Bibliothek der Philosophischen Fakultät in Zagreb
Offen in der Bibliothek

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©Irena Jukić Pranjić

Wir wollten wissen, wie Bibliothekare durch ihre Arbeit einen Beitrag zu Commons leisten können und haben zu diesem Thema Marijana Glavica und Iva Melinščak Zlodi, die Mitarbeiterinnen der Bibliothek der Philosophischen Fakultät in Zagreb zum Gespräch eingeladen. Marijana Glavica befasst sich mit der Einführung und Instandhaltung der integrierten Bibliothekssoftware Koha, während Iva Melinščak Zlodi an der Einführung des Repositoriums und der Open-Access-Bücher-Plattform FF Open Press, aber auch zweier wichtiger Komponenten der kroatischen Infrastruktur für Offene Wissenschaft teilgenommen hat: des Portals Hrčak und des Systems digitaler Repositorien DABAR.

 

Software – besser kostenpflichtig oder kostenfrei nutzen?

Koha ist eine kostenlose Bibliothekssoftware, die nur in wenigen Bibliotheken Kroatiens verwendet wird. Vorwiegend benutzt man kostenpflichtige Programme! Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür?

Koha ist eine freie Software. Das bedeutet, dass die Benutzerlizenz für diese Software nicht bezahlt werden muss. Es ist nützlich, die Begriffe kostenlos und frei voneinander zu unterscheiden. Eine freie Software kann man kostenlos starten, kopieren, distribuieren, studieren und ändern. Wenn aber eine Organisation die freie Software für einen bestimmten Zweck verwendet, dann ist die Benutzung der Software nicht kostenlos. Denn Zeit und Wissen, die für die Implementierung und Instandhaltung der Software benötigt werden, haben ihren Preis. Diese Zeit und dieses Wissen können in der Organisation selbst verfügbar sein, sodass die Kosten dafür als Arbeitskosten der Beschäftigten dargestellt werden können, aber in den meisten Fällen wird diese Leistung extern gekauft. Eine wichtige Besonderheit der freien Software liegt darin, dass sich die Gesamtkosten nur auf die Unterstützung, Anpassung und Entwicklung der Software beziehen, nicht aber auf die Lizenzen, wie es bei der geschlossenen Software der Fall ist (Closed-Source-Software).
Der Hauptvorteil der freien Software liegt nicht in ihrem Preis, sondern in der Art und Weise, wie sie entwickelt und benutzt wird. Eine erfolgreiche freie Software, wie eben Koha, versammelt eine Community um sich, die an der Softwareentwicklung beteiligt ist, Regeln aufstellt und überwacht, welche eine nachhaltige Nutzung einer gemeinsamen Software ermöglichen. In Ihrem Beitrag zu den Commons sind die Beteiligten in ihren unterschiedlichen Rollen gleichberechtigt, wie z. B. im Festlegen der Funktionalität, dem Schreiben vom Programmcode, in der Qualitätskontrolle, im Testen, Schreiben der technischen Unterlagen und der Benutzerdokumentation, der Übersetzung der Software und Dokumentation, aber auch in vielen anderen Rollen. Die Community besteht nicht nur aus Leuten mit technischem Wissen, sondern es wird der unmittelbare Beitrag der Benutzer des Programms benötigt, damit diese gut funktionieren kann. Die Community schließt kommerzielle Unternehmen für Softwareentwicklung und -wartung nicht aus, aber das Ziel solcher Unternehmen ist nicht ein unendliches wirtschaftliches Wachstum und eine globale Dominanz im Bereich der Softwareentwicklung, sondern ein kosteneffizientes Geschäft mit einer kleineren Anzahl von Kunden, denen sie eine direkte Kommunikation und hochwertige Dienstleistungen anbieten können. Erfolgreiche Unternehmen, die Koha Software betreiben, sind relativ klein im Vergleich zu den Unternehmen, die geschlossene Bibliothekssoftware anbieten, aber ihre Stärke liegt darin, dass ihre Nachhaltigkeit auf der Zusammenarbeit mit anderen beruht. Sie tragen zu den Commons bei, indem sie öffentlich die Änderungen im Softwarecode teilen, den sie für Koha der Bibliotheken geschrieben haben und bekommen auch viel im Gegenzug – die komplette Funktionalität welche für die Zwecke anderer Bibliotheken von unterschiedlichen Programmierern anderer Unternehmen oder öffentlicher Organisationen geschrieben wurden.
In Kroatien ist es sowohl unter Informatikern als auch unter Bibliothekaren nicht gelungen, ein großes Interesse an der Teilnahme in der Koha Software Community zu wecken. Die Teilnahme in einer solchen Community wird immer noch als etwas empfunden, das über die Grenzen der Bibliothekarsarbeit hinausgeht, sodass sich mit freier Software in Bibliotheken in der Regel nur vereinzelte Enthusiasten beschäftigen.
Illustration ©Irena Jukić Pranjić Benötigt ein Bibliothekar irgendwelche besondere Kompetenzen für die Benutzung von Koha? Was für eine Unterstützung kann man erwarten, falls es zu Problemen kommt?

Der Bibliothekar als Nutzer der Software Koha benötigt keine besonderen Kompetenzen, die er nicht auch sonst für die Arbeit mit anderen Softwares braucht. Wenn wir über die erforderlichen Kompetenzen für die Benutzung von Koha sprechen, sollte man große, organisatorisch komplexe Bibliotheken von kleineren, einfacheren, beispielsweise von Spezialbibliotheken oder Bibliotheken kleinerer Organisationen unterscheiden. Wenn ein Bibliothekar sich auf die Umsetzung und Administration von Koha einlassen will, ist es am allerwichtigsten, dass er sich mit der Arbeitsweise der Bibliothek gut auskennt, weil man die Regeln, an die sich die jeweilige Bibliothek hält, in die Software integrieren soll. Koha wird über die Webschnittstelle konfiguriert und dafür wird kein technisches Wissen benötigt. Trotzdem wird sich für die Bibliothekare in ihrer Rolle als Koha-Administrator ein Grundwissen der SQL-Sprache als vorteilhaft erweisen, um einige nützliche Berichte aus der relationalen Datenbank erstellen zu können. Innerhalb der Community wird die Benutzerdokumentation zur Koha regelmäßig gepflegt und die Softwareentwicklung verfolgt. Außer der Dokumentation bestehen auch andere Formen der Unterstützung (community support), wie zum Beispiel die Mailingliste und der IRC-Kanal. Es bestehen einige Koha-Demoinstallationen, die es ermöglichen, die Software zu testen, bevor sie in der Bibliothek implementiert wird.
Wie für jede andere Software ist auch für Koha eine technische Unterstützung notwendig. Große Bibliotheken werden wahrscheinlich Techniker einstellen müssen, unabhängig von der verwendeten Software. Für kleinere Bibliotheken kann die Grundinstallation von Koha genügen, und das müssten die meisten Linux-Systemadministratoren schaffen. In ganz Europa gibt es Unternehmen die zur Koha-Community gehören, sich mit der technischen Implementierung von Koha beschäftigen und Unterstützung bei der Arbeit anbieten. In Kroatien gibt es nicht genügend Kapazitäten, um technische Unterstützung für Koha einer größeren Anzahl von Bibliotheken anzubieten. Die wenigen Bibliotheken, die in Kroatien Koha benutzen, hängen eigentlich von der Verfügbarkeit einiger weniger Personen ab. Dazu kommt noch, dass Koha nur eine ihrer Tätigkeiten und Aufgaben ist. Insofern kann man zurzeit nicht von einer wahren Unterstützung reden.

Illustration © ©Irena Jukić Pranjić Lesen ©Irena Jukić Pranjić

Privates oder gemeinsames Wissen?

Ziel der Wissenschaft ist es, menschliches Wissen zu steigern. Was ist Offene Wissenschaft und kann man damit wissenschaftliche Erkenntnisse der breiten Öffentlichkeit zugänglicher und verständlicher machen?

Offene Wissenschaft bezeichnet eine Reihe von Praxisansätzen, die eine transparente, überprüfbare und verantwortungsvolle wissenschaftlichen Forschung zum Ziel haben. Sie umfasst unter anderem einen offenen Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen und Forschungsdaten, offene Bildungsmaterialien, offene Evaluierungsverfahren, eine transparente Forschungsmethodologie, die Anwendung einer offenen Software, offene Standards und offene Labornotizen und gelegentlich auch Citizen Science – die Einbeziehung von Nichtwissenschaftlern und Amateuren in die wissenschaftlichen Forschungen.
Man kann sagen, dass die Öffnung von Wissenschaftsprozessen schon im 17. Jahrhundert begonnen hat, als man den Grundsatz schaffte, laut dem alle wissenschaftlichen Theorien zum Überprüfen frei zugänglich sein und alle Forschungsergebnisse wiederholbar sein sollen. Um diese Grundsätze in die Praxis umzusetzen, erscheinen die ersten wissenschaftlichen Fachzeitschriften als wissenschaftliches Kommunikationsmittel, welches die öffentliche Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse innerhalb eines größeren Wissenschaftlerkreises ermöglicht. In der heutigen Zeit werden zahlreiche wissenschaftliche Forschungsergebnisse routinemäßig patentiert und viele Forschungen von Privatunternehmen finanziert, um das Wissen zu vermarkten. Gewinnorientierte Forschung steht vor der großen Gefahr, weitere Ursachen für Verzerrungen in die Ergebnisse einzubringen. Das Wesen der wissenschaftlichen Methode liegt aber genau darin, Wege zu finden, um unterschiedliche und zahlreiche Verzerrungen zu beseitigen, deren Ursache oft die Natur des Menschen selbst ist. Die Privatisierung des Wissens ist nicht im Einklang mit den bekannten Mertonschen wissenschaftlichen Normen, vor allem nicht mit der Norm "Kommunismus" (communism), die sich auf die Wissenskommunikation und auf die Frage der Eigentumsrechte bezieht, und auch nicht mit der Norm "Unvoreingenommenheit".
Die Bewegung hin zur Offenen Wissenschaft kann man, zumindest teilweise, auch als einen Versuch verstehen, sich wieder auf die Debatte über das Ethos und die grundlegenden Werte zu fokussieren, auf denen die Aktivität der Wissenschaftler beruht. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, sollen nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse zu gemeinsamen Ressourcen werden, sondern auch die komplette Infrastruktur welche die wissenschaftliche Kommunikation, den Datenaustausch und die Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen ermöglicht.
Ob die Offene Wissenschaft dazu beitragen wird, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zugänglicher und verständlicher zu machen, können wir derzeit nur vermuten. Eine mögliche Antwort lautet, dass es dazu nicht kommen wird, weil der Inhalt der wissenschaftlichen Kommunikation nur Wissenschaftlern verständlich ist, die auf einem Gebiet hoch spezialisiert sind. Will man wissenschaftliche Erkenntnisse der Öffentlichkeit näherbringen, erfordert dies einen anderen Kommunikationsstil. Was aber vielleicht noch wichtiger ist, ist die Wahrnehmung der Wissenschaft in der Öffentlichkeit, beziehungsweise das Maß an Vertrauen in die Wissenschaft. Das Versprechen der Offenen Wissenschaft lautet, sie werde durch das Bestehen auf Transparenz den Wissenschaftlern helfen, gemeinsam eine bessere Wissenschaft zu schaffen, beziehungsweise so wenig wie möglich in Fallen zu tappen, wegen der sie dann falsche Schlussfolgerungen ziehen.
Illustration © ©Irena Jukić Pranjić Offener Zugang ©Irena Jukić Pranjić

Der offene Zugang ist nicht immer für alle offen?

Sind Sie der Meinung, dass die Veröffentlichung von wissenschaftlichen Arbeiten in Open-Access-Zeitschriften zu mehr Gleichstellung im Zugang zum Wissen führt?

Der offene Zugang zu wissenschaftlichen Forschungsergebnissen ist eine Idee, die seit 2000 stärker vertreten ist und bis heute nicht an Bedeutung verloren hat. Die Wichtigkeit eines offenen Zugangs wurde innerhalb und außerhalb wissenschaftlicher Kreise erkannt (weil es heute nicht möglich ist, neue Forschungen durchzuführen, ohne einen schnellen und einfachen Zugang zum gesamten vorherigen Wissen zu haben und falls auch die breite Gesellschaft wissenschaftliche Erkenntnisse  als Vorteil empfinden soll, dann müssen diese Erkenntnisse auch außerhalb eines engen Kreises der "institutionellen Abonnenten" zugänglich sein).
Ursprünglich beruhte die Förderung des Konzepts eines offenen Zugangs auf der Idee einer Gleichstellung im Zugang zum Wissen; einer Gleichberechtigung derer, die das Wissen erwerben und derer, die es schaffen.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat man innerhalb von Akademikerkreisen diverse Mechanismen und Systeme entwickelt, die das Kommunizieren wissenschaftlicher Erkenntnisse mittels Open-Access-Methode ermöglichen während die in diesem Prozess unvermeidlich entstehenden Kosten gedeckt werden. Sowohl Wissenschaftler, Wissenschaftsverbände, Institutionen und ihre öffentlichen Bibliotheken als auch gewinnorientiere Herausgeber wissenschaftlicher Literatur haben sich an der Entwicklung von Lösungen beteiligt, weshalb heute unterschiedliche und sogar entgegengesetzte Tendenzen zu erkennen sind.
Einerseits versuchen große internationale Herausgeber einen offenen Zugang zur wissenschaftlichen Literatur anzubieten, aber auch durch Autoren- und Institutionengebühren für die Veröffentlichung und sogenannte Transformationsverträge den Gewinn aus dem vorherigen System beizubehalten. Bedauerlicherweise verschärft sich trotz des vereinfachten Leserzugangs gleichzeitig die Kluft zwischen privilegierten Autoren aus Industriestaaten und denjenigen aus Entwicklungsländern, weil die Autorengebühren für sie ein neues, oft unüberwindbares Hindernis für den Eintritt in die "wissenschaftliche Elite" darstellen.
Andrerseits versucht man eine parallele, offene und gemeinnützige, aber auch weltweite und nachhaltige Infrastruktur für die wissenschaftliche Kommunikation zu schaffen: anhand gemeinnütziger Verlagsplattformen (beispielsweise für "Diamond Open-Access-Zeitschriften" und offen zugängliche e-Bücher), institutioneller Repositorien, Preprintserver…
Um die Bedürfnisse ihrer Nutzer zu erfüllen, können Akademische Bibliotheken die Teilnahme am kommerziellen System wissenschaftlicher Kommunikation nicht vermeiden. Ihrem Wesen nach und laut ihrer wesentlichen Berufung finden sie im Aufbau einer offenen wissenschaftlichen Infrastruktur ihre wahre und eigentliche Rolle.
 
Foto © ©Marijana Glavica Marijana Glavica ©Marijana Glavica
Marijana Glavica
ist als Systembibliothekarin in der Bibliothek der Philosophischen Fakultät in Zagreb tätig. Sie befasst sich mit der Einführung und Instandhaltung der integrierten Bibliothekssoftware Koha und verschiedener anderer Informationssysteme für gedruckte und digitale Bibliothekssammlungen sowie für die Unterstützung alltäglicher Aufgaben der Bibliothek. Sie hat ein Diplom in Psychologie an der Philosophischen Fakultät in Zagreb erworben und unterrichtet das Wahlfach "Quellen- und Literaturrecherche für Psychologiestudenten". Sie hat kroatische Teams in internationalen Projekten geleitet, die sich mit der Schaffung der Infrastruktur für Forschungsdaten im sozialwissenschaftlichen Bereich befasst haben (SERSCIDA, SEEDS, CESSDA SaW), im Rahmen derer sie Expertise im Management von Forschungsdaten erworben hat. Derzeit fungiert sie als Leiterin des Kroatischen sozialwissenschaftlichen Datenarchivs (CROSSDA).



Foto © ©Iva Melinščak Zlodi Iva Melinščak Zlodi ©Iva Melinščak Zlodi
Iva Melinščak Zlodi
ist in der Bibliothek der Philosophischen Fakultät an der Universität in Zagreb beschäftigt. Ihr Aufgabenbereich umfasst elektronische Quellen und Nutzerschulung, das institutionelle Repositorium, die Unterstützung des Verlagswesens der Einrichtung, die Berichterstattung über die wissenschaftliche Produktivität und bibliometrische Indikatoren. Sie hat an der Einführung des Repositoriums und der Open-Access-Bücher-Plattform FF Open Press, aber auch zweier wichtiger Komponenten der kroatischen Infrastruktur für Offene Wissenschaft teilgenommen: des Portals Hrčak und des Systems digitaler Repositorien DABAR. Sie ist Vorstandsmitglied des Kroatischen Vereins für wissenschaftliche Kommunikation ZNAK, Mitglied des Koordinationsausschusses von DABAR sowie Vorstandsmitglied der Organisation SPARC Europe.
Ihre fachlichen und wissenschaftlichen Interessensgebiete umfassen Open-Access und Offene Wissenschaft (insbesondere im sozial- und geisteswissenschaftlichen Bereich, Repositorien, Bibliometrie in den Geistes- und Sozialwissenschaften, Urheberrecht und Verlagswesen).
Sie hat das Studium der Philosophie und der Vergleichenden Literatur an der Philosophischen Fakultät in Zagreb abgeschlossen. Derzeit ist sie Doktorandin der Informations- und Kommunikationswissenschaften an derselben Fakultät.

 

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