Alles über Wale
Die Schönheit von Giganten

Mit ihrem neuen, so schönen wie reichhaltigen Sachbuch über Wale bereiten Michael Stavarič und Michèle Ganser nicht nur Kindern eine Freude. Man kommt aus dem Staunen kaum heraus.

Von Holger Moos

Der Schriftsteller Michael Stavarič und die Illustratorin Michèle Ganser haben schon den Kraken (2021), den Quallen (2023) und den Haien (2024) sehr schöne Kindersachbücher gewidmet. In ihrer neuesten Koproduktion haben sie sich jetzt die sanften Riesen der Meere vorgeknöpft. Wie die Vorgängerbände dieser Reihe liefert Faszination Wale verblüffende Informationen, die Lust auf Wissen(schaft) machen. Auch Unterhaltung und Humor kommen nicht zu kurz. Es werden (Wort-)Witze eingestreut, und alle Kapitel-Überschriften sind in Nonsens-Versen verfasst, wie etwa Kapitel 6:

Insgesamt wählt Stavarič einen literarischen Ansatz, um Wissen zu vermitteln. Im Plauderton und mit Lust an Abschweifungen erzählt er jede Menge Geschichten, auch aus seinem eigenen Leben. In seiner Kindheit habe er beim Räuber und Gendarm-Spiel lieber „Flossen hoch“ statt „Hände hoch“ gerufen, insofern sei er mit Flossen aufgewachsen. Schon als kleiner Junge sei er von Fischflossen und Fischschuppen fasziniert gewesen. Diese konnte er im Fischgeschäft seiner Großmutter studieren, wo Fische (zum Essen) verkauft wurden.

Ein fliegender Blauwal

Daneben gibt es zahlreiche Exkurse, die in die Architektur, die Medizin, Physik und Geschichte führen. Als Einstieg wählt Stavarič einen Ausflug in die Geschichte der Luftschiffe, die sehr fantasievolle Parallelen zwischen Zeppelinen und Walen skizziert – und dann stellt sich noch die Frage, wie viele mit Helium gefüllte Luftballons nötig wären, um einen Blauwal in die Lüfte zu heben.

Ein Kapitel ist der Beziehung zwischen Wal und Mensch gewidmet. Darin geht es auch um die Evolution der Wale. Da darf der britische Naturforscher Charles Darwin, einer der großen Wegbereiter der modernen Evolutionstheorie, nicht fehlen. Darwin wusste, im Gegensatz zu manchen seiner Zeitgenossen, dass Wale Säugetiere sind und daher einmal an Land gelebt haben müssen. Er spekuliert in seinem berühmtesten Werk Über die Entstehung der Arten (1859) über mögliche Vorfahren der Wale, für ihn war „ein schwimmender Bär, der mit aufgesperrtem Maul Insekten zu fangen versucht, doch ein denkbarer Ausgangspunkt für die Stammesgeschichte der Wale.“ Diese Vorstellung findet Stavarič nicht nur lustig, sie ermutigt ihn auch:

Blubber und ein Flukenabdruck

Das Buch ist voller weiterer Details zu Walen im Allgemeinen und den verschiedenen Arten im Besonderen. So lernt man, was Blubber ist – nur so viel sei verraten: Es hat nichts mit blubbernden Getränken zu tun. Eine der drei Flossen nennt man Flipper, es ist die Brustflosse – und nun weiß ich auch, weshalb die TV-Serie aus den 1960er-Jahren mit einem Delfin als Hauptdarsteller genauso heißt. Und: Ja, Delfine sind auch Wale. Die beiden anderen Flossen sind Finne (Rückenflosse) und Fluke (Schwanzflosse). Flipper, Finne, Fluke – ähnlich gut zu merken wie Tick, Trick und Track. Wo bei uns Menschen der Fingerabdruck zur Identifikation herangezogen wird, wäre das beim Wal schon etwas aufwändiger, denn beim Wal ist jede Fluke einzigartig, doch wie sollte ein Flukenabdruck genommen werden?

Die Schwarz-Weiß-Illustrationen von Michèle Ganser sind sehr schön und eindrucksvoll, für die Welt unter Wasser wählt sie oftmals das Universum mit unzähligen Sternen als Hintergrund. Andere Bilder sind sehr spielerisch. Es gibt Wimmel- und Suchbilder, aber auch Bilderrätsel.

Michael Stavarič‘ und Michèle Gansers Buch über die Wale erfüllt – wie seine Vorgänger – den Anspruch des Titels dieser Reihe voll und ganz. Es ist faszinierend, erstaunt nicht nur junge Lesende und weitet den Blick, indem es immer wieder weg vom Thema führt, aber stets elegant zurückkehrt. Ein rundum gelungenes Werk! Man kann gespannt auf den nächsten Band dieser Reihe sein, den Stavarič am Ende ankündigt, ohne zu verraten, welchem Meerestier sie sich als nächstes widmen. Vorschläge sind ausdrücklich erwünscht – der Leykam Verlag freut sich über entsprechende Post.