Urbane Kunst
Die Transformation der Städte

„Rooms“ von ZOER aka Frédéric Battle wurde beim City Leaks Festival 2019 in Köln kreiert.
„Rooms“ von ZOER aka Frédéric Battle wurde beim City Leaks Festival 2019 in Köln kreiert. | Foto (Detail): © Florian Yeh/CityLeaks

Kunst im urbanen Raum ist weit mehr als bunte Wände: Sie ist auch ein zentrales Element sozialen Wandels. Zwei Streetart-Projekte in Köln und Düsseldorf setzen sich für mehr Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt ein.
 

Von Johannes Zeller

Spaziert man durch den Kölner Stadtteil Ehrenfeld, sind die kunstvollen Graffitis kaum zu übersehen, die ganze Hausfassaden in überlebensgroße Kunstwerke verwandelt haben. Über mehrere Stockwerke ziehen sich die Gemälde: Von einer Fassade schaut ein mexikanischer Mais-Mensch auf die Passant*innen herab, anderswo hängt ein gehäuteter Hase vom Dach, ein paar Straßenzüge weiter rollt ein Panzer voller Spielzeug „Made-in-China“ einem Mann mit Fair-Trade-Tüten entgegen. Die Motive reichen von fantastisch bis gesellschaftskritisch, von ernst bis skurril.

Die zahlreichen Wandgemälde internationaler Künstler*innen sind längst zum Markenzeichen des Viertels geworden, haben sie doch graue Straßenzüge in eine urbane Kunstgalerie verwandelt. Und nicht nur hier sind sie zu finden – über die ganze Stadt verteilt sind fensterlose Wände zu riesigen Gemälden geworden, die aus dem Stadtbild schon nicht mehr wegzudenken wären. Zuzuschreiben ist diese Verwandlung vor allem dem CityLeaks Urban Art Festival, das seit 2011 alle zwei Jahre die Straßen Kölns in ein internationales Forum für urbane Kunst verwandelt und jedes Mal einen nachhaltigen Eindruck im Stadtbild hinterlässt.

Noch dichter und nicht minder kunstvoll ist die Bemalung in der Düsseldorfer Kiefernstraße, dem wohl bekanntesten Streetart-Spot der Stadt. Der Straßenzug ist gesäumt von kunstvoll gestalteten Hausfassaden, Mauerbemalungen und bunten Tags. Auch hier hat Kunst das Stadtbild so verändert, dass es dem Ort einen neuen Charakter gibt – und auch hier hat ein Kunst-Festival dazu beigetragen. Beim 40grad Urban Art Festival bringen junge Streetart-Künstler*innen in öffentlichen Malaktionen ihre Vorstellungen zum Ausdruck. Nicht nur, aber auch, in der Kiefernstraße.

Kunstwerke anstelle grauer Fassaden

Mit Graffiti, Street-Performance, Installationen und anderen Modifikationen des städtischen Alltags beeinflussen Künstler*innen, wie wir Städte erleben. Ihre Werke beziehen Position und verändern mitunter sogar soziale Realitäten. Wie Georg Barringhaus vom Kölner CityLeaks veranschaulicht, ist dieser vereinende und transformierende Charakter von Kunst auch die treibende Kraft hinter dem Festival: „Urbane Kunst macht städtische Räume zugänglich“, so der künstlerische Leiter. Kunst mache Unsichtbares sichtbar und verbinde Menschen unabhängig von Herkunft, Status oder Milieu miteinander.

Organisiert wird CityLeaks vom artrmx e.V. in Kooperation mit Künstler*innen, Forscher*innen und Nachbar*innen. Zusammen veranstalten sie Ausstellungen, Interventionen, Führungen und Publikationen. Besucher*innen können sich zudem auf der CityLeaks Website über den Standtort einzelner Kunstwerke informieren und diese auf einer Erkundungstour besichtigen. Somit ist zugleich ein neues Freizeitangebot entstanden, das zuvor teils kaum beachtete Winkel der Stadt zu einladenden Orten gemacht hat.

Einen ähnlichen Zugang zur Umgestaltung des öffentlichen Raums verfolgt auch das 40grad Urban Art Festival in Düsseldorf, das besonders junge Künstler*innen und Jugendliche einbindet. In koordinierten Malaktionen erschaffen sie alle zwei Jahre im ganzen Stadtgebiet neue Graffitis und haben so seit 2013 unzählige Grauflächen in ganz Düsseldorf in eindrucksvolle Kunstwerke verwandelt. Organisiert wird 40grad Urban Art von engagierten Düsseldorfer*innen in Kooperation mit mehreren Kinder- und Jugendorganisationen. Gemeinsam setzen sie sich aktiv dafür ein, dass jungen Menschen mehr Teilhabe an der Stadtgestaltung zukommt.

Urbane Kunst als Gegenstand von Diskurs und Forschung

Bei all den Implikationen, die urbane Kunst für die Entwicklung von städtischen Räumen hat – und somit auch für das alltägliche Leben der Menschen – ist sie ein auch Gegenstand für wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs. Speziell dafür veranstaltete das CityLeaks Festival einen Kongress für Diskurse über Stadtentwicklung, der zur Geburtsstunde der CityLeaks Akademie wurde. Auf der interdisziplinären Plattform für Stadtforschung kommen Künstler*innen, Forscher*innen und die Öffentlichkeit zusammen, um die Stadt gemeinsam neu zu denken und zu gestalten.

„Was hält eine Stadt am Leben und macht sie vor allem lebenswert?“ – mit dieser und anderen Themen setze sich die Diskurs-Plattform auseinander, so Festivalleiterin Margrit Miebach. „Wie und wo zeigt sich ihre Vielfalt und wie lässt sich diese erhalten? In welcher Art und Weise lässt sich das Recht auf Stadt gemeinsam einfordern und beanspruchen?“

All diese Fragen drängen sich auf, wenn man sich Gedanken um die Gegenwart und Zukunft der Städte macht. Es sind gerade die offenen Räume, wie Parks, Plätze, Uferpromenaden oder Straßen, in denen sich die Widersprüche, Interessen und Bedürfnisse einer Stadtgesellschaft zeigen. Urbane Kunst kann Impulse setzen, um die städtischen Strukturen zu hinterfragen, zu kommentieren und neu zu erfinden.

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