Von Mashaekh Hassan
Bela Seshe und Praktan neu betrachtet und bewertet: Eine verblüffende feministische Sichtweise

Bela Seshe und Praktan neu betrachtet und bewertet: Eine verblüffende feministische Sichtweise
© Sadia Akhter

In Anbetracht der Debatte über die Verhärtung der Geschlechterrollen als koloniale Verhängung wird die übertriebene Verherrlichung der Aufrechterhaltung der Ehe allein um der Ehe willen meist durch einige mündliche Überlieferungen von 'reinen' bengalischen Werten, Normen und der Kultur untermauert.

Ich erinnere mich vage an einige der Gespräche, in denen ich eher Praktan (2016) als Bela Seshe (2017) befürwortete und dabei die scheinbar feministischen Elemente hervorgehoben habe. Genauer gesagt, die Elemente, die zu meinem Verständnis von Feminismus passten, das damals noch unvollständig war und immer noch ist. Angesichts der Schilderung einer leidenschaftlichen, karriereorientierten Frau parallel zu der traditionellen Hausfrau fühlte sich Praktan (2016) an wie eine die sowohl patriarchalische als auch pseudofeministische Weltanschauung herausfordernde unkonventionelle Produktion. Mit anderen Worten: Die Entscheidung, Hausfrau zu sein, ist eine ebenso ernstzunehmende Entscheidung wie die, die einer Berufskarriere den Vorrang gibt, und eben das wird in Praktan dargestellt. Ich war damals in der 11. Klasse, und als angehender Feminist fand ich den Film damals ziemlich revolutionär. Ich war angenehm überrascht, wie viele Menschen Praktan hochschätzten und glaubten, nun stünde uns eine antipatriarchalische Welle  bevor. Es hatte eine Weile gedauert, bis ich den genauen Unterschied zwischen bloßer Darstellung und Darbietung erkannt hatte.

Kürzlich ging ein Clip aus Praktan auf  Facebook wieder einmal viral. Die Szene zeigte eine traditionelle Frau, die einer 'unabhängigen' Frau einen Vortrag hält über die Bedeutung von Aufopferung in der Ehe. Als ich die Kommentare las, in denen die Lebensweisheit der traditionellen Hausfrau verherrlicht wurde, wurde mir sofort klar, dass die 'andere' Frau in diesem Fall benutzt wurde, um die subjektive Überlegenheit der Werte aufrechterhaltenden, kulturell korrekten, femininen Frau hervorzuheben.

Die von Shiboproshad Mukherjee und Nandita Roy gemeinsam gedrehten Filme Bela Seshe (2015) und Praktan (2016), sind zwei namenhafte bengalische Filme, die die Vorstellungen und Ideologien der bengalischen Mittelschicht in Kalkutta rund um die Institution der Ehe darstellen

Biswanath Majumdar, gespielt von Soumitra Chatterjee in Bela Seshe (2015), erkennt plötzlich, dass sich sein fünfzigjähriges Eheleben in einen Kreislauf  bestimmter Gewohnheiten verwandelt hat, von denen er sich und vor allem seine Frau befreien möchte. Er spürt das Fehlen von Liebe, und kündigt an, dass er die Scheidung will. Seine Frau Arati, gespielt von Swatilekha Sengupta, ist schockiert, ebenso die gemeinsamen Kinder. Der Film erforscht später die Nuancen einer ehelichen Beziehung und die ungeschriebene Definition von Liebe und veranschaulicht, wie Liebe sogar in einem äußerlich unromantischen Milieu existiert. In Praktan (2016) lernen wir Sudipa (Rituparna Sengupta), die Ex-Frau von Ujaan (Prosenjit Chatterjee), kennen, die der jetzigen Ehefrau von Ujaan, Malini (Aparajita Auddy), begegnet. Sudipa ist Architektin und nach einer Reihe von Vorfällen, die die feindseligen maskulinen Wesenszüge von Ujaan offenlegten, verlangte sie die Scheidung. Sie steht damit im ideologischen Gegensatz zur Hausfrau Malini: Gehorsamkeit gegenüber ihrem Ehemann, blinder Respekt gegenüber den Schwiegereltern - all das, was Malini ausmacht, ist mit Sudipa nicht vergleichbar. Im Gespräch zwischen den beiden erfährt Sudipa etwas über Ujaans Entwicklung. Abgesehen von den positiven Aspekten des Gesprächs seitens Malinis, betont sie ihren Glauben an die Bedeutung der Aufopferungsbereitschaft der Ehefrau. Indem in den Filmen das Phänomen der Scheidung als Erzähltechnik verwendet wird, zeigen sie das Leben in einer konventionellen bengalischen heterosexuellen Mittelklasse-Ehe und die Möglichkeiten, die bei einer Trennung fast selbstverständlich wegfallen. 

Auf dem indischen Subkontinent gilt die Ehe, unabhängig von der Religionszugehörigkeit, als heilig und ist damit ein gesellschaftlich vorgeschriebener Übertritt ins Erwachsenalter. Der Aufrechterhaltung der Ehe wird so viel Bedeutung beigemessen, dass selbst der Gedanke an eine im gegenseitigen Einvernehmen beschlossene Scheidung stigmatisiert wird. Angefangen von Schwierigkeiten, sich anzupassen, sich selbst und andere Angehörige 'unterzubringen', bis hin zu häuslicher Gewalt - die Gründe für Scheidungen sind vielfältig.

Einige dieser Probleme werden in westbengalischen TV-Serien, die in Bangladesch sehr beliebt sind, regelmäßig veranschaulicht, wobei am Ende trotz aller Dramatik eine Rückkehr zum Status quo der Ehe angestrebt wird. Die Verherrlichung der Fortführung der ehelichen Beziehung trotz aller Hindernisse geht jedoch weiter. In der Tat ist die 'Hochzeit' in diesen Serien fast ein visuelles Totem, dessen Zauber bis zum Überdruss geprobt wird, auch wenn seine Realität im Drehbuch in Fragmenten dargestellt wird.

In Anbetracht der Debatte über die Verhärtung der Geschlechterrollen als koloniale Verhängung wird die übertriebene Verherrlichung der Aufrechterhaltung der Ehe allein um der Ehe willen meist durch einige mündliche Überlieferungen von 'reinen' bengalischen Werten, Normen und der Kultur untermauert. Es trifft zwar nicht immer zu, aber der negative Aspekt einer gewalttätigen Ehe wird kaum als Grund für eine Trennung angesehen. Auch wenn es sich wie eine pauschale Aussage anhören mag, wird das Verbleiben in der Ehe als so wichtig erachtet, dass die unausgewogene Machtdynamik zwischen Mann und Frau als legitim angesehen wird und die Aufopferungsbereitschaft der Frau als selbstverständlich gilt.

Wie Debarati Dhar es ausdrückt, versuchte Bela Seshe (2015), ein ganz und gar anderes Bild von dem Phänomen Langeweile in Ehen zu zeichnen. Der Film stellt eine erfrischende Version der Frau als Hausfrau dar, die die traditionellen weiblichen Rollen mit einer allumfassenden Zustimmung der gesellschaftlichen Erwartungen seitens der binären Geschlechter erfüllt. Ebenso zeigt er, recht stereotypisch, dass die wahre Liebe des Ehemannes in der allgemeinen Anerkennung seiner Leistungen seiner Ehefrau gegenüber steckt. Die Ehefrau isst die Essensreste ihres Mannes und respektiert ihren Mann in jeder Hinsicht, so wie es soziokulturell von ihr erwartet wird. Ganz anders als Aarti ist Sudipa nicht so konventionell. Der Kontrast zwischen einer konventionellen und einer nicht-konventionellen Ehefrau wird durch die Unterschiede zwischen Sudipa und Malini in Praktan (2016) verdeutlicht. In beiden Filmen erfährt zum Schluss die Gestalt des Ehemannes eine Veränderung -- im Denken und Handeln. In keinem der Werke wurde die Scheidung als sinnvolle Lösung dargestellt. Obwohl in Bela Seshe im Gegensatz zu Praktan keine sichtbare Gewalttätigkeit seitens des Ehemannes gezeigt wurde, stand der Gedanke der Fortsetzung der Ehe im Vordergrund. Der einzige Rechtfertigungsgrund zur Fortsetzung der Ehe in Praktan ist, dass der Ex-Ehemann nicht mehr so gewalttätig und feindselig war wie in der Vergangenheit.

Abgesehen vom Verlauf der persönlichen Weiterentwicklung, wird das Zerbrechen der Ehe als ein unerwünschtes Ereignis dargestellt, bei dem etwas geopfert wird, denn man hält es für eine zwingende wohltätige Handlung. Eingeordnet in den kapitalistischen Therapiemodellen für eine 'Re-Normalisierung' sind die Menschen in der Lage, die Bedeutung der Kommunikation in einer Ehe zu erkennen.

Damit wäre eine bestimmte Einstellung der Empathie ihr (der Frau) gegenüber sichergestellt. Ohne Respekt ist keine Liebe möglich. Dies ist der in den Filmen offensichtlich gewordenen Ansicht nach der Grund für das Scheitern von Ehen.

In einem von Deb Roy (2019) geführten Interview offenbarte Nandita Roy: "Das Denkmodell der Mittelklasse stand im Vordergrund. Das Leben der städtischen Mittelklasse taucht unbewußt in unseren Filmen auf, weil uns diese Welt eher bekannt ist." Es wäre vielleicht nicht falsch, die Hypothese aufzustellen, dass die angedeutete Beschaffenheit der Mittelschicht aus einer heterogenen Sichtweise der Person/Gesellschaftsschicht resultiert. Aufgrund meiner gelegentlichen Blicke in die Kommentarsektionen von Clips aus solchen Filmen und meiner etwas trüben feministischen Linse sehe ich keine angemessene Darstellung verschiedener Arten von Frauen, die innerhalb einer konventionellen, patriarchalischen Gesellschaft abweichende Entscheidungen treffen. Es mag sein, dass der Regisseur beabsichtigt, oder auch nicht, die Denkprozesse der Menschen auf eine bestimmte Weise zu manipulieren. Nennen wir es eine unbeabsichtigte Konsequenz, aber angesichts der hegemonialen Natur konventioneller Werte machen Filme wie Bela Seshe und Praktan, obwohl sie die negativen Aspekte der Ehe behandeln, eine Aussage, die das konventionell akzeptierte Denkmuster unterstützt.

Literaturverzeichnis:

 


 

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Mashaekh Hassan
© Mashaekh Hassan
Mashaekh Hassan hat einen Bachelor-Abschluss (BSS) im Fach in Anthropologie von der BRAC University. Er ist ein begeisterter Leser und schreibt leidenschaftlich gern. Er strebt eine akademische Laufbahn an. Sein Interessensgebiet umfaßt Gesellschaft, Religion und Gender-Themen.


 

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Sadia Akter
© Sadia Akter
Hallo, hier ist Sadia Akter. Ich habe meinen Abschluss in der Abteilung für Grafikdesign an der Universität Dhaka gemacht. Zurzeit mache ich meinen Postgraduiertenabschluss an derselben Fakultät. Ich habe immer gedacht, dass ich eine freie und lebendige Seele habe, wie ein Vogel. Als Kind habe ich immer ein starkes künstlerisches Selbst in mir gespürt, das eine neue Richtung bekam, als ich hier an der Fakultät für Bildende Kunst studierte. Ich erforsche mich ständig selbst und suche nach Inspiration durch alles, was mich umgibt. Ich liebe es, meine Seele in neue Kunstformen wie Theater und Performance Studies einzuführen. Ich bin Kinderbuchillustratorin und habe für Kunden in der ganzen Welt gearbeitet. Ich habe ein breites Spektrum an Arbeitsbereichen, in denen ich jeden Tag meine Flügel ausbreite.

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