Fehler im System
Das Peter-Prinzip

Das Peter-Prinzip © Laura Laakso

Wie ist es möglich, fragte sich der junge kanadische Lehrer Laurence J. Peter Mitte der 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts, dass man in seinem Berufsleben auf so viele inkompetente Beschäftigte trifft? Wo liegen die Fehler im System? Seine Forschungen veröffentlichte er in seinem nicht immer ganz ernst gemeinten Buch „Das Peter-Prinzip“. Wir werfen hier einen kritischen Blick auf dieses zunächst schlüssig erscheinende Prinzip. Taugt es tatsächlich dazu, Ineffizienzen am Arbeitsmarkt zu erklären, oder ist es doch mehr das, als was es ursprünglich mal gedacht war – ein Spaß?

Michael Krell

Wer kennt sie nicht – unfähige Beschäftigte? Wenn man einmal die Subjektivität dieser Einschätzung außer Acht lässt und auch die Frage, ob die vorliegenden Informationen überhaupt dazu ausreichen, ein solches Urteil zu fällen – es ist wohl unbestritten, dass unberechtigte Beförderungen vorkommen. Streng hierarchische Unternehmensmodelle haben eben ihre Tücken. Laurence J. Peter, in den 60er Jahren Professor an der University of Southern California, interessierte sich für Hierarchien und begann, wenn auch eher anekdotisch als streng wissenschaftlich, sie zu erforschen. Diese neue Forschungsdisziplin nannte er trefflich „Hierarchologie“.
 

„In einer Hierarchie besteht die Tendenz, dass jeder Beschäftigte zu seinem Niveau der Unfähigkeit aufsteigt.“

Laurence J. Peter

Laurence J. Peter Laurence J. Peter | © Toronto Star Das zentrale Problem wissenschaftlicher Modelle sind sehr häufig die ihnen vorangestellten Grundannahmen, welche die Realität so stark vereinfachen, dass es ist, als würde ein Architekt die Prinzipien der Statik an einem Lego-Haus erlernen. Das ist bei der Hierarchologie und ihrer zentralen These, dem 1969 gemeinsam mit Raymond Hull in einem gleichnamigen Buch veröffentlichten Peter-Prinzip nicht anders, das den Karriereweg als eine lineare Kette betrachtet: Wenn eine Person ihre Arbeit gut erledigt, so Peter, wird sie irgendwann auf die in der Unternehmenshierarchie nächsthöhere Position befördert. Wenn sie diese wieder erfolgreich meistert, steht wieder eine Beförderung an. Und so weiter. Bis die Aufgabe zu schwierig wird. Dann schafft die oder der Beschäftigte den Job nicht mehr, die Beförderung bleibt aus.  Der Kern dieses Modelles liegt in der Annahme, dass jede*r Beschäftigte solange befördert wird, bis er oder sie einen nicht mehr zu überwindenden Grad der Überforderung erreicht. Da Mittelmäßigkeit meistens keinen Grund zur Entlassung darstellt, verbleibt die Person auf einer Position, mit der sie gerade eben überfordert ist. Klingt logisch, aber, wie gesagt, ein wenig einfach.

Welt der Entscheider und Lenker

Zur Veranschaulichung stellt Peter, neben einigen anderen Beispielen, den Lehrer B. Lunt vor. Der junge Mann war ein mustergültiger Student gewesen, und ein talentierter und intellektuell kompetenter Lehrer. Bald schon durfte er sich Schulleiter nennen. Da es sich hier um ein Beispiel handelt, folgt natürlich sofort das vom Peter-Prinzip vorausgesagte Desaster. Der frischgebackene Schulleiter schafft es nicht in der neuen Position. Herr Lunt findet sich in der bürokratischen Welt der Entscheider*innen und Lenker*innen nicht zurecht, ihm fehlt die Finesse und das strategische Geschick. Dabei ist die Aufgabe des Schulleiters nicht unbedingt schwieriger als die eines Lehrers (auch das Gegenteil ließe sich gut begründen) – sie ist einfach anders. Als Schulleiter*in muss man politisches Geschick an den Tag legen. Man muss einen viel längeren Planungshorizont haben und weniger Geduld haben und die Menschen, mit denen man zu tun hat, wissen schon alles und wollen auf keinen Fall etwas dazulernen. Wenn man es sich genau überlegt, ist ein*e Schulleiter*in eine Art Anti-Lehrer*in.

Eine Art Anfängerkurs

Kehren wir zurück zu den Voraussetzungen des Modells. Peter geht davon aus, dass alle Unternehmen eine Pyramidenform haben, also mit steigender Hierarchieebene die Anzahl der Positionsinhaber*innen sinkt. Alle Posten sind in seinem Modell genau definiert und die mit ihnen verbundenen Aufgaben unveränderlich und außerdem sind die Tätigkeiten des einen Postens ganz unterschiedlich von denen des nächsthöheren Postens. Dabei wird klar – in der heutigen Arbeitswelt sind solche extremen Voraussetzungen nur äußerst selten erfüllt. In den meisten Unternehmen ist es durchaus hilfreich, die Aufgabenbereiche der unteren Hierarchiestufen zu beherrschen, und das lineare, stetige Aufsteigen in einer Unternehmung ist heute viel seltener als vor 60 Jahren. Die Menschen wechseln viel öfter die Arbeitsstelle, beginnen etwas Neues und vor allem – sie sind in der Lage zu lernen. Da liegt der Kern des Fehlers im Peter-Prinzip – Menschen sind in der Lage zu lernen. Sie passen sich an die neue Situation an. Oder besser noch, sie passen ihre Position an ihre eigenen Fähigkeiten an.
 
Aber warum sollte man sich dann heute noch mit dem Peter-Prinzip beschäftigen? Man kann es als einen Einstieg in ein komplexes Thema betrachten, eine Art Anfängerkurs. Die Fehler im System gibt es nach wie vor, aber wer weiß, vielleicht schuldet die heutige Arbeitswelt den schlauen Betrachtungen von Laurence J. Peter doch einigen Dank. Denn das, was Peter vor fast 60 Jahren beschrieb, gibt es in der Form heute noch nicht mal mehr im öffentlichen Dienst.
 

Weitere Gründe für ungerechtfertigte Beförderungen

 

Glücklicherweise hält Laurence Peter einen ganzen Strauß an Sonderfällen bereit, um sein Prinzip auf noch mehr Fälle anwendbar zu machen. Am interessantesten sind die Fälle, in denen sogar in der aktuellen Position inkompetente Beschäftigte befördert werden.
 
Die geräuschlose Sublimierung ist eine Art Motivation für alle anderen. Die Beförderung eines*r Inkompetenten soll bei anderen die Hoffnung wecken, dass sie auch irgendwann befördert werden.
 
Peters Inversion. Die Beförderung der unfähigen Person hängt in diesem Fall von ihrer starren Einhaltung von Regeln ab. Dabei wird der Sinn der Regel ad absurdum geführt. Eigentlich wurden sie gemacht, um die Produktivität zu heben. Aber in diesem praxisnahen Fall wird die Einhaltung der Regel wichtiger als die Produktivität, die zudem noch unter der starren bürokratischen Regelwut leidet.
 
In der Seitlichen Arabeske wird jemand befördert, um sie oder ihn aus dem Weg zu schaffen. Durch Schaffen einer gut klingenden Position wird die unfähige Person von der Position entfernt, in der sie Schaden anrichten könnte.


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