19. November 2016
60 Jahre Goethe-Institut Bogotá

Festrede des Präsidenten des Goethe-Instituts Prof. Dr. h. c. Klaus-Dieter Lehmann bei der Jubiläumsfeier

Anrede
 
Ich möchte Sie herzlich begrüßen zu unserem festlichen Beisammensein. Ich freue mich sehr, heute Abend hier sein zu können, um den Auftakt für ein besonderes, ein rundes Jubiläum zu geben: 60 Jahre Goethe-Institut in der kolumbianischen Metropole Bogotá.

Ich muss gestehen, dass dies für mich nicht nur eine repräsentative Aufgabe ist. Es ist für mich eine Herzensangelegenheit. Kolumbien war immer ein Impulsgeber für mein Denken und Wirken. Begonnen hat es mit der für mich prägenden Lektüre der kolumbianischen Literatur, die ein gewichtiger Teil der Weltliteratur ist, intensiviert hat es sich mit meiner Verantwortung für das Iberoamerikanische Institut als Teil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin (von 1998 bis 2008) und kulminiert hat es mit meinem Vorschlag für das Humboldt Forum – Namensgeber ist Alexander von Humboldt -, in dem künftig die außereuropäischen Kulturen auf dem Schlossplatz in Berlin gemeinsam mit den europäischen Kulturen auf der Museumsinsel den Weltort für Kunst und Kultur bilden, Eröffnung 2019. Alexander von Humboldt ist mein großes Vorbild, der durch seine Amerikareise 1799 bis 1804 in Kolumbien zu seiner ökologischen Sichtweise fand und dessen Aussage „Alles ist Wechselwirkung“ die Gleichwertigkeit der Kulturen und ihre Fähigkeit zum gegenseitigen Austausch beschwor. Zurzeit läuft eine Ausstellung in der Humboldt-Box, die den kolumbianisch-deutschen Zusammenhang aus Humboldts Zeiten in das 21. Jahrhundert übersetzt und als Blaupause für das Humboldt Forum gilt. Alexander von Humboldt ist in Kolumbien noch immer gegenwärtig.
 
2011 war ich das letzte Mal in Kolumbien, damals bereits als Präsident des Goethe-Instituts. Der Anlass war der Einzug in die neue Zwischenunterkunft am Parque de la 93 (noventa tres). Ich erinnere mich: es war ein legendäres Fest. Das Goethe-Institut ist mehrmals in Bogotá umgezogen, davor war der Sitz die ehemalige DDR-Botschaft, in dessen wunderschönem Garten wir jetzt sind. Und hierher wollen wir auch wieder zurück. Die Signale sind sehr positiv, dass das in wenigen Jahren Realität sein wird.
 
Südamerika ist eine der dynamischsten Regionen im weltweiten Netzwerk des Goethe-Instituts. Bogotá, Anfang 1957 eröffnet, war eines der ersten Institute in der Region. Kolumbiens kulturelle Originalität und Intensität und seine kreative Schaffenskraft sind einzigartig. Die Literatur habe ich bereits erwähnt, aber auch das Theater, das als Avantgarde Südamerikas gilt, die Architektur, die bedeutende Beiträge für die Moderne liefert und die Bildende Kunst. Kolumbien ist ein Land, das sich seit Mitte der 90er Jahre im Eiltempo neu zu definieren sucht und mit großem Einsatz das Stigma der Gewalt abschütteln will.
 
Mich als Buchmensch hat besonders beeindruckt das beispielhafte Netz öffentlicher Bibliotheken in Bogotá, darunter architektonische Juwelen, vor allem im armen Süden der Stadt, die ein Kriterium waren für die Auszeichnung Bogotás mit dem Goldenen Löwen auf der Architekturbiennale in Venedig 2006. Dank dieser erfolgreichen kulturpolitischen Konzepte, die auch der Stärkung der Zivilgesellschaft und der Friedenssicherung dienen sollen, wurde Bogotá 2007 von der UNESCO als erste lateinamerikanische Stadt zur Welthauptstadt des Buches erklärt. Deutschland war - und ist es heute mehr denn je - in diesem langen Prozess Kolumbiens auf dem Weg zum Frieden stets ein wichtiger und verlässlicher Kooperationspartner.
 
Seit der Eröffnung im März 1957 haben unzählbar viele Programme den deutsch-kolumbianischen Dialog beflügelt, Künstler,  Kulturschaffende und Denker aus Kolumbien und Deutschland zusammengebracht.
 
Im Sprachkursbereich haben innovative Formate Deutschlernern aus Kolumbien Freude an der Deutschen Sprache vermittelt. Viele, teils heute auch anwesende Persönlichkeiten aus Kultur, Bildung und Gesellschaft haben hier am Goethe-Institut Kolumbien oder in einem der Goethe-Institute in Deutschland Sprachkurse besucht und Deutschland zu ihrer zweiten Heimat gemacht oder sind als Partner Deutschlands nach Kolumbien zurückgekehrt. Aktuell lernen allein am Goethe-Institut Kolumbien pro Jahr rund 3500 Menschen Deutsch. Darüber hinaus engagiert sich das Goethe-Institut in der Aus- und Fortbildung von Deutschlehrerkräften, unterstützt Deutschabteilungen an verschiedenen Universitäten und betreut die PASCH-Initiative und somit aktuell 5 Schulen in Kolumbien.
 
Der Betreuungsbereich des Goethe-Instituts in Kolumbien umfasst das ganze Land, und im Besonderen die Großstädte Medellín, Cali und Cartagena de las Indias. Im Jahr 2009 hat das Goethe-Institut zudem die Betreuung der drei kolumbianischen Kulturgesellschaften in Medellín, Cali und Cartagena übernommen sowie in Ecuador die der Kulturgesellschaft in Guayaquíl und des Goethe-Zentrums in Quito.
 
In den sechs zurückliegenden Jahrzehnten hat sich das Goethe-Institut als integraler Bestandteil der kolumbianischen Kulturszene etabliert, nicht zuletzt aufgrund seiner engen Partnerschaften, für deren Bereitschaft, Zuneigung und Engagement wir zutiefst dankbar sind. Ich möchte exemplarisch einige Aktivitäten nennen: Unter der Institutsleiterin Kristiane Zappel hat das Goethe-Institut wichtige Diskussionsforen zum Thema „Opferentschädigung“ und „Demokratie“ in Kolumbien initiiert und sich damit im Land großen Respekt verschafft. Seit 2013 hat Katja Kessing verschiedene Projekte zu den Themen “Memoria”, “Versöhnung” und “Frieden” in allen künstlerischen Sparten gestartet, die 2017 in einem größeren, auf Südamerika ausgerichteten Projekt münden werden. Der ehemalige Institutsleiter Folco Näther hat gemeinsam mit der Cinemateca Distrital und dem Instituto Pensar das wichtige Filmfestival "Ciclo rosa" mitbegründet. Weitere Meilensteine waren die Gründung der lateinamerikanischen Performance-Akademie "Experimenta/sur“, die zahlreichen Auftritte von Deutschland als Gastland bei Film- und Theaterfestivals sowie bei Buchmessen. Auch das sehr erfolgreiche partizipative Urbanismusprojekt hier in diesem Garten gehört dazu. Die Aufzählung lässt sich noch weiter fortsetzen. Deutlich wird aber aus diesen Beispielen die Bandbreite und die Nähe zu zentralen gesellschaftlichen Fragen. Das Goethe-Institut in Bogotá ist nahe am Puls der Zeit.
 
Ich möchte nun noch einmal nachdrücklich gratulieren zu der wundervollen und wirkungsvollen Arbeit, die über Jahrzehnte geleistet wurde und jeden Tag mit neuem Schwung geleistet wird. Mein Dank gilt insbesondere Ihnen, liebe Frau Kessing, Ihnen, liebe aktuelle wie ehemalige Kolleginnen und Kollegen, für 60 Jahre unermüdlichen Einsatz, für kreative Programme und Ideen, für die Anregungen zum deutsch-kolumbianischen Dialog, das Knüpfen von Netzwerken und Pflegen von Partnerschaften. Die heute so zahlreich anwesenden Partner und Freundinnen und Freunde des Goethe-Instituts bezeugen, wie gut Sie diese Arbeit geleistet haben. Wir können gespannt sein auf die nächsten Jahrzehnte! Für die gute Zusammenarbeit auch herzlichen Dank allen lokalen Partnern. Besonders danke ich dem Teatro Mayor, dem Rathaus Bogotá und der Deutschen Botschaft Bogotá für die partnerschaftliche Zusammenarbeit bei der Temporada Alemania anlässlich des Jubiläums, die seit August diesen Jahres mit verschiedensten Konzerten, Opernaufführung und Ballett, Theater und spannenden Vorträgen und Ausstellungen hier in Kolumbien ein zeitgenössisches Deutschlandbild präsentiert hat.
 
Ich wünsche uns allen noch einen schönen Abend mit anregenden Gesprächen und Begegnungen und freue mich nun das Wort zu übergeben an den deutschen Botschafter in Bogotá, Seine Exzellenz Michael Bock.
 
Herzlichen Dank!

Es gilt das gesprochene Wort.

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