Unterstützung für die Ukraine in Japan  Yoshis Weg: Von Hiroshima nach Bojarka

Während eines Projekts, bei dem Kinder Stehpaddeln lernen
Während eines Projekts, bei dem Kinder Stehpaddeln lernen Foto: © Boyarka Community Foundation

Als die USA am 6. August 1945 die Atombombe Little Boy auf die japanische Stadt Hiroshima abwarfen, war Yoshi Kigawa drei Jahre und zehn Monate alt. Auf seinem Körper sind noch immer Narben zu sehen – eine Erinnerung daran, dass die Welt eines Menschen innerhalb weniger Sekunden zerstört werden kann. Heute ist Yoshi 84 Jahre alt und lebt immer noch in Japan. Er spielt dreimal pro Woche Tennis, leitet ein Netzwerk englischer Schulen und spendet regelmäßig an die ukrainische Wohltätigkeitsorganisation Boyarka Community Foundation, die in der Nähe von Kyjiw tätig ist.

Von Hiroshima nach Bojarka

Yoshi wurde in Hiroshima geboren und hat die Atombombenexplosion überlebt. „Das ist einer der Hauptgründe, warum ich mir Sorgen um die Ukraine mache und Putin hasse. Er erklärt ja, er könnte Atomwaffen einsetzen“, sagt er. Für ihn ist die Erinnerung an den Krieg nicht nur Geschichte, sondern eine lebendige Erfahrung, die seine Einstellung zur Gegenwart prägt. Daher kam sein Wunsch zu helfen.

Yoshi erzählt, dass es zwei historische Beispiele gibt, die ihn dazu inspirieren, der Ukraine zu helfen: „Ich weiß, dass es während des Zweiten Weltkriegs zwei Japaner gab, die vielen Juden geholfen haben. Einer von ihnen war Chiune Sugihara, ein Diplomat in Litauen. Er stellte Jüdinnen und Juden, die vor dem Völkermord durch die Nazis fliehen wollten, Transitvisa für die Reise durch Russland nach Japan aus. Man sagt, dass Sugihara das Leben von sechstausend Menschen gerettet hat. Ein weiterer war General Kiichiro Higuchi, der jüdischen Geflüchteten half, die aus Sibirien in die Mandschurei an der Grenze zur Stadt Otpor [heute Sabaikalsk , Anm. d. Red.] geflohen waren. Die genaue Zahl der Geflüchteten, denen er half, ist unbekannt. Schätzungen zufolge waren es zwischen 5.000 und 20.000 Menschen. Sie landeten in Kobe und reisten in die USA und andere Länder des amerikanischen Kontinents.“
Yoshi Kigawa

Yoshi Kigawa | Foto: © Boyarka Community Foundation

Yoshis ehemalige Mitarbeiter*innen Nadiya Rachkova und ihr Ehemann Jonathan Avants, die in seinem Schulnetzwerk arbeiteten, erzählten ihm von der Ukraine. Nadiya ist mit Maria Kyrylenko aus dem Vorstand der Boyarka Community Foundation befreundet. Durch sie erfuhr der Japaner von Bojarka. Zunächst schickte er selbst Geld. Dann schlossen sich ihm Studierende, Kolleg*innen und Freund*innen aus dem Tennisclub in Japan an. So entstand im Jahr 2024 die Initiative Japanese Friends Foundation (Japanische Freunde der Bojarka-Gemeinde) – ein separates Wohltätigkeitsprogramm innerhalb des Fonds der Bojarka-Gemeinde.

Ukrainische Kinder – ein weltweites Gut

Über die Boyarka Community Foundation unterstützen Yoshi und seine Freund*innen vor allem Projekte, die sich dem geistigen und körperlichen Wohlbefinden von Kindern widmen: „Körperliche Betätigung kann dabei helfen, sich für eine Weile von der schweren Realität abzulenken. Es gibt Menschen, die der Boyarka Community Foundation aufrichtig dankbar sind für das, was sie für Kinder tun. Ukrainische Kinder gehören nicht nur der Ukraine, sie sind Kinder der ganzen Welt, ein weltweites Gut. Man kann sagen, dass Sie unseren Kindern auf der ganzen Welt helfen“, so der 84-Jährige.

Yoshi Kigawa begleitet alle Projekte, die zur Finanzierung eingereicht werden, und entscheidet mit, welche davon ausgewählt werden. Insgesamt hat der Japanese Friends Foundation in den Jahren 2022–2025 13 Projekte finanziert.

„Wir sind sehr stolz auf die Zusammenarbeit mit einem so einzigartigen und bescheidenen Menschen wie Herrn Kigawa. Wenn es mehr solche Menschen gäbe, wäre die Welt sicherlich ein besserer Ort. Wir haben einen nach ihm benannten Fonds gegründet, aber er war strikt dagegen. Deshalb haben wir das Wohltätigkeitsprogramm auf seinen Wunsch hin in ‚Japanese Friends Foundation‘ umbenannt. Die Bewohner*innen der Gemeinde Bojarka leben wie andere Ukrainer*innen unter ständigem Stress. Seit Beginn der groß angelegten Invasion Russlands haben die Bewohner*innen unserer Region etwa zweitausend Luftalarme erlebt und in diesem Jahr 441 Luftangriffe. Ist unter diesen Umständen eine glückliche Kindheit möglich? Auf den ersten Blick scheint dies nicht möglich zu sein. Aber wenn man darüber nachdenkt, bestehen unsere eigenen Kindheitserinnerungen aus bruchstückhaften Bildern – positiven und negativen, lebhaften und bedrückenden, angenehmen und weniger angenehmen. Und gerade dann, wenn die positiven Erinnerungen die negativen überwiegen, erinnern wir uns an unsere Kindheit als glücklich. Deshalb ist es unserem Team wichtig, dass Projekte für Kinder einerseits einen konkreten Nutzen für die Gegenwart haben, ihnen aber vor allem unvergessliche, lebendige Erinnerungen für ihr ganzes Leben schenken. Und dann werden sie als Erwachsene sagen: ‚Ich habe den Krieg erlebt, aber trotz allem hatte ich eine glückliche Kindheit‘“, sagt Maria Kyrylenko, Leiterin des Wohltätigkeitsprogramms Japanese Friends Foundation der Boyarka Community. Maria zufolge wurden allein im Jahr 2025 fünf Projekte mit japanischen Mitteln finanziert. Dazu zählt eine Initiative, im Rahmen derer Sandtherapiegeräte für Kinder mit besonderen Bildungsbedürfnissen angeschafft wurden. Drei weitere Initiativen hatten einen sportlich-gesundheitlichen Schwerpunkt: Paddleboardkurse, in denen Kinder Stehpaddeln lernen, ein Tischtennisprojekt sowie Reitstunden für Kinder aus Familien von Vertriebenen. „Während des Krieges sind solche Veranstaltungen besonders wertvoll, denn sie schenken den Kindern Freude, Ruhe und das Gefühl einer unbeschwerten Kindheit“, sagt eine Mutter, deren Kind an den Floßfahrten teilgenommen hat. „Mein Sohn stand zum ersten Mal auf einem solchen Paddleboard – und das war für ihn ein echtes Abenteuer. Er kam glücklich nach Hause, mit leuchtenden Augen vor Aufregung, und erzählte den ganzen Abend von seinen Erlebnissen. Es war nicht nur ein Tag am Wasser, sondern ein Moment, in dem mein Kind Mut und Vertrauen in die eigenen Kräfte entdeckt hat“, fügt eine andere Mutter hinzu.

Tennis als Ritual, das geistig fit hält

Yoshi Kigawa empfiehlt nicht nur Kindern, aktiv zu sein, sondern treibt selbst regelmäßig Sport. „Ich spiele mindestens dreimal pro Woche Tennis. Das überzeugt mich davon, dass ich noch nicht alt bin“, scherzt er. Er betrachtet Tennis nicht nur als Sport, sondern auch als eine Möglichkeit, lebendig und aufgeschlossen zu bleiben. Außerdem hilft er immer noch seinem Sohn, die Leitung des Unternehmens zu übernehmen. „Ich möchte gesund bleiben, weil ich noch etwas tun möchte, um Menschen zu helfen, bevor ich sterbe. Ich habe nicht mehr viele Jahre, um meine Dankbarkeit für all das Gute in meinem Leben auszudrücken. Ich selbst bin kein besonders religiöser Mensch. Aber ich glaube, dass ich zu den gesegnetsten Menschen gehöre. Ich hatte eine sehr gute Familie, Freunde, Gesundheit und Bildung. Ich hatte das große Glück, wunderbare Menschen wie die Mitglieder der Boyarka Community kennenzulernen, und ich bin auch glücklich, dass sie dankbar für das sind, was ich tue“, sagt Yoshi.

„Ich glaube, dass 99 Prozent der Japaner*innen die Ukraine unterstützen, mit Ausnahme von einem Prozent fanatischer Kommunisten. Wir erhalten täglich Nachrichten über die Ukraine. Ich selbst schaue mir mindestens dreimal am Tag die Nachrichten über die Ukraine an“, erzählt Yoshi.

Über die Ukrainer*innen spricht er mit großem Respekt: „Ich habe kein Recht, Ihnen, die Sie mutig und stark genug sind, um die Unabhängigkeit Ihres Landes zu bewahren, Ratschläge zu geben. Ich möchte nur mein Mitgefühl für diejenigen zum Ausdruck bringen, die verletzt wurden und ihre Angehörigen verloren haben.“

Yoshi glaubt, dass die Ukraine die russische Armee besiegen wird, und ist überzeugt, dass es Gerechtigkeit geben wird. Sieht er Parallelen zwischen dem Wiederaufbau Japans nach den Atombomben und dem heutigen Wiederaufbau der Ukraine? „Es ist sehr schwer, ein ganzes Land wieder aufzubauen. Aber es ist nicht unmöglich. Es kann mehrere Jahre dauern, aber ihr werdet es auf jeden Fall schaffen.“
 

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