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Die unerwartete Wiederentdeckung
Interview Peter Huchel

Am 28. September 1973 veranstaltete das Goethe-Institut in der Linnégatan in Stockholm einen Autor*innenabend. Der Dichter Peter Huchel (1903–1981), der zwei Jahre zuvor die DDR in Richtung Westdeutschland verlassen hatte, ist zu Besuch in Schweden. Der Chefredakteur von Dagens Nyheter, Olof Lagercrantz, gab an diesem Abend eine Einführung in Huchels Lyrik.

Huchel-Programm Ein Programmblatt von 1973. Am 28. September liest Peter Huchel im Goethe-Institut in Stockholm aus seinen Gedichtbänden. Olof Lagercrantz gibt eine Einführung. | © Goethe-Institut 1973 war vermutlich das große Jahr für Peter Huchel in Schweden. Im Frühjahr veröffentlichte der einflussreiche Chefredakteur von Dagens Nyheter, Olof Lagercrantz, einen langen und sehr positiven Artikel über den Naturdichter aus der Mark Brandenburg. Im Herbst absolviert Huchel Autorenbesuche in Malmö, Göteborg und schließlich in Stockholm. Göteborgs-Posten veröffentlicht das Gedicht Venedig im Regen in seinem Feuilleton und der Kritiker Bengt Holmqvist nennt Huchel "den vielleicht wichtigsten deutschen Dichter nach dem frühen Tod von Paul Celan und Ingeborg Bachmann". 
 
Eine Auswahl von Huchels Gedichten wurde dann 1975 in der Übersetzung von Johannes Edfeldt unter dem Titel Gycklarna är borta veröffentlicht. Ende der 1970er Jahre war Huchel unter den Literaturinteressierten in Schweden ein bekannter Name geworden. Er wird oft als einer der großen Namen der zeitgenössischen deutschen Lyrik hervorgehoben. Nach seinem Tod im Jahr 1981 gerät er jedoch, zumindest in Schweden, zunehmend in Vergessenheit. Obwohl 1988 eine weitere Gedichtsammlung übersetzt wurde (Främlingen går sin väg in der Übersetzung von Lars-Inge Nilsson), wird Huchel nicht mehr im Zusammenhang mit Celan oder Bachmann erwähnt – er wird eigentlich gar nicht mehr genannt, wenn von deutscher Lyrik des 20. Jahrhunderts die Rede ist. 
 
Im Jahr 2020 dann veröffentlicht der Verlag Edda Peter Huchels letzte Gedichtsammlung Die neunte Stunde in Übersetzung von Ludvig Berggren und mit einem Nachwort des Lyrikerkollegen Lutz Seiler – fast 50 Jahre, nachdem Lagercrantz Huchel in Schweden vorgestellt hat. 
 
Warum gerade jetzt? Vielleicht liegt die Antwort in der Veröffentlichung anderer deutscher Lyriker auf Schwedisch. Sowohl Durs Grünbein als auch Lutz Seiler nennen Peter Huchel als eine wichtige Inspiration für ihre Lyrik, und sowohl Grünbein als auch Seiler wurden in den letzten Jahren ins Schwedische übersetzt (auch mit der Übersetzungshilfe des Goethe-Instituts). Vielleicht zeigt die Veröffentlichung von Peter Huchel, dass Übersetzungen nicht nur dazu dienen, neue Literatur und unbekannte Autor*innen vorzustellen, sondern auch dazu, den Weg für literarische Wiederentdeckungen – und für neue Übersetzungen – zu ebnen. 
 

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