Interview „Die Magie des Waldes nährt und leitet“
Zwei indigene Künstlerinnen – Sunná Máret aus Sápmi und Renata Tupinambá aus Brasilien – berichten von ihrer gemeinsamen Residenz im Rahmen des Projekts „Kosmoperzeptionen des Waldes“. Im Gespräch teilen sie persönliche Eindrücke, kulturelle Verbindungen und die Kraft gemeinsamer Naturerfahrungen.
Können Sie beide kurz etwas von sich erzählen?Renata: Ich komme aus Rio de Janeiro, bin Drehbuchautorin, Journalistin, Kuratorin und Multikünstlerin. Ich arbeite viel mit anderen indigenen Künstler*innen zusammen, insbesondere mit Musiker*innen. Ich liebe es, gemeinsam mit ihnen Klänge zu schaffen, die verschiedene Kulturen miteinander verschmelzen.
Sunná: Ich bin Künstlerin, Kuratorin, Geschichtenerzählerin und DJane und komme aus Anár, Sápmi. Meine Arbeit ist inspiriert von der Kraft meiner Großmütter, dem magischen Realismus und der Untergrundkultur. Ich empfinde das alltägliche Leben selbst als Kunst in einer hektischen, chaotischen Welt.
Was war Ihnen bei dieser Begegnungsresidenz wichtig?
Sunná: Ich möchte einen Ort schaffen, an dem Menschen von Land und Natur lernen und ihnen auch etwas zurückgeben können und habe die Residenz in Sápmi gezielt für den Austausch zwischen Indigenen entwickelt. Ich war noch nie im Amazonasgebiet, aber ich habe das Gefühl, was uns verbindet, ist das Wasser und die Flüsse. Als ich Renata bei mir zu Hause im Rahmen der Residenz aufnahm, wurde mir bewusst, wie wichtig die Unterstützung durch eine Gemeinschaft ist. Ich habe Leute im Dorf angerufen, um Winterkleidung auszuleihen. Meine Cousine erzählte uns, wie sie die mündliche Tradition in der Familie wiederbelebt hat. Meine Partnerin half, Ausflüge in den Wald zu organisieren, und hat gedolmetscht.
Was waren die schönsten Momente?
Sunná: Jeden Tag saßen wir gemeinsam am Küchentisch, um uns zu unterhalten und gegenseitig kennenzulernen. Renata hatte zwei Maracas – Rasseln – mitgebracht und wollte mir von deren Bedeutung erzählen. Für mich war das ein magischer Moment, denn nur eine Woche zuvor hatte ich in einem Pappkarton, in dem ich Material für mein Kunsthandwerk aufbewahre, eine Maracas aus meiner Kindheit gefunden. Ich fragte mich, ob ich sie wohl jemals brauchen werde – und eine Woche später hatte ich die Antwort. So wusste ich, dass Renata und mich etwas miteinander verband, noch bevor wir uns physisch getroffen hatten.
Renata: Als ich mit Sunná im Wald traditionelle samische Lieder hörte, begriff ich, dass die Wälder, auch wenn sie weit vom Atlantik und vom arktischen Ozean entfernt sind, näher und verbundener sind, als ich dachte. Es geht um das Leben, das viele andere Leben erhält – die Natur.
Was nehmen Sie von der Residenz mit?
Renata: Ein Teil von mir hört noch immer die Stimmen des Nordens, das Rauschen des Wassers im Land der Sami und die Weisheit von Sunná. Die Magie des Waldes nährt und leitet diejenigen, die fühlen und sehen können. Die Kraft unserer mündlichen Traditionen hallt nach.
Sunná und Renata bei der Arbeit | Foto: privat
Projektinformation: Kosmoperzeptionen des Waldes - Goethe-Institut Brasilien