Kunstausbildung
Von Künstlern und Querdenkern

Kunstakademie Karlsruhe
Kunstakademie Karlsruhe | Foto (Ausschnitt): © Pietro Pellini

Ein Kunststudium ist oft Chance und Risiko zugleich: Die wenigsten Absolventen der Akademien können später von der Kunst leben. Doch die Ausbildung vermittelt Erfahrungen, die sich später vielfältig einsetzen lassen.

Fragt man Künstler, was sie dazu bewogen hat, eine Ausbildung zu ergreifen, die für gewöhnlich gerne mit dem Begriff der Brotlosigkeit in Zusammenhang gebracht wird, so fallen die Antworten meist ähnlich aus: Ein interessiertes Elternhaus, engagierte Kunsterzieher an der Schule und Kultureinrichtungen in der Heimatstadt mit einem attraktiven Vermittlungsprogramm, lenken den Weg in Richtung Kunstakademie.

Nicht zu unterschätzen ist zudem der Wunsch, den gesellschaftlichen Konventionen einen anderen Lebensentwurf entgegenzusetzen, der nicht zwingend zu Wohlstand führt. Vielmehr geht es darum, selbstbestimmt agieren, produzieren und leben zu können. Dass lediglich zwei bis fünf Prozent der Absolventen deutscher Kunstakademien später von ihrer Kunst leben können, scheint in diesem Zusammenhang kein gewichtiges Gegenargument zu sein.

Die Option eines Lehramtsstudiums mag einerseits die Eltern, andererseits die eigenen Zweifel vorerst beruhigen. Doch schiebt sie die Entscheidung nur auf, die man zwischen einem Beruf mit gesichertem Einkommen und der Berufung eines Lebens als freier Künstler treffen muss. Beides zu vereinen, so die einhellige Meinung derjenigen, die es versucht haben, ist nur schwer möglich, weil ein zweites Unterrichtsfach gewählt werden muss. Der Zweifel zehrt solange, berichtet etwa der Künstler Bastian Börsig, bis man jenseits der Akademie Bestätigung erlangt.

Selbstverantwortung im geschützten Raum

Das dreistufige Aufnahmeprozedere gleicht sich in den meisten deutschen Kunstakademien. Nach einer Vorauswahl anhand von eingereichten Arbeitsproben stellen die Kandidaten in einer praktischen Prüfung ihre Qualifikation unter Beweis. Die Aufnahme und Einteilung der Klassen schließlich erfolgt nach einer mündlichen Eignungsprüfung durch Vertreter des Kollegiums. Der zentrale Ausbildungsort ist in den meisten Akademien die Klasse, die rund 20 Studierende aufnimmt und von einer Künstlerpersönlichkeit geleitet wird, die nicht zwingend zu den international Bekanntesten zählen muss.

Wichtiger ist die regelmäßige Präsenz des Professors. Kunst ist nicht lehrbar, bestätigt auch Daniel Roth, Professor und Prorektor an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe. Man kann die Studierenden motivieren, ihre Interessen und Neigungen herauszufinden, den letzten Schritt der Umsetzung zum Werk jedoch müssen sie stets selbst gehen. In den Klassenbesprechungen wird das Präsentieren, Positionieren und Argumentieren von Ideen und eigenen Arbeiten vor den Kollegen erprobt. Dieses Diskutieren in der Gruppe wird selbst Jahre nach dem Abschluss von den Studierenden als nachhaltig prägend empfunden.

Freie Ausbildung zur freien Kunst

Das Studium der freien Kunst lässt sich nicht wie andere akademische Ausbildungen verschulen und in Lehrpläne und prüfbare Inhalte einteilen. Es liegt ganz in der Eigenverantwortung der angehenden Künstler, was sie von dem Bildungsangebot in Anspruch nehmen möchten – ob praxisnah in den verschiedenen Werkstätten oder in Lehrveranstaltungen zu Kunstgeschichte und Theorie.. Während manche, aus anderen Quellen der Inspiration schöpfend, ganz gut ohne eine kunsthistorische und philosophische Grundausbildung auskommen, sind für andere Seherfahrung – innerhalb historischer wie gegenwärtiger Kunst – und eine Wachheit gegenüber den aktuellen Diskursen unabdingbar. Auch bietet die Akademie noch während der Ausbildung die Möglichkeit, in ihren Räumen auszustellen. Sie ist ein geschützter Ort, ein Experimentierfeld, in dem auch einmal etwas misslingen darf – ohne Folgen.

Kunstakademie Karlsruhe Kunstakademie Karlsruhe | Foto © Pietro Pellini

Nach der Akademie

Wie es nach zehn Semestern mit einem Diplom in der Tasche weitergeht, zeigt sich meist bereits gegen Ende des Studiums, wenn Preise und Stipendien vergeben werden, Galerien und Kuratoren aufmerksam geworden sind. Doch auch dann gilt es, außerhalb des Ateliers aktiv zu bleiben. Bis Mitte 40 ungefähr, so die Einschätzung der Künstlerin Susanne Ackermann, sollte man im Betrieb soweit angekommen sein, dass man von der eigenen Produktion leben kann. Schnell treten nachfolgende Generationen auf die Bühne des Kunstgeschehens, und nichts erscheint für die Szene attraktiver als junge Kunst, die sich potenziell noch weiterentwickelt, zu entdecken und fördern.

Und die anderen? Längst sind die Grenzen zwischen dem Berufsbild des Künstlers und angrenzenden Bereichen nicht mehr klar zu ziehen. Die meisten Kunststudenten werden womöglich nicht als Künstler ihr Geld verdienen, doch haben sie in ihrer Ausbildung gelernt, innovativ und flexibel zu sein, anders zu denken und dies klar zu formulieren. All dies sind Sekundärkompetenzen, die man nicht nur als Kurator, Kritiker oder Galerist benötigt. Taxifahrer werden die wenigsten.