Interview 5 plus 1
Europa, Europa, Europa

Dr. Thomas Götz
Foto: ©Per Oscar Skjellnan

Wie hat Ihre Arbeit Sie verändert? Welches Ereignis der Vergangenheit hat Sie besonders geprägt und wäre auch ein anderer Beruf denkbar gewesen?  In unserer Reihe fünf plus eins befragen wir Künstler und andere interessante Zeitgenossen.

1. Vor Norwegen, von 2014 – 2016, waren Sie Deutscher Botschafter in der Slowakischen Republik. Gibt es etwas Spezielles, was Sie aus diesem Land von Ihrer Arbeit mit nach Norwegen gebracht haben?
 
Im Prinzip handelt es sich um den Gedanken, dass wir uns mehr um Europa kümmern müssen. Das mag komisch klingen, weil Norwegen nicht Teil der EU ist. Doch Europa bedeutet ja so viel mehr als die EU. Mir scheint wir haben es in der EU versäumt, die europäische Idee der Öffentlichkeit zu vermitteln. Wir müssen den Menschen, den Bürgern, den Wählern klarmachen, welche praktischen Vorteile ein vereinigtes Europa mit sich bringt. Das ist in allen europäischen Ländern notwendig, glaube ich.  Wir brauchen mehr Publicity für Europa, die die Menschen überzeugt. Das gilt natürlich hauptsächlich für die Mitgliedsländer der Europäischen Union, doch ich glaube eben auch für andere Länder, die nicht Mitglied sind, z.B. Norwegen oder die Schweiz. Die Idee ist: Wir müssen uns mehr für Europa engagieren. Dabei gilt es zu überlegen, wie wir Europa in Zukunft organisieren – auch die Länder, die nicht in der EU sind oder nicht mehr, wie Großbritannien. Alles kreist doch um Europa. Norwegen ist Nichtmitglied und dennoch sehr eng verbunden mit der Europäischen Gemeinschaft. Irgendwie ist Norwegen ja fast ein Musterschüler der EU ohne Mitglied zu sein. Die Probleme, die wir haben, können wir nur gemeinsam lösen.
Nicht zuletzt geht es um die friedenserhaltende Wirkung von Europa: Gerade meine Generation, die in den 50er und 60er Jahren groß geworden ist, hat das hautnah miterlebt.  Es darf nicht in Vergessenheit geraten, dass Mitteleuropa seit fast 70 Jahren keinen Krieg mehr erlebt hat. Wenn wir über die Errungenschaften und Vorteile Europas reden, kann wieder mehr Vertrauen bei den Europäern wachsen. Frieden in Europa ist beispielsweise so ein praktischer und essentieller Punkt.
 
2. Das Interesse norwegischer Schüler und Studenten an Deutschland ist in jüngster Zeit wieder gewachsen. Welchen Vorteil sehen sie für junge Norweger darin, in Deutschland zu studieren oder zu arbeiten?
 
Im Prinzip bin ich für ein mehrsprachiges Europa. Als deutscher Botschafter plädiere ich für Deutsch. Es ist die Sprache, die die größte Menschengruppe – 100 Millionen – als Muttersprache hat. Von Haus aus bin ich Literaturwissenschaftler. Deutsch ist die Sprache der Philosophie. Es waren maßgeblich deutsche Philosophen, die u.a. die Geistesgeschichte der vergangenen dreihundert Jahre mit geprägt haben.
Und es gibt noch ein ganz praktisches Argument: Deutschland ist die größte Wirtschafts- und politische Kraft in Europa - für Norwegen der größte Handelspartner. Viele deutsche Firmen sind hier in Norwegen tätig – im off-shore Geschäft, aber nicht nur. Von daher kann es nicht schaden, wenn man Deutsch spricht. Deutsche Firmen sehen es trotz Englisch als Vorteil an. Mir liegt die deutsche Sprache sehr am Herzen. Junge Menschen können Sie auch während einer Ausbildung in Deutschland erwerben und vertiefen. Es gibt beispielsweise auch sehr interessante Universitäten in Deutschland. 
 
3. Was sind derzeit die wichtigsten Themen in den deutsch-norwegischen Beziehungen?
 

Europa, Europa und Europa. Wir pflegen einen ganz engen Dialog mit Norwegen. Das internationale Engagement Norwegens hat Vorbild-Charakter, wie z.B. das Oslo-Abkommen. Wir finden es gut, dass es ein Land gibt, das sich konstruktiv für internationale Belange stark macht.
 
4. Viele Menschen in Deutschland sind Europa sehr verbunden. Sie betrachten sich als Europäer. Auf der anderen Seite werden populistische Strömungen auf dem Kontinent immer starker, die nicht mehr, sondern weniger Europa auf ihre Fahnen geschrieben haben. Welche Rolle spielen in Ihren Augen Institutionen wie das Goethe-Institut für ein starkes, gemeinsames Europa?
 
Ich habe in meiner Zeit im Auswärtigen Amt in der Kulturabteilung viel mit Goethe-Instituten zusammengearbeitet. Gerade, wenn es um den kulturellen Austausch geht, ist Europa sehr verbunden. Ob Grieg oder Munch – so viele Künstler haben eine Weile im Ausland gelebt. Kunst geht über die Grenzen hinaus. Das Goethe-Institut macht keine Politik, trägt aber zum politischen Diskurs bei. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Meinungsbildung, auch im Ausland. Zudem bietet es auf allen zertifizierten Sprachniveaus Kurse an, um die deutsche Sprache zu lernen. Es freut mich übrigens, dass ich hier in Norwegen schon viele junge Leute getroffen habe, die sehr gut Deutsch sprechen.
 
5. Wie verbringen Sie am liebsten ihre Freizeit?
 
Wenn ich Zeit habe, fahre ich gerne mit dem Rad. Neulich bin ich bis zum Color Line-Terminal, über Aker brygge und weiter bis zur Oper gefahren. Das Herbstwetter war ideal, um mit dem Rad unterwegs zu sein. Ich fotografiere auch gern. Und vom Dach der Oper konnte ich herrliche Fotos machen. Die Farben des Himmels und des Wassers…Weitere Hobbys sind lesen und kochen. Das ist alles natürlich eine Zeitfrage.
 
+ 1:  Welchen anderen Beruf hätten Sie ebenfalls gerne ausgeübt, wenn Sie nicht Botschafter geworden wären?
 
Zwei, wenn auch nicht ganz realistische Optionen: Die erste wäre Schäfer, weil ich sehr naturverbunden bin. Aber noch eher zog es mich eigentlich zur Schauspielkunst. Während des Studiums war ich mit dem Theater zugange. Doch das ist eine brotlose Kunst, man braucht einen langen Atem.