Literatur als Beilage zum goldenen Steak: Selbst ein Sehnsuchtsort in den Bergen hat David Blum nicht glücklich gemacht.
In diesem Text geht es nicht um die Gemeinde in strukturschwacher Region, in die man als Autor*in durch ein Aufenthaltsstipendium geraten kann. Es geht nicht um eine unzureichende Unterkunft. Keine unzuverlässige Administration wird angeklagt. Diese Zuwendung führte mich an einen der bekanntesten Kurorte der Welt, Synonym für Luxus und Jetset.Eine zehnstündige Zugreise mag beschwerlich erscheinen; wenn der letzte Abschnitt aber zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, lässt sie sich relativ gut ertragen. Praktisch auch die Rolltreppe – die längste des Landes im Übrigen –, die einem den Aufstieg vom Zielbahnhof hinauf zur Stadt erspart. Die Hauptgeschäftsstraße war gepflegt, die Läden und Boutiquen allesamt Top-Adressen. Doch schon während ich meinen Rollkoffer Richtung Unterkunft zog, fühlte ich mich unwohl: Niemand war zu Fuß unterwegs, erst recht nicht mit seinem Gepäck in den Händen.
Der Service im Hotel war professionell, das Zimmer glänzte mit bestem Blick auf die Gipfel. Wofür die anderen Gäste viel Geld aufbringen mussten, wurde mir kostenlos zur Verfügung gestellt. Ich hätte so glücklich sein können, nein, ich musste glücklich sein. Aber ich war es nicht.
Denn wenn ich in einem der drei Restaurants aß, dann musste ich befürchten, mich mit einer falschen Bestellung um ein Vermögen zu bringen. Weil ich es nicht gewohnt war, mich bedienen zu lassen, ging ich zu oft in den nicht gerade günstigen Supermarkt. Und im hoteleigenen Spa schwamm ich verschämt zwischen den von Sport und idealer Ernährung geformten Körpern der anderen Besucher.
Für kurze Zeit war ich an einen Ort versetzt, auf den man eigentlich von jungen Jahren an vorbereitet werden musste. Und mitten in diesem Luxus, den ich weder annehmen noch ausfüllen konnte, wurde mir klar, welche Rolle für mich vorgesehen war: Ich war ein Posten im Kulturbudget. Ich war der Künstler, den man sich, neben all den anderen Vorzügen, auch noch leistete. Ich war kein Autor: Ich war der Hofnarr.
„... sonst steht wieder nichts in deiner Vita!“
- Vorwort | Gefangen im Elfenbeinturm
- #1 Ondřej Hložek | Dort, wo der Fluss ins Graublau schwindet…
- #2 Cécil Joyce Röski | enfant terrible
- #3 Katharina Bendixen | Kein Tisch für sich allein
- #4 David Blum | Hofnarr in Residence
- #5 Slata Roschal | Sie waren wieder da
- #6 Selim Özdoğan | Sie denken, dazu kann man nicht nein sagen
- Nachwort | Dann bewerbt euch doch nicht! – Und was, wenn doch?
Die Veröffentlichung dieses Artikels ist Teil von PERSPECTIVES – dem neuen Label für unabhängigen, konstruktiven, multiperspektivischen Journalismus. JÁDU setzt dieses von der EU co-finanzierte Projekt mit sechs weiteren Redaktionen aus Mittelosteuropa unter Federführung des Goethe-Instituts um.
Januar 2025