Theater, performative Konferenz
Ulrikes Nacht oder das historische Subjekt

Nocturno de Ulrike / La Columna Durruti / 2022
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La Columna Durruti (Maricel Alvarez y Emilio García Wehbi)

Teatro Pradillo

Zum 40. Festival de Otoño [Herbstfestival] in Madrid, ist La Columna Durruti mit einer Produktion rund um die Figur Ulrike Meinhof im Programm. 

"Orilla abierta" ist ein Teilprogramm des diesjährigen Madrider Herbstfestivals, in dem sich alle iberoamerikanischen Vorstellungen sammeln. Eine Reihe, um die immer intensiver werdenden Verbindungen zwischen Spanien, Lateinamerika und der Welt unterstreicht und die grundlegende Bedeutung für das Festivals selbst darlegt. In dieser Ausgabe sind mit dabei: Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, die Dominikanische Republik und Uruguay. 
Orilla abierta heißt übersetzt Offenes Ufer - offen wie Türen aber auch wie offene Brüche und Identitäten. Offen auch hinsichtlich der Bereitschaft zur Begegnung. In allen Veranstaltungen  werden anhand des Körpers, der Worte und der Objekte Themen untersucht wie z.B. der Extraktivismus von Territorien und Körpern, Gender und dissidente KÖrper, Gewalt, Erinnerung und Trauer, aber  auch die Möglichkeit in der  Lage zu sein weiter zu leben.... [Alberto Conejero, Künstlerischer Leiter des Festival de Otoño]


Die Gründer des Ensembles, die Argentinier Maricel Alvarez und Emilio García Wehbi, nehmen für die Produktion den spanischen Künstler, Aktivisten und Kulturkritiker Marcelo Expósito mit ins Boot. Es entsteht ein Diptychon, dessen Dreh- und Angelpunkt die polemische Figur der Journalistin und Anführerin der RAF ist. Die Rede ist von Ulrike Marie Meinhof, die uns als Journalistin vor allem durch ihre Artikel in der Zeitschrift Konkret in Erinnerung gebleiben ist. Eine militante Kriegsgegnerin, die 1970 untertaucht und ihre Familie für immer verließ, um sich an verschiedenen terroristischen Aktionen zu beteiligen. In ihren prägnanten Texten zeigte sie die autoritären Züge der Sozialdemokratie in der BRD auf und bezeichnet die Entnazifizierung nur als oberflächlichen Prozess. Der bewaffnete Kampf brachte sie ins Gefängnis, wo sie länger als 200 Tage in einer weißen Zelle ohne Belüftung, Tag und Nach mit weißem Licht, schallisoliert und ohne Kontakt zur Außenwelt, festgehalten wurde - Bezeichnung von Amnesty International: "weiße Folter". Dort wurde sie im Mai 1976 erhängt aufgefunden, bis heute bestehen Zweifel an der Todesursache.
Vor diesem Hintergrund werden wir sehen was La Columna Durruti uns bietet!
 
Idee und Besetzung: Maricel Alvarez, Marcelo Expósito, Emilio García Wehbi
Video-, künstlerische und Produktionsassistenz: Martín Antuña
Regie: Emilio García Wehbi

Eine Ko-Produktion von: La Columna Durruti, FIT (Festival Iberoamericano de Teatro de Cádiz), Internationales Festival  Buenos Aires und der Stiftung Teatro a Mil.
Produktionsunterstützung: Festival de Otoño, Madrid und Goethe-Institut Madrid

Geplante Präsentationen: Festival Iberoamericano de Cádiz 2022, Festival de Otoño de Madrid 2022, XV MITIN Sevilla (2022), FIBA und Festival Internacional Teatro a Mil (2023).

Warum Diptychon? Das Stück wird in zwei Teilen präsentiert. Einen ersten eher fiktiven Teil, Ulrikes Nacht, in dem das Gespenst der Journalistin verkörpert durch Maricel Alvarez, die Rückgabe Ihres Gehirns fordert, das ohne Zustimmung der Angehörigen entfernt wurde um es der neurologischen Gerichtsmedizin als Untersuchungsobjekt eines "so gewalttätigen Verhaltens" zur Verfügung zu stellen. Reine Geisterkunde. Gleichzeitig erhebt die Figur eine Hetzrede gegen Gott, um Gott zur Offenbarung zu zwingen. Reiner  jüdischer Mystizsmus. All das geschieht in der Performance, bei der die Schauspielerin auf der Bühne mit einer Axt auf einen riesigen Baumstamm einschlägt, die bildliche Darstellung der Gewalt, die Ulrike in ihrer Zeit bei RAF ausgeübt hat (Laut Erzählungen wohl auch schon vorher, man hört, dass sie vor ihrem Untertauchen all ihre Möbel in ihrer Wohnung zerstört hat). 
Der zweite Teil, mit dem Titel "historisches Subjekt" ist weniger repräsentativ. Es erscheinen Marcelo Expósito und Emilio García Wehbi auf der Bühne, die das lange transozeanische Gespräch von 2021 dekonstruieren. Was ist das historische Subjekt der Gegenwart? Kann man heute noch von einem historischen Subjekt sprechen? Zu Beginn erwecken sie das Gespenst der 60er und 70er Jahre, die den Tod der Modern bescheinigen um dann überzugehen in eine Video-Collage um über eine andere Zeit zu sprechen, die Gegenwart, die unter dem Paradigma der visuellen Kultur begraben lebt. Dieses Durcheinander wird die Geister der Vergangenheit heraufbeschwören, die versuchen durch Risse im System an die Oberfläche zu schlüpfen - eine utopische Möglichkeit, die Gegenwart, in der wir leben als würdiges historisches Subjekt zu erleben und nicht als einfachen Algorithmus einer merkantilen Gleichung, die wir nicht einmal verstehen... Eine mühsame und sehr leidenschaftliche Aufgabe!

Details

Teatro Pradillo

Calle Pradillo, 12
28002 Madrid

Sprache: Spanisch
Land: Argentinien

913 913 951 rosa.fiel@goethe.de

Dauer: noch festzulegen