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Carl Undéhn: Einleitung
Ein unsichtbares Gepäckstück

Die Erde
© Colourbox

Zahlreiche Forschungen belegen, dass das Aufwachsen in einem zwei- oder mehrsprachigen Umfeld die kognitiven Fähigkeiten fördert. Kinder, die zwischen verschiedenen Sprachen wechseln, haben weniger Probleme, unterschiedliche Aufgaben zu bewältigen. Sie kommen leichter zu Lösungen und sind sogar besser in Mathe.

Von Carl Undéhn

Kanadische Forscher haben festgestellt, dass sich Kinder, die von klein auf sowohl Englisch als auch Französisch sprechen, in einer unübersichtlichen Umgebung besser zurechtfinden als Kinder, die nur Englisch können. Andere Untersuchungen haben ergeben, dass es zweisprachigen Kindern leichter fällt, Probleme zu lösen und mehrere Dinge gleichzeitig im Kopf zu behalten.

Das klingt doch großartig.

Wenn nun alle Kinder mit mehr als einer Sprache aufwachsen, ist die Welt bald voll von Supergenies! Eine ganze Generation würde heranwachsen, die Probleme wie die globale Erderwärmung und Krankheiten in Angriff nehmen könnte und - was noch viel wichtiger ist – sie würde die passenden Lösungen finden. Unverzagte Renaissancepersönlichkeiten, die an einem Tag das Energieproblem der Welt lösen (in der einen Sprache) und am nächsten Tag (in einer anderen) einen literarischen Bestseller schreiben. Außerdem könnten alle besser mit dem schnelllebigen und mitunter chaotischen Alltag umgehen. Mehrsprachige Milieus, die Kinder anregen, gibt es in unserer globalisierten Welt schließlich mehr als genug.

Doch leider erweist sich die Behauptung von den Vorteilen der Zwei- oder Mehrsprachigkeit als Trugschluss. Rund die Hälfte der Weltbevölkerung gilt als zweisprachig, was sich leider nicht unbedingt in der Zahl der Genies niederschlägt.

Damit soll aber keineswegs gesagt sein, dass Mehrsprachigkeit keine Vorteile bietet. Vielleicht ruft sie Eigenschaften hervor, die wissenschaftlich schwer zu messen und belegen sind. Eigenschaften wie Neugierde und Aufgeschlossenheit. Womöglich kann Mehrsprachigkeit eine Weltanschauung fördern, die nicht nur schwarz oder weiß kennt. Die Fähigkeit, von klein auf die Dinge mit Worten in verschiedenen Sprachen beschreiben zu können, mag in den Gehirnen der Kinder eine Tür öffnen, die ihnen zeigt, dass nichts in Stein gemeißelt ist.

Dass die Dinge tatsächlich veränderbar sind.

Eines steht auf jeden Fall fest: Wir leben in einer globalisierten Welt, wodurch die sprachliche Vielfalt zugenommen hat. Menschen nehmen ihre Sprachen mit, wenn sie die Grenzen von Ländern und Sprachgebieten übertreten. Unsere Sprache ist wie ein unsichtbares Gepäckstück dabei und macht uns eventuell erst zu dem, was wir sind.

Ohne Frage, die Beherrschung mehrerer Sprachen gilt in der Regel als positiv, aber wie sieht es in den Schulen aus, wird dieser Vorteil dort wirklich genutzt? In vielen Klassenzimmern sprechen die Schüler heute mehr als eine Sprache. Ist der mehrsprachige Alltag in Europa heute wirklich so viel anders als früher? Und wie ist die kleine aber mehrsprachige Schweiz mit ihrer Sprachenvielfalt im Laufe der Jahre umgegangen?

Diese und andere Fragen untersuchen wir in einer Reihe von Texten zum stets aktuellen Thema Mehrsprachigkeit.

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