Soldatinnen in Gefangenschaft  Das Unvorstellbare überleben

Die ukrainische Soldatin Olha überlebte ein Jahr in russischer Gefangenschaft.
Die ukrainische Soldatin Olha überlebte ein Jahr in russischer Gefangenschaft. Foto: © Jana Čavojská

Die ukrainische Soldatin Olha überlebte nach dem Fall von Mariupol ein Jahr in russischer Gefangenschaft. Sie wurde ohne Licht gehalten, gefoltert und bekam nichts zu essen. Jede Nacht betete sie, dass ihre Mutter und ihre kleine Tochter im Traum zu ihr kommen würden. Im Traum umarmte sie sie, im Traum sprach sie mit ihnen. Zurück in der Freiheit dachte sie deshalb auch, sie würde nur träumen. 

„Das Schlimmste war die Angst, dass ich dort sterben würde, ohne mein kleines Mädchen und meine Mutter wiederzusehen.“

Olha ist 47 Jahre alt. Sie arbeitete in der ukrainischen Armee als Verbindungsperson und in der Verwaltung. Als die Russen am 24. Februar 2022 die großangelegte Invasion in der Ukraine begannen, war sie mit ihrer Einheit in Mariupol. Nach einigen Wochen wurde ihnen befohlen, sich zu ergeben. Olha wurde in Gefangenschaft genommen. Ein Kreislauf aus Verhören, Schlägen und Folter begann. „Da war ein Haken, der aus der Wand ragte. Ich schaute auf die Klinge und fragte mich, wie ich es am besten anstellen sollte, denn nicht zu leben war besser als dieses Leben, in dem man mir sagte, dass die Ukraine nicht mehr existiert und dass ich keine Familie mehr habe“, sagt Olha. Sie schaffte es dennoch zu überleben. Aber das Jahr unter schrecklichen Bedingungen, ohne richtige Nahrung und Sonnenlicht, forderte einen grausamen Tribut für ihre Psyche und ihren Körper. Ihr sind die Haare ausgefallen, ihre Schilddrüse funktioniert nicht, sie hat gynäkologische Probleme und Panikattacken. Während ihrer Gefangenschaft erlitt ihre Mutter einen Schlaganfall, für den Olha sich verantwortlich fühlt.

Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen unternimmt bis zur Hälfte der Frauen, die aus russischer Gefangenschaft zurückkehren, einen Selbstmordversuch.
 

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