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Hippietrail
Auf der Suche nach...

Jonathan Benyons Mercedes 0321-Bus mit britischer Zulassung, der Silver Express – gelegentlich auch The Silver Slug genannt – auf der Straße Pokhara-Kathmandu in Nepal.
Jonathan Benyons Mercedes 0321-Bus mit britischer Zulassung, der Silver Express – gelegentlich auch The Silver Slug genannt – auf der Straße Pokhara-Kathmandu in Nepal. | © Jonathan Benyon 1975 (from flickr)

Sie frönten der Individualität, sehnten sich danach, frei zu sein und die Komfortzone des Westens zu verlassen. Viele junge Menschen mit langen Haaren und langen Kleidern reisten in den 1960er- und 1970er-Jahren auf dem Landweg von Europa nach Goa. Oftmals Hesses Siddhartha im Gepäck. Wir haben einige "Alt-Hippies" und Indien-Fans gefragt, was sie damals in Indien suchten und was sie heute noch daran finden.

Von Erdmuthe Hacken

 © Thomas Müller
Thomas Müller: Auf der Suche nach einer Sitar

Ab 1967 hab ich Hermann Hesses Bücher mit Begeisterung gelesen: Die Morgenlandfahrt, Siddhartha, Steppenwolf, Eigensinn, Aus Indien, Demian. Seit 2000 dann übrigens mehr seine Tagebücher, Briefe und kurze Zeitungsartikel.

Vermutlich rührt daher auch mein Interesse an Indien. Im Juli 1971 ging es dann los, mit einem ziemlich alten VW-Bus, den ich kurz vorher gegen meinen Fiat 500 eingetauscht hatte. Allerdings nicht auf dem typischen Hippie Trail. Deshalb war ich auch nie in Goa. Ich wollte das ‚richtige Indien‘ kennenlernen und nicht nur die Hippie-Szene. Meine erste Reise vom Sauerland (Olpe) bis nach Sri Lanka hat ca. 9 Monate gedauert und rund 4500 DM gekostet, inklusive Rückflug von Delhi nach Amsterdam.

In einem alten VW-Bus reiste ich in drei Monaten von West-Deutschland nach Kabul. Dort verkaufte ich das Auto und machte eine sechsmonatige Reise durch Pakistan, Indien, Nepal und Sri Lanka mit Bus, Bahn und Schiff.

So viele suchten in Indien nach einem Guru, ich suchte nach einer Sitar. Schließlich fand ich eine und schickte sie nach Deutschland. Es waren sogar vier Sitars, Tablas usw, die ich nach Olpe geschickt habe. Viele Sachen habe ich heute noch.


 © Erdmuthe Hacken Marie Borsch: Experimentieren als Freigeist

Damals wollten wir das Chaos der westlichen Welt hinter uns lassen, unser Leben einen Gang zurückschalten. Am Ende verliebten wir uns in die Langsamkeit Indiens. Hier konnten wir mit verschiedenen Lebensstilen experimentieren und unsere Musik ausleben. Tatsächlich hat mich Hesses Literatur, vor allem Siddhartha, dazu gebracht, die Augen für die Welt zu öffnen, das Leben anders zu sehen und schließlich mein Heimatland zu verlassen. Das war im Jahr 1995. Im Gegensatz zu mir war mein damaliger Freund ein echter Hippie, der schon in den siebziger Jahren nach Indien gereist war und dort gelebt hatte.

Die absolute Freiheit, zu tun, was man wollte, das war schon einzigartig. Das passte sehr gut zu meinem Freigeist. Keine Regeln, aber viel gegenseitiger Respekt - so haben wir gelebt. Und man hat uns immer in Ruhe gelassen. Im Nachhinein betrachtet, kam aber doch irgendwann das Ego ins Spiel. Und schließlich kommt man zu dem Schluss, dass man auch im Dschungel das Gepäck mitschleppen muss, das man eigentlich loswerden wollte. Trotzdem  kam ich vor acht Jahren zurück nach Goa und ließ mich hier nieder. Nicht am Strand, sondern ganz bodenständig in einer alten portugiesischen Villa. Denn die Hippie-Ära und ihr Flair sind definitiv vorbei.

 © Anika Anika Kreimeier - Inspiration in Indien

Indien ist mein größter Lehrer: Es ohrfeigt dich, um dich gleich darauf zu umarmen. Indien ist auch gleichzeitig mein größter Spiegel - so viel habe ich hier erkannt und über mich erfahren. Wie ich gelassen beleibe, zum Beispiel. Hier lernst du außerdem ganz schnell zu verlernen.

Ich lebe seit 2015 in Indien. Was mich hierhergeholt hat, weiß ich gar nicht mehr genau. Ich sage immer, ich wurde hierher gepostet. Die Frage an sich ist auch schon viel zu kopfgesteuert. Ich bin jetzt einfach hier, um anders zu sein. Und Menschen, die sagen, Indien wäre nichts für sie, die sind einfach noch nicht bereit, sich selber zu sehen. Denn hier kommt man definitiv in seine Klarheit. Egal, wie man auf die Welt blickt, ob mit weltlichen oder spirituellen Augen - Indien ist einfach näher am Universum. Und genau das ist auch Siddhartha für mich, das Begreifen, dass es mehr als nur eine Seite gibt. Das Sehen von Möglichkeiten und Limmittierungen und die Versuche, loszulassen. Immer in Bewegung bleiben - innen wie außen und das Experiment Leben genießen!

 © Jörn Raeck Jörn Raeck: Mit 89 Pfennig am Tag durch Indien

See you, Christmas in Kathmandu – das war wohl in den 60-Jahren die Losung von Aussteigern, Hippies oder Alternativen auf dem Weg gen Osten, gen Asien. Für mich lagen zu dieser Zeit Afghanistan, Nepal und Indien zwar noch gänzlich außerhalb meiner Phantasiewelt. Und doch sollten gerade diese Länder bestimmend werden für mein gesamtes, späteres Leben.

Im September 1968 erwarb ich in Deutschland für 280 DM einen alten Lloyd Alexander TS – 600ccm und 25PS –, in dem ich auch schlafen konnte. Dieses Auto brachte mich nach Indien. Später verkaufte ich es in Nepal an den Chauffeur vom König. Meine Motivation nach Indien zu reisen, war sehr pragmatisch: Indien war das weitest entfernte Land, das man ohne längere und kostenintensive Schifffahrt über Land mit dem Auto erreichen konnte. Allein für die Überfahrt am Bosporus musste man ein Schiff nehmen.

Ich hatte eine Karte in riesigem Maßstab von Kümmerly und Frey erworben, da waren die Hauptstraßen bis Indien zu erkennen. Später erfuhr ich, dass der ADAC seinen Mitgliedern schon damals wunderbare Routenpläne bis Indien ausarbeitete. Als ich über Pakistan nach Indien gelangte, war mir zunächst danach, schnell umzukehren: Das Essen war derart scharf gewürzt, dass ich dachte, das überlebe ich nicht. Dazu kam, dass man überhaupt keine Intimsphäre hatte: Sobald ich mit dem Auto stehen blieb, bildeten sich Menschenhaufen um mich herum. Aber ich gewöhnte mich daran, zumal alle Leute unglaublich freundlich waren. Und neugierig.

Mit einem Tagessatz von nur 89 Pfennig pro Tag blieb ich fünf Monate in Indien, durchquerte es von Nord nach Süd. Mich begeisterte, wie Religion und Leben miteinander verwoben waren, aber mich schreckte ab, wie „Mitgefühl“ im realen Leben quasi nicht existierte. Als ich Indien im März 1969 verließ, dachte ich, nie mehr zurückzukehren. Aber da hatte ich die Faszination dieses Landes unterschätzt: Ich sehnte mich schon bald wieder nach der indischen Musik, ja auch nach der Bollywoodmusik, nach den Gerüchen der Garküchen, nach den feuchtwarmen Nächten. Schon zwei Jahre später fuhr ich wieder über Land nach Indien und wurde dann gar Händler für traditionelle Musikinstrumente Indiens.

Für Erleuchtung und Entschleunigung – so fand ich heraus – muss ich nicht nach Indien reisen. Die finde ich genauso gut hoch in den Bergen oder an einsamen Stellen am Meer. Wenn ich dennoch auch in den letzten Jahren wiederholt nach Indien flog, dann wegen seiner uralten Kultur, dem köstlichen Essen, den Basaren – und um wundervolle Menschen von vergangenen Reisen wiederzutreffen.

 © Gitta Yields Gitta Yelds: Die Spinnweben im Kopf verteiben

Als mein Freund mich 1980 fragte, ob ich ihn in Sri Lanka besuche möchte,
dachte ich mir, klar. Und es war Liebe auf den ersten Blick. Auf einem 2nd Hand Motorrad (rote Kawaski 250 cc) fing meine erste Indien Reise an. Wir nahmen die Fähre von Talaimannar (im Nordwesten von Sri Lanka nach Rameshwaram (im Südosten von Indien). In Rameshwaram habe ich zum ersten Mal in meinem Leben auf einer Strohmatte am Boden geschlafen und das Essen war auf Bananenblättern angerichtet. Unsere Reise ging weiter nach Chennai und von dort mit dem Zug (inkl. Motorrad) nach Delhi. In Delhi habe wir andere Reisende getroffen, die mit ihren eigenen Fahrzeugen aus Europa über Land angereist sind und weiter nach Goa wollten. Die haben wir dann später auch wiedergetroffen.

Bis heute fasziniert mich Indien. Ich fand immer, dass ein paar Monate in Indien mir die Spinnweben aus dem Kopf vertrieben haben. So vieles hat mich angespornt, außerhalb der Norm zu denken, vieles mit frischen Augen zu sehen und neue Ideen im Alltagsleben in Europa zu integrieren. Anfangs habe ich nur das Abenteuer des Reisens gesucht. Doch bei hat Indien zu einer Horizonterweiterung geführt, worüber ich heute, fast 30 Jahre später, noch immer dankbar bin.

Nach der ersten Reise war ich noch viele Male in Indien – jedes Jahr für einige Monate bis 1995. Wir hatten fast immer ein eigenes Fahrzeug: 1984 sind wir Über Land von Österreich nach Indien mit einem umgebauten Mercedes Bus, den wir dann in Nepal verkauft haben und der als Schulbus weiter benutzt wurde. Einige Jahre später reisten wir mit einer BMW (Motorrad) durch Indien, Pakistan, Bangladesh und Nepal.

Siddhartha habe zwar gelesen, aber glaube nicht, dass mich das Buch anfangs recht beeinflusst hat. Heute bin mehr daran interessiert. Der Roman hat mir gezeigt, dass viele Leute in Indien alles Materielle seinlassen und sich einem devoten Leben hingeben. Sadhu’s & Yogi’s haben mich beindruckt, die ohne materiellen Besitz durch die Gegend wandern und auf die Gaben und Gastfreundschaft anderer Leute zählen. Das Besondere an den Hippiezeiten  waren die vor allem die Unbeschwertheit, Freundschaften, Abenteuer und der Spaß. Wir führten viele intellektuelle Diskussionen und es gab keine Unterschiede zwischen den Menschen. English war unsere universale Sprache ganz egal aus welcher Ecke der Welt wir kamen.

 

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