Claudia Rusch
Kaukasusblog I: Ein Wort zu Beginn

Ein Wort zu Beginn
© Claudia Rusch

An der Brjussow-Universität in Jerewan, anlässlich meiner ersten Lesung während der Autorenresidenz hier im Kaukasus, fragte mich eine Professorin, was ich von Günter Grass‘ (na, sagen wir mal höflich) „Einschätzung“ der DDR als kommoder Diktatur hielte (in Ein weites Feld und auch sonst öfter).

„Na, also, der hat’s nötig!“, schimpfe ich los und muss meinen Unmut zügeln.

Zu Günter Grass kann nun wirklich jeder stehen wie er mag (und ich z.B. teile nicht in allem die Meinung des Nobelpreiskomitees), aber in diesem Punkt geht es nicht um literarische Vorlieben. Es geht auch nicht darum, wie es den einen und den anderen im Osten unter dem SED-Regime erging.

Es geht hierbei allein um Anmaßung.

Denn wenn ein Wessi auf DDR-Besuch fährt, sich dort bauchpinseln, bedienen und bewundern lässt, hernach mit seinem Bundespass die für uns tödliche, für ihn dagegen nur mit lästiger Wartezeit und sächselnden Uniformträgern verbundene Grenze wieder überquert, um dann im Anschluss in der Freiheit den anderen (bei einem guten toskanischen Roten) seine schönen Ost-Erlebnisse zu erzählen, dann ist das erfreulich für ihn. - - - Aber, wenn er allen Ernstes glaubt, er hätte dadurch eine wie immer geartete Deutungshoheit über das Leben der Menschen in der DDR gewonnen, dann fällt mir dazu wirklich nur eins ein: Fremdes Leid trägt sich leicht.

Ich erwähne diese Episode nicht, um gleich mal zack, zack Günter Grass zu bashen (obwohl das ja genauso viel Spaß macht wie auf Martin Walser rumzuhacken), sondern weil es mehr mit meinem Aufenthalt in Armenien, Georgien und Aserbaidschan zu tun hat, als es im ersten Moment scheinen mag: Auch ich bin hier im Kaukasus ein West-Gast. Mit einem Dauervisum für die meisten Länder, mit einer Krankenversicherung, die selbst Akkupunktur gegen Knieschmerzen übernimmt und einer komfortablen zentralgeheizten Wohnung, die mir nicht jeden Moment auf den Kopf zu fallen droht. Egal, wie gut oder schlecht es mir subjektiv geht, vollkommen unerheblich wie lange ich meine Berliner Miete noch aus eigener Kraft finanzieren kann oder wie mein Alltag aussieht – ich bin objektiv privilegiert, weil ich aus einem sicheren, reichen Land komme und reisen kann.

Und weil das nicht immer so war, ist es mir auch bewusst. Der Blick von außen kann stets nur ein eingeschränkter sein. Dabei mache ich keine Ausnahme. Egal, was ich hier blogge...