Installation
Joscha Steffens: Uchronia [Totale Erinnerung]

Uchronia [Totale Erinnerung]
© Joscha Steffens

Goethe-Institut Amsterdam

Joscha Steffens' Arbeiten sind flirrende Bilder, die sich aus einer Welt inszenierter Gewalt und ihrer Ästhetisierung generieren: Ausgehend von versteckten Kriegsspielplätzen in Wäldern bis hinein in die digitalen Parallelwelten virtueller Schlachtfelder, die live von einem Millionenpublikum auf den Bildschirmen verfolgt werden. Steffens positioniert sich bei seinen Recherchen nicht nur als Künstler und stiller Beobachter, sondern agiert immer auch als aktiver Spieler, als Teil der andauernden Illusion eines existentiellen Kampfes. Seine Langzeitprojekte basieren auf intensiven Recherchen und entwickeln sich durch eine Praxis, die zwischen Journalismus und dokumentarischer Fotografie zu verorten ist.
Jenen subkulturellen Gruppierungen und ihre brutalen Beschäftigungen nähert sich der Künstler ohne zu werten, auch wenn dies moralisch sehr herausfordernd wird, wie in seiner neuesten Arbeit Uchronia [Totale Erinnerung], die im Goethe-Institut Amsterdam zu sehen sein wird. Joscha Steffens begleitete eine Gruppe von okkulten SS-Fanatikern in den baltischen Staaten, die sich weigert, die Niederlage der Nazis im 2. Weltkrieg zu akzeptieren und die Zeitspanne zwischen 1941 und 1944 glorifiziert. Mit permanenten Reinszenierungen historischer Operationen, militärischen Drillcamps und Nachbauten vermeintlicher Wunderwaffen, wie der Zeitmaschine Die Glocke, überschreiten sie die Grenze eines historischen Spiels in absurdem bis gefährlichem Maße. Steffens entschied sich, die unheimliche Realität in ein Science-Fiction-Script zu übersetzen und dieses mit den Mitgliedern des SS-Clans in nächtlichen Filmdrehs festzuhalten. Es entsteht so eine provokative Landschaft des Spielens in der Fragen von Autorität, Macht und Unterwerfung verbildlicht und vorgeführt werden.
Dieses Projekt stellt eine neue Form des Dokumentarischen dar, die gleichzeitig Fiktion und Wirklichkeit untersucht, diese transponiert, erzeugt und resimuliert. Dabei verwandelt sich ein unechtes Schlachtfeld in ein Spiel aus Regeln und Befehlen, während eine zeitlose Insel zur Heimat der Nazizeitmaschine wird.

Die Installation Uchronia umfasst neben dem original Nazifetischobjekt Die Glocke, welches für die Ausstellung aus dem Baltikum nach Amsterdam gebracht werden konnte, sowie dem Filmmaterial, auch sensible Unterlagen aus dem Familienarchiv des Künstlers. Die Sammlung Koloniaal Instituut besteht aus 31 SS-Feldpostbriefen, die allesamt im Jahr 1943 von Steffens Großonkel in Amsterdam verfasst wurden. Jene Briefe, die er während seiner Dienstzeit im niederländischen SS-Hauptquartier an seine Frau Maria schrieb, handeln viel von dem Wunsch nach Nähe und Zweisamkeit, dem Vermissen des heimatlichen Alltags und lassen mit keinem Wort die Dimension dessen erahnen, was die Präsenz der SS-Truppen in dieser Phase der Besatzung bedeutete. Der heutzutage ansteigende Kult und perverse Fanatismus um die SS-Einheiten der Nazis wird somit noch einmal auf einer anderen Ebene verdeutlicht und es entsteht eine konkrete historische Verortung, eine persönliche Verflechtung mit der Vergangenheit und der Stadt Amsterdam.

Im Goethe-Institut zeigt Joscha Steffens (*1981) sein Projekt und lässt den Besucher in eine Welt eintauchen, die die Vergangenheit in die moderne Gegenwart katapultiert und scheinbar Vergessenes wieder präsent werden lässt.

Eröffnung: 18:00
Artist Talk: 19:00

Mit Unterstützung des Amsterdams Fonds voor de Kunst (AFK). 

Details

Goethe-Institut Amsterdam

Herengracht 470
1017 CA Amsterdam

Preis: Eintritt frei

+31 20 5312900 info-amsterdam@goethe.de