Ein Buch, zwei Stimmen: In ihrem Podcast diskutieren Martina und Fabienne ausschließlich Romane von Autorinnen und nicht-weißen Autor*innen – gern auch mal 1000 Seiten dick oder mit einem Rezept für Fliegenpilztorten. Im Interview erzählen sie, wie alles begann und worauf es beim Diskutieren ankommt.
Jeden Monat bekommt es ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit: Das eine Buch, das im Mittelpunkt einer Podcastfolge steht. In „Ich lese was, was du auch liest“ diskutieren Fabienne Imlinger und Martina Kübler über Titel von Autorinnen und nicht-weißen Autor*innen – von viktorianischen Meisterwerken über queere Gegenwartsliteratur bis hin zu Nobelpreisträgerinnen. Im schriftlichen Interview erzählen die beiden Literaturwissenschaftlerinnen, wie sie ihre Bücher auswählen und was für sie eine gute Diskussion ausmacht.Könnt ihr euch noch an dem Moment erinnern, als ihr beschlossen habt, gemeinsam einen Podcast zu machen?
Martina: Oh ja, daran erinnern wir uns gut! Wir waren Kolleginnen an der Uni und haben uns in den Mittagspausen oft über Bücher unterhalten – darüber, was wir gerade lesen und welche Bücher uns besonders gefallen. Eines Tages hab ich dann Fabienne einfach gefragt: „Möchtest du einen Buchpodcast mit mir machen?“ – und Fabienne hat sofort „Ja!“ gesagt.
Damit seid ihr in die Angebotsauswahl zahlreicher Literaturpodcasts gekommen: Welche Leerstelle wollt ihr mit eurem Podcast füllen?
Fabienne: Ehrlich gesagt haben wir uns darüber am Anfang gar nicht so viele Gedanken gemacht. Wir haben uns vielmehr gefragt, worauf wir Lust haben, über welche Bücher wir sprechen wollen. Schnell war dann klar: Wir interessieren uns besonders für Romane von Autorinnen und nicht-weißen Autor*innen – die finden wir ästhetisch und thematisch am interessantesten.
Martina: Auch das Format hat sich intuitiv entwickelt: Viele Literaturpodcasts sind entweder kurz oder behandeln mehrere Bücher in einer Folge. Uns war sofort klar, dass wir uns pro Folge jeweils einem Buch widmen wollen – das bietet einfach mehr Raum für Diskussion.
Und wie entscheidet ihr dann, um welches Buch es in der Folge geht?
Martina: Das läuft meistens ganz spontan. Manchmal liest eine von uns gerade ein Buch und sagt: „Hey, darüber würde ich gern im Podcast sprechen.“ So war es zuletzt bei Schwindel von Hengameh Yaghoobifarah.
Fabienne: Oder wir kennen beide ein Buch noch nicht, aber der oder die Autor*in oder das Thema interessieren uns. Manchmal sind wir dann begeistert – oder finden das Buch ganz schrecklich. Kairos von Jenny Erpenbeck war so ein Fall: International Man Booker Prize, viel gelobt – aber wirklich nicht unser Fall. Wobei solche Diskussionen trotzdem Spaß machen oder jedenfalls interessant sind.
Hier wart ihr euch offenbar einig, doch Urteile zu Büchern können doch sehr unterschiedlich ausfallen. Erinnert ihr euch noch an ein Buch, bei dem ihr völlig unterschiedlicher Meinung wart?
Fabienne: Eines?! Unzählige! Ein Beispiel: Spuk in Hill House von Shirley Jackson. Ich war begeistert und zugleich fassungslos, dass Martina es weder toll noch unheimlich fand!
Doch gerade diese Meinungsverschiedenheiten führen zu interessanten Diskussionen: Man muss nicht nur erklären, was eine begeistert oder stört, sondern argumentieren warum. Oft sind die Aspekte in einem Roman, die die eine nerven, genau die Aspekte, die die andere toll findet.
Euren Podcast gibt es seit 2020: Hat sich etwas im Laufe der Jahre verändert?
Fabienne: Hoffentlich unsere Schneide-Skills! Die ersten Folgen hatten zum Teil echt harte Cuts.
Martina: Insgesamt haben wir technisch dazugelernt. Außerdem sprechen wir inzwischen nicht nur über Gegenwartsliteratur, sondern auch über Klassiker – wie Middlemarch von George Eliot. Ein englischsprachiger Roman aus dem 19. Jahrhundert mit über 1000 Seiten! Das war ein hartes Stück Arbeit, aber es hat total viel Spaß gemacht. Der Stil, die auktoriale Erzählinstanz, die philosophischen Einschübe – das kommt in der Gegenwartsliteratur kaum noch vor.
Gab es eine Folge zu einem Buch, zu der ihr besonders viele Rückmeldungen von euren Hörer*innen bekommen habt?
Martina: Nicht direkt Rückmeldungen, aber am meisten gehört wurde unsere Folge zu Herkunft von Saša Stanišić. Wir wissen bis heute nicht so genau warum.
Fabienne: Der lustigste Kommentar kam zu unserer Folge über Olga Tokarczuks Taghaus, Nachthaus: Weil wir so viel gelacht haben, meinte jemand, wir hätten selbst Pilze gegessen – um die es in dem Roman viel geht. (Darin kommt sogar ein Rezept für Fliegenpilztorte vor!)
Welche Bücher oder Ideen wollt ihr in eurem Podcast unbedingt noch aufgreifen?
Martina: Aktuell denken wir darüber nach, eine Rubrik „Lieblingsbücher revisited“ einzuführen. Die Idee ist, Bücher, die früher Lieblingsbücher waren, noch einmal zu lesen und zu sehen, ob sie einen immer noch so begeistern. In einer Folge sprachen wir mal über The Autobiography of Alice B. Toklas von Gertrude Stein, das mich während meines Studiums total geflasht hat. Ob ich noch immer so begeistert war, könnt ihr in der Folge nachhören.
Der Podcast im Kurzporträt
Podcastname: Ich lese was, was du auch liestThemen: Literatur von und über Frauen, PoC, LGBTQIA*
Erscheint: einmal im Monat
Länge: ca. 1 Stunde
Erscheint: einmal im Monat
Länge: ca. 1 Stunde
Juni 2025