Ohne Pflege kann keine Gesellschaft funktionieren. Berufe, in denen Menschen soziale und gesundheitliche Pflege leisten, sind in der Slowakei jedoch seit langem stark unterfinanziert. Diejenigen, die diese Berufe ausüben, arbeiten oft an der Grenze ihrer Kräfte, ohne dass es angemessene systemische Maßnahmen gibt, die ihnen Unterstützung bieten würden. Die JÁDU-Reporterin Gréta Čandová hat in Gemeinden im Osten der Slowakei untersucht, wie die Unterstützung für Menschen, die in helfenden Berufen arbeiten, in der Praxis aussieht.
Die Rheumatologin zuckt instinktiv zusammen, verbirgt aber geschickt ihre Überraschung. Sie sieht sich die hohen Entzündungswerte bei meiner Mama an, die ihre Hand bei der Arbeit überanstrengt hat. Schon in wenigen Tagen soll sie zu ihrer Schicht nach Österreich zurückkehren. Seit 11 Jahren arbeitet sie dort – neben ihrer Arbeit, diesen jeweils zweiwöchigen Arbeitsblöcken, hat sie sich sieben Jahre lang auch zu Hause um ihren Vater gekümmert, wir als Großfamilie haben uns dabei abgewechselt. Jetzt ist meine Mutter 67 und pflegt in Österreich eine Frau mit Alzheimer. Umfassende Hygiene, Lagerung, Füttern, Kochen, ein sicheres Umfeld schaffen und emotionale Unterstützung gewährleisten. Ich sehe sie, wie sie mit ihrer unbeweglichen, schmerzenden Hand telefoniert, um nach einem Ersatz zu suchen. Es gelingt ihr, für ein paar Tage einen Ersatz zu organisieren, doch sie sollte mindestens einen Monat lang Ruhe haben. Während eines Telefonats mit Dana Grafiková, der Vorsitzenden der Kammer der Pflegekräfte der Slowakei (Komora opatrovateliek Slovenska), wird mir bestätigt, was ich schon vermutet hatte – es sollte überhaupt nicht die Sorge meiner Mutter sein, selbst einen Ersatz zu finden, denn sie hat einen Vertrag mit einer Agentur.Ja, jede*r sollte selbst klären, was ihm zusteht, sich informieren und nicht resignieren. Doch vielen Menschen im Bereich Pflege bleiben wenig Energie und Lust, sich über Konditionen, Verträge oder Zuschläge rechtlich zu streiten, wenn es um psychische und physische Belastungen, das hohe Alter oder andere Hürden bei den zu betreuenden Personen geht.
Welche Unterstützungsmöglichkeiten – soziale, psychologische oder anderweitig entlastende – gibt es für diejenigen, die in helfenden Berufen, wie der Pflege oder Sozialarbeit, also sogenannte formelle Betreuer*innen, arbeiten? Aber auch für diejenigen, für die Pflege zwar kein Bestandteil ihres Berufs, aber ein Teil ihres Lebens ist, da sie ihre Angehörigen in deren häuslichem Umfeld pflegen?
Mama mit einem Pulsoximeter, mit dem die Blutsauerstoffsättigung und die Herzfrequenz gemessen wird | Foto: © Gréta Čandová
Unterstützung formeller Pflegekräfte: Funktioniert die Supervision?
Wir stehen in der Küche am Herd, das Öl brutzelt schon. Wir unterhalten uns mit dem Team vom Gemeindezentrum Kotva [deutsch: Anker] im ostslowakischen Ulič, zwei Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, über die Herausforderungen der Arbeit und bereiten dabei gemeinsam frische Pierogi vor. Diese wird es heute als Snack beim Kreativ-Workshop geben. Während meiner Woche in Ulič (und einem Großteil davon im Kotva) hatte ich die Möglichkeit zu beobachten, wie gut die Mitarbeiter*innen des Zentrums bei allem sind, was sie tun. Oft ist jeder Arbeitstag komplett anders und stellt somit ganz verschiedene emotionale und anderweitige Anforderungen.Ein unterstützendes Instrument für Menschen in Pflegeberufen ist die Supervision. Da es sich um körperlich und geistig anstrengende Tätigkeiten handelt, sind systemische Maßnahmen erforderlich, unter anderem zur Vorbeugung von Überlastung und Kollaps der Pflegekräfte. Der Supervisionsprozess soll neben der „Steigerung der Qualität und Professionalität der Arbeit“ einen geschützten Raum bieten, in dem die Pflegekräfte über erlebte Belastungssituationen sprechen, Hilfe bei der Problemlösung erhalten und so zur Stärkung ihrer psychischen Belastbarkeit beitragen können. Im Bereich der Sozialdienste ist dieses Instrument zudem gesetzlich verankert und verpflichtend.
Das Recht auf Supervision steht daher in erster Linie Menschen zu, die in der Sozialarbeit und Sozialberatung arbeiten, in sozialen Einrichtungen (zum Beispiel in Altenheimen, Kindertagesstätten oder Studierendenwohnheimen) sowie im Bereich des sozialrechtlichen Kinderschutzes und der Sozialfürsorge tätig sind. Der tatsächliche Nutzen der Supervision hängt jedoch stark davon ab, wer sie ausübt, also von der jeweiligen Supervisorin oder dem jeweiligen Supervisor. Die Erfahrungen der Menschen in helfenden Berufen, mit denen ich an vielen Orten zwischen Ulič und Spišská Nová Ves gesprochen habe, variierten zwischen „Schrecklich, er hat uns einfach deprimiert “ sowie „Er war nicht die richtige Person am richtigen Ort“ bis hin zu „Die Supervision hat mir sehr geholfen“ und „Wann gibt es denn die nächste? “.
„Es hilft sehr, wenn sie richtig durchgeführt wird, und persönlich ist Supervision besser als online. Ich habe beide Formen gehabt, kann es also vergleichen. Sie dauert normalerweise zwei Stunden und findet mehrmals im Jahr statt“, erklärt Ivana Lechanová, regionale Koordinatorin des Nationalen Projektes Lokale Sozialarbeit und Gemeindezentren (Terénna sociálna práca a komunitné centrá), die für die methodische Leitung und Unterstützung von Gemeindezentren in den Städten und Gemeinden der Landkreise Snina, Medzilaborce, Vranov nad Topľou und Humenné verantwortlich ist.
Dávid Kunáš arbeitet im Gemeindezentrum Kotva als lokaler Sozialarbeiter. „Meine Arbeit umfasst im Grunde alles – von praktischen Tätigkeiten wie Hilfe beim Ausfüllen von Überweisungsscheinen bis hin zur Kommunikation mit Gerichten, Zwangsvollstreckungen, alles, was du dir so vorstellen kannst. All dies geschieht normalerweise außerhalb des Büros, im natürlichen Umfeld der Klienten. Zu mir kommen zum Beispiel Menschen, die schlecht sehen und keine Dokumente ausfüllen können. Ein Mann sollte den Strafvollzug antreten, hatte aber kein Geld für den Bus und bat mich, es irgendwie zu organisieren, dass er erst später kommt. Und das habe ich dann gemacht.“ Viele Menschen wenden sich mit allen möglichen persönlichen Problemen auch nach Feierabend an ihn und seine Kolleg*innen, oder wenn sie sich zufällig im Dorf begegnen. „Unser Telefon klingelt zu allen Zeiten, Anka zum Beispiel wird ständig angerufen [Anna Harkotová, professionelle Managerin des Gemeindezentrums Kotva, Anm. d. Red.].“
Das Team des Gemeindezentrums Kotva | Foto: © Gréta Čandová
Die Frustration mancher Mitarbeiter*innen hat ihre Ursache in den unzureichenden Bedingungen für die Wertschätzung ihrer Arbeit: „Man möchte seine Arbeit auf eine bestimmte Art und Weise tun, es wird aber oft von uns einfach verlangt, dass alles in die Statistiktabellen passt“, sagt Dávid. Es werde nicht ausreichend darüber nachgedacht, dass der Wert von Arbeit nicht nur in Statistiken gemessen wird. „Sie interessieren sich nicht mehr wirklich dafür, welche Aktivitäten für Kinder das Gemeindezentrum anbietet, auch nicht für die Gruppenaktivitäten, und dass wir die Gemeinde voranbringen. Sie interessieren sich nur für den Aktionsplan und die Tabellen. Ficos Regierung in Bratislava hat überhaupt keine Ahnung, sie hat keine Vorstellung von dieser Arbeit.“ Und nicht einmal von grundlegenden Dingen und direkten und indirekten Hindernissen: „Hier in Ulič gibt es keine Gasleitung, hier gibt es keine Eisenbahn. Es gibt hier nur eine Straße, die im Winter mal geräumt wird, mal nicht. Wenn man richtig einkaufen will, fährt man nach Snina – das sind 37 Kilometer.“
Goldene Stunde in Ulič | Foto: © Gréta Čandová
Mangel an Zeit zur Erholung
Es ist ein relativ ruhiger Morgen im ersten Stock des zweistöckigen historischen Hauses, das als Sekretariat dient. Eine sorgfältig geschnittene Zitrone schwimmt in einem Wasserkrug. Während er sie zubereitet, entschuldigt sich Ľubomír Bagar mit einem Lächeln, er sei es nicht gewohnt, Gastgeber zu sein. Bagar ist Leiter der Sozialdienste des Katholischen Wohlfahrtsverbands der Region Zips/Spiš (Spišská katolícka charita/SpKCH) und wir sprechen mit ihm hier in Spišská Nová Ves über den Bedarf an Unterstützung für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. SpKCH ist einer der größten privaten Anbieter sozialer Dienste in der Slowakei. Das Unternehmen betreibt Dutzende von Sozial- und Pflegediensten in den Gebieten Spiš, Orava a Liptov: von Kindertagesstätten und Zentren für Kinder und Familien über Hospize (sowohl stationäre als auch mobile) bis hin zu Krisenwohneinrichtungen.„Die Mitarbeiter arbeiten mit unterschiedlichen Menschen zusammen und sollen so unterstützt werden, dass sie bei uns nicht ausbrennen. Supervisionen finden zwei- bis dreimal im Jahr statt und wir haben etwa zwei Jahre gebraucht, um ein Team von Supervisoren zu etablieren, deren Ratschläge und fachliche Meinungen auch von den Mitarbeitern vertrauensvoll angenommen werden. Die Erfahrungen mit diesem Instrument der Supervision sind daher schon sehr gut.“
Ľubomír Bagar arbeitet hauptsächlich mit vierzehn sozialen Wohneinrichtungen. Bei den, die sie als Krisenwohneinrichtungen bezeichnen, konzentrieren sie sich auf die sensibelste Zielgruppe – Mütter mit Kindern. Sie stellen misshandelten Frauen, Müttern und Kindern einen geschützten Raum in Notunterkünften und dazugehörigen Herbergen zur Verfügung.
„Den Mitarbeitern fehlt oft der Freiraum für sich selbst und die Möglichkeit zur Regeneration. Die Arbeit in solch einem sozialen Bereich ist nicht mit üblichen Arbeitszeiten verbunden – viele Tätigkeiten erfordern schnelle aktive Hilfe. Müdigkeit und Erschöpfung zeigen sich am deutlichsten in Krisensituationen, wenn es notwendig ist, sofort vor Ort zu helfen, den Transport von Menschen in die Sicherheit zu gewährleisten und die Hilfe direkt vor Ort zu koordinieren. Wegen des Mangels an koordinierten Freiwilligen bleiben diese Aufgaben oft auf den Schultern der Mitarbeiter liegen.“
Die SpKCH gehörte zu den ersten Organisationen, die an der ukrainischen Grenze Hilfe leisteten, als die umfassende russische Invasion begann. Bagars Aussage nach zeigte diese Erfahrung nicht nur das enorme Engagement der Teams, sondern verdeutlichte auch die Grenzen, an die es als Folge einer langfristigen Überbelastung kam.
Ľubomír Bagar | Foto: © Gréta Čandová
Gerne hätten sie eine*n eigene*n Psycholog*in im Unternehmen zur Unterstützung der Mitarbeiter*innen unterstützt, doch derzeit sei dies auch aufgrund des Mangels an Fachleuten nicht realisierbar: „Wir sind froh, wenn es uns gelingt, zumindest für Kinder in Zentren oder für eine spezialisierte Einrichtung einen Psychologen zu gewinnen.“
Ľubomír Bagar sieht auch ein Element der Selbstverständlichkeit in der Erwartung, dass man sich in Wohltätigkeitsorganisationen aufopfern muss, sie müssen das letzte Auffangnetz sein, durch das niemand hindurchfallen sollte. Indem sie die Defizite der öffentlichen Dienste ausgleichen, belasten sie ihr bereits überlastetes Personal noch stärker.
„Die Heilige Schrift sagt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Wenn ich nicht für mich selbst, für meine eigene körperliche und geistige Gesundheit sorgen kann, wie kann ich dann für die Bedürftigen sorgen, wie lange kann ich helfen und Hilfe und Liebe geben, wenn mich Erschöpfung oder Burnout zusammenbrechen lassen? Deshalb betonen wir ständig, dass die Arbeitnehmer sich ausruhen sollten, wann immer es möglich ist.“
Neben Supervision und Weiterbildungen stehen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seelsorgerische, sogenannte Formationstreffen zur Verfügung, die ihnen emotionale, spirituelle und kollegiale Unterstützung anbieten sollen. Eine weitere, explizit spirituelle Unterstützung mit Fokus auf christlichen Aktivitäten, die sie eingeführt haben, ist das ethische Programm Dakacert. Dieses Angebot ist völlig freiwillig, auch vor dem Hintergrund, dass laut Bagar Menschen unterschiedlichen Glaubens oder ohne Glaubensbekenntnis in den Wohltätigkeitsorganisationen arbeiten. Sie als Wohlfahrtsverband würden keine Unterschiede machen und diskriminieren nicht hinsichtlich der geistlichen Einstellung ihrer Mitarbeitenden, und ohnehin: Nur unter Gläubigen gäbe es nicht genügend Bewerber*innen für alle beruflichen Positionen.
Jahresbericht der katholischen Wohltätigkeitsorganisation Spišská katolícka charita, bei der etwa 600 Menschen beschäftigt sind. | Foto: © Gréta Čandová
Die Finanzierung der sozialen Dienste erfolgt daher aus mehreren Quellen. „Sonst müssten wir den Leuten zum Beispiel sagen, dass wir ihren Vater nicht in die Einrichtung aufnehmen können, weil wir nicht genug Geld haben. Das Argument ‚Warum macht ihr das, wenn ihr das Geld dafür nicht habt?‘ ist somit die betriebswirtschaftliche Perspektive, die Frage – lohnt es sich/lohnt es sich nicht. Doch bei dieser Perspektive geht es eben nicht mehr darum, einem Menschen zu helfen, ihn zu pflegen oder um Hilfsbedarf in einer Notlage.“
Ende Juli kündigte der Arbeits-, Sozial- und Familienminister Erik Tomáš eine weitere Vertagung der Reform der Finanzierung sozialer Dienste an, die noch von der vorangegangenen Regierung erarbeitet worden war. „Der vorgeschlagene Arbeitstext des neuen Gesetzes hat jedoch noch viele Fragezeichen. Inwieweit wird die Reform ausreichen, um diese Dienste aufrechtzuerhalten und zu betreiben?“, fragt Bagar.
Die alarmierende Situation mobiler Hospize
Langfristig und besorgniserregend kritisch ist auch die Situation mobiler Hospize, denn die staatliche Finanzierung durch die Krankenkassen deckt maximal 40 Prozent der tatsächlichen Kosten, sodass ein völlig neues Finanzierungssystem erforderlich wäre. Es ist daher nicht übertrieben zu sagen, dass die Palliativpflege buchstäblich nur von der Aufopferungsbereitschaft des medizinischen Personals abhängt. Wie Dr. Emília Vlčková, Gründerin des Mobilen Hospizes der Hl. Luise (Mobilný hospic Sv. Lujzy), gegenüber Denník Nerklärte, kümmert sich ihr Hospiz auf eigene Kosten um die meisten Sterbenden, und es gibt niemanden, der sich um viele weitere kümmert. Ihr Kollege erhalte für seine Arbeit im Hospiz 40 Euro im Monat. Wie ist es möglich, dass die Vernachlässigung, die Unterbewertung und die Marginalisierung dieser Berufe in unserem Land schon so weit fortgeschritten ist?Die Menschen versuchen zumindest, die Anforderungen ihrer Arbeit allein zu bewältigen – ohne sie würden wir als Gesellschaft zusammenbrechen. Als wir am Telefon über die Selbsthilfe der Mitarbeiter*innen sprechen, nennt Katarína Habláková, Koordinatorin des mobilen Hospizes Most domov als Beispiel die Initiative der Krankenschwester, Doula und Trauerberaterin Jana Gorst. Sie organisiert den Workshop Pass auf dich auf (Postaraj sa o seba) und wendet dabei Achtsamkeits- und Entspannungstechniken an.
Fürsorge ist für unser Überleben unabdingbar, ob wir sie nun als Politik, als Diskurs oder als Arbeit verstehen – so schreibt es die amerikanische Aktivistin und Historikerin Premilla Nadasen in ihrem Buch Care: The Highest Stage of Capitalism. Das Konzept von Fürsorge und Pflege (englisch: care) an sich scheint auf den ersten Blick klar zu sein. Es geht darum, Menschen zu versorgen, zu ernähren, zu pflegen, ihnen zu helfen und sie zu lieben. Laut Nadasen ist dieses Konzept jedoch auch komplex, voller Nuancen und spielt eine enorme Rolle in unserem Leben und in unserer Wirtschaft. In den 2000er Jahren gebrauchten die Mitglieder der Organisation Domestic Workers United erstmals einen neuen Slogan. Es ist ein kurzer, seither wohlbekannter Satz: Die Arbeit, die alle andere Arbeit möglich macht (The work that makes all other work possible). Es ist wichtig, dass sie auch von echter Unterstützung begleitet wird, die diese Arbeit ermöglicht. Damit sie nicht nur auf Kosten der eigenen Kräfte ausgeführt werden muss.
Die Veröffentlichung dieses Artikels ist Teil von PERSPECTIVES – dem neuen Label für unabhängigen, konstruktiven, multiperspektivischen Journalismus. JÁDU setzt dieses von der EU co-finanzierte Projekt mit sechs weiteren Redaktionen aus Mittelosteuropa unter Federführung des Goethe-Instituts um. >>> Mehr über PERSPECTIVES
Oktober 2025