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Rosinenpicker | Literatur
Verloren in schrecklichen Zeiten

Wachsfigur von Volker Bruch bei der Enthüllung des neuen Bereichs Babylon Berlin am 28.09.2023 im Madame Tussauds in Berlin
Gereon Rath, verkörpert von Volker Bruch, aus der Serie Babylon Berlin. Hier in Form einer Wachsfigur im Madame Tussauds in Berlin | Foto (Detail): © picture alliance / ABBfoto

Der totgeglaubte Ex-Kriminalkommissar Gereon Rath kehrt aus den USA nach Deutschland zurück. Er will sich von seinem sterbenden Vater verabschieden. Schlechte Idee, denn die SS bezweifelt sein Ableben. Der letzte Rath-Roman von Volker Kutscher endet mit den November-Pogromen 1938.

Von Swantje Schütz

Der zehnte Rath ist der letzte Rath – wie traurig! Aber so ist es mit geliebten Buchreihen: Sie sind vor allem deswegen gut, weil ihre Autor*innen nicht ins Unendliche Text produzieren, sondern weil sie uns irgendwann allein lassen und uns unsere fiktiven Begleiter wegnehmen, nach denen wir uns von da an sehnen. Die intensiven Geschichten aber lassen uns nicht los, sie begleiten uns noch lange, wenn sie gut waren. Wir können die Bücher höchstens weiterempfehlen und diejenigen beneiden, die – wie in diesem Fall – noch alle zehn Bände vor sich haben.

Es begann mit einem Fisch

2007 hat Volker Kutscher Der nasse Fisch veröffentlicht. Das war der erste Band um den Kriminalkommissar Gereon Rath – und mit dem sollte die Lektüre auch beginnen, gefolgt, der gezählten Reihe nach, von den weiteren Bänden. Ende 2024 erschien schließlich Rath – und damit hatte die Reihe ein Ende.

Kutscher erzählt in den zehn Bänden das Leben von Gereon Rath zwischen 1929 und 1938: detailreich, gut recherchiert und oftmals knallhart und schonungslos. Der nicht immer sympathische Kriminalkommissar Rath gerät in dieser Zeit zunehmend ins Abseits, während Deutschland auf den Zweiten Weltkrieg zusteuert. Historische Ereignisse werden vom Autor geschickt mit der Geschichte eines Mannes verwoben, der sich dem NS-Regime nicht beugt und der gegen Ende kein Kriminalkommissar mehr ist.

Kutscher: Rath. Der zehnte Rath-Roman (Buchcover) © Piper

Unter Gefahr zurück in die Heimat

Im letzten Band kehrt Gereon Rath aus den USA zurück, um seinen sterbenden Vater zu sehen. Rath wird in Deutschland für tot gehalten und versteckt sich bei Konrad Adenauer, dem Freund seines Vaters im Rheinland. Die Schutzstaffel, die SS, zweifelt an Raths vorgetäuschtem Tod, was für zusätzliche Spannung sorgt.

Raths Plan ist, mit seiner Frau Charly zu fliehen, zurück nach Amerika zu gehen. Doch die ehemalige Kommissar-Anwärterin und mittlerweile Privatdetektivin wird in einen Fall verwickelt: Ihr ehemaliger Pflegesohn Fritze wird beschuldigt, einen Hitlerjungen ermordet zu haben. Charly ermittelt wie immer, geschickt und furchtlos, nur diesmal tut sie dies unter Lebensgefahr, in einem Staat, in dem niemand mehr sicher ist. Der NS-Terror nimmt bedrohliche Ausmaße an, die Angst in Deutschland wächst und wächst. Als Charly verschwindet, macht sich Gereon auf den Weg nach Berlin und begibt sich in größte Gefahr.

Brennende Aktualität

Der Roman zeigt, wie erschreckend leicht es geschehen kann, dass eine Gesellschaft sich in Richtung Diktatur bewegt. In einem NDR-Interview wird Kutschers Hauptantrieb für sein Schreiben thematisiert. Der Autor sagt, es sei die Frage „Wie konnte das passieren? Wie konnte aus der gar nicht so schlechten Weimarer Demokratie die schlimmstmögliche Diktatur auf deutschem Boden werden?“ Und: „Wie haben die Zeitgenossen das nicht erkennen können?“

Im selben Interview erzählt Kutscher außerdem, was er bei Lesungen gern mit auf den Weg gibt:
Leute, beschäftigt euch ein bisschen mit Geschichte. Wenn man weiß, wie’s gelaufen ist damals … also, die extreme Rechte hatte schon mal die Chance, die Gelegenheit, das Land zu regieren. Was hat sie gemacht? Sie hat das ganze Land gegen die Wand gefahren … und überdies noch die halbe Welt ins Unglück gestürzt.

Für Fans – Gereon Rath in anderen Medien

Der ehemalige Tageszeitungsredakteur und Drehbuchautor Kutscher hat mit seinen Romanen die Vorlagen für die erfolgreiche Fernsehserie Babylon Berlin geschrieben. Und einen Podcast gibt es mittlerweile beim RBB, dem Rundfunk Berlin-Brandenburg unter dem Titel „Der Zerfall Babylons – 1929-1938“. Darin reden der Moderator Thomas Böhm und der Autor nicht nur über die Romane, sondern auch über die Zeit an sich – im lockeren Plauderton.
Volker Kutscher: Rath. Der zehnte Rath-Roman
München: Piper, 2024. 623 S.
ISBN: 978-3-492-07410-0
Diesen Titel finden Sie auch in unserer Onleihe.

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