Mirath:Music – Zaid Hilal  Ambience of Palestine

Zaid Hilal – Cover Ambience of Palestine
Zaid Hilal – Cover Ambience of Palestine © Zaid Hilal

In diesem Stück stellt Zaid Hilal seinen Eindruck des heutigen Palästinas klanglich dar, indem er sein Publikum durch die Straßen Bethlehems und Ramallahs führt und sie dabei die Geräusche der Kirchenglocken, Gebetsrufe, des Verkehrs, der Demonstrationen und Gewehrschüsse hören lässt. 

Klänge aus unserer täglichen Realität sind mit tiefverwurzeltem Schmerz aus vergangenen Zeiten verbunden und können Erinnerungen des Lebens und des Todes wachrufen, vor allem auch deshalb, weil viele Palästinenser geliebte Menschen bei Demonstrationen verloren haben. Einer dieser geliebten Menschen war mein Freund Moataz Zawahre, der sein Leben durch eine Kugel verloren hat, die seinen Kopf traf, während er an einer Demonstration vorbei zur Arbeit gehen wollte. Der Klang jüngster Demonstrationen und Proteste hat diese Erinnerungen zurückgebracht und dieses Stück dazu inspiriert, die Gegenwart als eine Reihe reaktiver Erinnerungen an die Vergangenheit zu dokumentieren.” Zaid Hilal

Auf dieser experimentellen Reise nutzt der Künstler verschiedene musikalische Elemente, angefangen mit einem Gemenge aus alltäglichen Klängen, welches er mit einer Vielfalt musikalischer Traditionen verbindet. Die Bayati-Tonart (eine der symbolischsten Tonarten palästinensischer musikalischer Folklore) heißt Hörer mit Gesangsimprovisationen willkommen, die es dem Künstler ermöglichen, seine Gefühle zu vermitteln. Arabische Instrumente wie der Tabla und die Buzuq sind in seinem Stück ebenso zu hören wie westasiatische Rhythmen und Phrasen. 

Das Stück wird von den triggernden Protestklängen, die unsere Geschichte und unsere täglichen Klangerfahrungen durchweben, getragen. Hier ergänzen sich Musik und Klang im Schmiedeprozess kulturellen Erbes. Der Hörer erhält ein akustisches Stück meiner Heimat, das eine bessere Vorstellung des physischen und sozialen Raumes, in dem wir leben, ermöglicht. Gleichzeitig kann es zentrale Erfahrungen wie den Kampf für Gerechtigkeit dokumentieren und wiedergeben. Das Ende des Stückes richtet sich an ein plötzliches Lebensende. Als gemeinschaftliche Erfahrung wird es so Teil unseres geteilten Erbes.” Zaid Hilal

Instrumentierung:  Buzuq, Tabla, Feldaufnahmen, E-Piano, Schlagwerk
Gesang: Zaid Hilal 
Komposition: Zaid Hilal
Originalkomposition/Datum:  July 2021
Musikalische Quelle:  
Text: keine Angabe

Das Warum hinter der Musik

Musik ist ein Werkzeug, das Geschichte in Rhythmen und Verse schreibt, und damit Erbe und Folklore in seine vielfältigen Schichten einbettet. Für mich ist Erbe als Gesamtheit verschiedener Bräuche, gelebter Erfahrungen und Glaubensüberzeugungen ein nationaler Schatz, der wichtige historische Verhaltensweisen reflektiert und überliefert. Deshalb ergänzen sich beide.

Als palästinensischer Musiker der in Palästina lebt, sehe ich, wie durch die israelische Besatzung unser Erbe täglichen Invasionen ausgeliefert ist. Das zeigt sich in kultureller Aneignung und den Änderungen unseres Essens, unserer Mode, Musik, Kunst, unserer patriotischen Symbole und unserer Geschichte. Genau hier sehe ich die Aufgabe der Musik, unsere Geschichte, Identität und unseren Kampf für Gerechtigkeit festzuhalten und zu überliefern. Musik und Kunst werden Medien, die ich nutze, um diesen äußeren Angriffen auf unser Dasein, unsere Gegenwart und unser Erbe etwas entgegen zu setzen.

Das Mirath:Music Projekt hat gezeigt, dass der Zugriff auf unser Erbe und dessen ordentliche Dokumentation und Archivierung herausfordernd ist. Aufgrund einer Folge von Kolonisierungen und fortdauernden Bemühungen, unsere Geschichte auszuradieren, haben wir nicht ein einziges einheitliches palästinensisches Archiv. Was auch immer nach der israelischen Plünderung und den schonungslosen Angriffen übriggeblieben ist, ist heute entweder zwischen einer Vielzahl verschiedener Institutionen und Organisationen in verschiedenen Ländern oder zwischen Einzelpersonen verstreut, die dieses Erbe nicht immer zugänglich machen wollen.

Musik hilft mir dabei, auszudrücken, was ich fühle und was ich durchlebe. Gleichzeitig versetzt sie mich in die Lage, die Geschichten zu erzählen, die ich aus der Vergangenheit hervorhole, und sie so als gelebte Erfahrungen auf eine Art und Weise zu teilen, die Hörern zugänglich gemacht werden kann.