Natasha Noorani & The Pursuit Of Sound
Music In 3D

Natasha Noorani und das Streben nach Musik
Foto: Nadir Chaudry

Als jemand, der die 30 überschritten hat, nimmt man Natasha Noorani vielleicht nicht unbedingt übel, dass sie, lange vor ihrem 30ten, schon so viel erreicht hat, aber wenn man sie sich so ansieht, wundert man sich doch, womit man seine 20er eigentlich verbracht hat.
 
Ich erfuhr Natashas Alter, als Facebook mir eine Erinnerung schickte, aber mich im Unklaren darüber ließ, ob ich mit einem einfachen „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“ davon kommen würde, während andere ein „Herzlichen Glückwunsch zum __ (Zahlen einfügen) Geburtstag“ wünschten.
 
Um einen Faux Pas zu vermeiden, wählte ich eine Privatnachricht und es war diese Unterhaltung, die ihre Jahre und die vielen Dinge, die sie im Laufe derer schon erreicht hat, zutage treten ließ.

Rahim: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Fühlst du dich alt?

Natasha: Tja, ich weiß nicht so recht, wie ich 26 finde! Aber ich freue mich auf 30. Ich glaube, das Leben fängt in den 30ern erst so richtig an.

Aber dann denke ich wieder, ich habe nur noch vier Jahre, um für Forbes 30 unter 30 etwas Cooles zu erreichen, und das setzt mich doch ziemlich unter Druck.

Rahim: Warte, du bist 26?

So, und was haben wir in unseren 20ern getan? In ihren frühen 20ern, grade frisch von der Universität, gründete Natasha nämlich das Lahore Music Meet, ein zweitägiges Festival im Herzen des Punjab, das sie und ihre Partnerin Zahra Paracha organisieren.
Dieses jährliche Ereignis wurde zu dem Indie-Musikfestival in Pakistan, das, wie Natasha scherzhaft betont, die Gewinner des Pepsi Battle of the Bands (eine bekannte Fernsehshow) „zwei Jahren in Folge“ vorhergesagt hat (sowohl Kashmir  als auch Bayan spielten zuerst bei LMM).

LMM hat ein Händchen dafür, den nächsten großen Star zu entdecken oder zumindest zu präsentieren – Abdullah Siddiqi stand zum ersten Mal 2016 auf dieser Bühne.

Man würde von einer gewöhnlicheren Person vielleicht erwarten, dass sie sich auf ihren Lorbeeren ausruht, aber Natasha ist noch nicht ganz fertig mit ihren 20ern. Musik ist für sie dreidimensional, jede Facette wird nach und nach enthüllt, während wir alle uns fragen, was sie als nächstes tun wird. Allein der Sommer 2018 hat der Welt mehr von Natasha gezeigt – ihre langjährige Partnerschaft mit Zahra sah die Veröffentlichung des ersten Musikvideos ihrer gemeinsamen Band, Biryani Brothers, gefolgt von Natashas eigenem Soloalbum – gerade rechtzeitig, bevor sie ein Flugzeug Richtung London bestieg, wo sie zur Zeit an der SOAS Universität ihren weiterführenden Studien in Musik nachgeht und wo dieses Interview stattfand.

Was, fragen wir sie, treibt sie dazu, so unternehmerisch zu sein?

„Die letzten Jahre habe ich nur wieder wett gemacht, dass ich so schlecht in der Schule war.“

Klar.

Als im Interview Natashas Stimme aus dem Lautsprecher tönt, wird sofort deutlich, dass sie sich genauso gut in einer Info-Werbesendung machen würde, wie in einem Lied (kein Wunder, dass sie die Off-Texte der Coke Studio Vorankündiger eingesprochen hat – wo sie zufällig auch Geschäftsführerin war), und es diese Stimme ist, die sie auf ihren Weg gebracht hat.

Die Geschichte beginnt, als Natasha mit 14 und „von Musik besessen“ in einer Schulband spielte, Konzerte an ihrer Schule organisierte und den Direktor sogar davon „überzeugte“, für Noori zu eröffnen. Diese Interessen fanden einen Wiederhall, als sie an der LUMS (Lahore University of Management Sciences) Zahra traf („Musikerkolleginnen vor Geschäftspartnerinnen“).

Historisch bekannt als eine Stadt der Künste, war Lahore immer schon ein Dreh- und Angelpunkt für Pakistans Traditionen, wo Festivals wie Basant [SF10] stadtweit gefeiert werden. Natürlich führten die angespannten 2000er Jahre dazu, dass viele dieser Festivals und Konzerte verkümmerten - „bilkul khatam hogayee thi” (sie waren einfach verschwunden), wie Natasha sagt, doch war die musikalische Szene nicht völlig unfruchtbar geworden, denn bald danach wurde ein Bachelorabschluss verliehen und Noorani verließ die Hochschule mit Musik im Kopf.

Diese Musik hätte zwar auch die Form tatsächlicher Musik nehmen können, aber das wurde erst später umgesetzt, erst mal musste sie ein Festival ins Leben rufen.
„Ehrlich gesagt hatten wir keine Ahnung, worauf wir uns da einließen. Wir dachten, wir sind unaufhaltsam. Wäre uns bewusst gewesen, was das alles bedeutet, und ich glaube, Zahra hat das schon gesagt, hätten wir uns ein Jahr länger Zeit gelassen, um es umzusetzen. Aber so haben wir einfach gemacht. Sogar jetzt noch fragen wir uns jedes Jahr – warum machen wir das? Zaroori hai (es ist nötig). Ich weiß, das ist nicht wirklich ein ausreichender Grund aber hona hai (es muss passieren).”

Natasha ist sich nicht sicher, ob es Widerstandsfähigkeit oder Draufgängertum ist, was sie und ihr Team angesichts ständiger Querelen mit Sponsoren und Sicherheitsfragen („zweimal gab es eine Woche vor dem Festival einen Bombenanschlag“) durch jedes Festival (jetzt im dritten Jahr) bringt. Aber es ist derselbe Schneid, der Natasha die Musikerin und Natasha die Musikwissenschaftlerin antreibt.

Natasha Noorani Foto: Zoya Ahmed In ‘Munaasib’, einem Album mit fünf englischsprachigen Stücken, kommt all diese Musik zum Ausdruck. Es ist, wie sie selbst zugibt, „sehr eigenwillig“ aber während die meisten von Natashas Unternehmungen für andere gedacht waren, ist 'Munaasib' ganz allein sie selbst. Obwohl sie schon im Teenageralter auftrat, dauerte es bis letztes Jahr – als sie angefragt wurde, auf dem Sine Valley Festival in Nepal aufzutreten – dass sie, sprichwörtlich, „den nötigen Tritt in den Hintern bekam“.

„Ich genieße das Auftreten sehr, mir ist die Bühne lieber als das Studio. Ich gebe zu, es ist kein sehr zugängliches Album aber dieses Projekt war perfekt für mich.“
Wie kommt es bei den Leuten an?
„Nun ja, ich habe 4 Dollar verdient… Aber ich möchte das als eine ernsthafte Sache weiterbetreiben und nicht als Nebenprojekt.

Ich denke, ich bin an einem Punkt, wo ich meinen nächsten Klang herausfinden will aber ich möchte nicht voreilig sein.“

Allerdings kann es sein, dass ihr nächster Klang noch ein Jahr warten muss – während des Interviews wurde auch erwähnt, dass die Bibliothek ruft, und dass da eine Akademikerin im Werden ist.

Was natürlich zu der Frage führt: warum die Wissenschaft?

„Haha, das fragen alle, das wurde ich gerade in einem anderen Interview gefragt. Ich habe mich schon immer für Musikforschung interessiert, das ist auch, was ich an der LUMS getan habe. Es gibt eine Menge Forschung zu traditionellen Formen von Musik aber nicht viel seit 1947 – die Folgen der Teilung und so weiter. Niemand hat sich wirklich mit der Entwicklung von, sagen wir mal, regionaler Musik in Pakistan beschäftigt. Es gibt die Siidi Gemeinschaft im Sindh, die eine ganz eigene Musik hat, aber keiner weiß davon. Als ich aufwuchs, wusste ich mehr über englische und amerikanische Popstars als über meine eigenen. Es gab schlicht nicht genug Forschung oder Präsentation. Und auch, wenn es nicht jeden interessiert, sollte es trotzdem noch lebendig sein.“

Musik mag Natashas Leben sein, aber sie ist diejenige, die ihr wirklich Leben einhaucht – sei es als Festival, als Lied oder als Masterarbeit.