24. Februar 2022 Nichts hatte sich geändert, und doch war alles anders

Zwei Männer genießen die Sonne im Piedmont Park in Atlanta, USA, 19. April 2022.
Zwei Männer genießen die Sonne im Piedmont Park in Atlanta, USA, 19. April 2022. | Foto (Detail): Camilo Freedman/SOPA Images © picture alliance / ZUMAPRESS.com

Die Autorin Chika Unigwe mag ihren geregelten Alltag. Sie weiß gern, was als nächstes passiert. Aber plötzlich änderte sich alles, und wer weiß, ob die Welt nach der russischen Invasion der Ukraine am 24. Februar 2022 je wieder dieselbe sein wird.

Mein Wochenende beginnt am Donnerstag: keine Lehre, keine Noten machen. Ich bleibe länger im Bett liegen, zusammengerollt wie eine Katze, rufe Alexa zu, sie solle zuerst etwas Musik spielen und dann die Nachrichten. Und dann mache ich mir einen starken Kaffee und begebe mich auf die Fahrt von Milledgeville, wo ich unter der Woche unterrichte und wohne, nach Atlanta.

In der Hinsicht bin ich langweilig: bei mir muss alles seinen gewohnten Gang gehen. So gern ich andere auch überrasche, ich selbst mag keine Überraschungen. Gewissheit bedeutet für mich Geborgenheit. Freitags gehe ich mit meinem Mann J brunchen, links und rechts von ihm Pepper und Ledger, die schwanzwedelnd mit Erdnussbutter-Sandwiches gefüttert werden. Ich verlasse das Haus an manchen Samstagen und den meisten Sonntagen, gehe in die Kirche und besuche dann meine Mutter, die bei meiner Schwester lebt. Das alles variiert sehr wenig. Als die Pandemie Einzug hielt und wir nicht ausgehen konnten, hielt mich die Tatsache, dass ich – wenn auch nur über ZOOM – eine feste Routine hatte, vom Durchdrehen ab. Am letzten Wochenende, das ich zu Hause verbrachte, hatte ich Besuch von einer Freundin aus Nigeria.

Beim Abendessen in einem schicken Restaurant in Atlanta, in dem wir so taten, als sei die Welt wieder im Lot, diskutierten wir, dass Putin zwar verrückt sein mochte, aber nicht so verrückt. Er würde nicht in die Ukraine einmarschieren. Meine Stimme klang selbstbewusst und sicher. Ich war so sicher, weil ich was dazu gelesen hatte und Google uns alle zu Expert*innen macht. Ich war sicher, weil ich diese Sicherheit brauchte. Die Ukraine ist gar nicht so weit von Nigeria weg. Natürlich nicht geografisch gesehen. Die Tochter einer Freundin war dort zur Schule gegangen. Es gibt in der Ukraine viele nigerianische Studierende – insbesondere Medizinstudent*innen. Und außerdem war die Pandemie schon schlimm genug gewesen.

„Alexa, schalte NPR ein“, und das tat sie. Putin war so verrückt. Ich erinnere mich nicht, ob ich mir je meinen Kaffee machte, aber ich erinnere mich, dass die Straßen, die ich entlangfuhr, dieselben waren. Im Radio wurde berichtet, dass Kyle Rittenhouse, der 2020 bei den Protesten von Kenosha zwei Männer getötet hatte und freigesprochen wurde, vorhatte, Präsident Biden zu verklagen – weil der ihn als „white supremacist“ bezeichnet hatte; LeBron James – weil der sich über ihn lustig gemacht hatte; Whoopi Goldberg, für was auch immer ihm sein Anspruchsdenken sonst noch versichert hatte, dass es eine Klage wert sei. Daheim kamen Pepper und Ledger mit wedelnden Schwänzen angelaufen, um mich zu begrüßen, als ich das Haus betrat. Nichts hatte sich geändert, und doch war alles anders.