vertreterinnen und Vertreter von Kultur- und Bildungsinstitutionen, die Politikerinnen und Politiker, die sich für Kultur stark machen, ein wichtiger Kern unserer Gesellschaft? Die Experimentierfreude, die Offenheit, die Kunst- und Meinungsfreiheit, der Austausch und der Dialog, die Diskussion und die Kontroverse. Ist es nicht gerade das, was wir verteidigen müssen, wofür wir Geld und Wohlstand brauchen und auch die Freiheit? So zumindest sah es Winston Churchill. Wahrscheinlich ist beides richtig. Die Arbeit des Goethe-Instituts muss in vielen Dingen nützlich sein für unser Land. Sie verkörpert aber auch alles, wofür unsere Gesellschaft steht und was wir bei dem ganzen Druck von außen und von innen nicht aufgeben sollen, sondern stärken müssen. Sonst verlieren wir uns selbst.
Es gibt einen großen Unterschied zwischen der Alpenüberquerung und der Arbeit beim Goethe-Institut: Bei der Fahrradtour stehen Sie nach sieben Tagen auf dem Markusplatz und dann ist es geschafft. Die Alpenüberquerung beim Goethe-Institut hat kein Ende. „Man muss sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen“, hat Albert Camus gesagt. Und genau das bin ich meist auch. Heute Abend vor allem, weil Sie alle da sind, weil wir sprechen können, ein Glas Bier oder Wein zusammen trinken können. Weil ich weiß, dass wir zusammenhalten und gemeinsam an einer wichtigen Sache arbeiten.
Das ist für mich mindestens so erfrischend und bereichernd wie die Fahrt im nachmittäglichen Sommerwind leicht bergab durch einen lichten Auenwald zwischen Wolfratshausen und Bad Tölz.