Vorrunde
Wenn Jugendliche um die Wette debattieren

Debattierwettbewerb
Debattierwettbewerb | Foto: ©PetraBiesalski

Montagmorgen zehn Uhr. Der Himmel ist grau. Vier Mädchen und vier Jungen stehen im Eingangsbereich des Goethe-Instituts Norwegen, sie lachen nervös, scharren mit den Füßen.
 

Gleich geht es in dem mit dunkelroten Polsterstühlen ausgestattetem Saal des Instituts um die Vorrunde Süd des ersten Debattierwettbewerbs deutscher Sprache für Schüler und Schülerinnen in Norwegen. Die zu diskutierende These des Wettbewerbs lautet: „Alle Länder in Europa sollten die gleiche offizielle Sprache haben.“ Gerade in Zeiten, in denen sich das politische Klima verändert, Rechtspopulismus salonfähig geworden ist, macht es Sinn demokratische Werte zu beleuchten.
Wenn die ca. 16jährige Vilde Toverød, in ihrem Beitrag betont, dass Sprache mehr ist, als der Austausch von Informationen, „Sprache ist Kultur, ist Kunst“, dann auf Norwegens Geschichte und die Unterdrückung der samischen Sprache und Kultur eingeht, wird deutlich, wie viel mehr im Gebrauch der Sprache steckt. Im Alltag wird das leicht vergessen.
Die Jugendlichen sind gut auf den Wettbewerb vorbereitet, interessant ist, dass beide Teams zufällig nach Geschlechtern getrennt sind. Sie sitzen sich an den schräg gestellten Tischen gegenüber. Das ausschließlich weibliche Team der Kirkeparken Videregående Skole in Moss, eröffnet die Debatte mit der Contra-Argumentation. Die Kapitänin Mina Adelina Pedersen erzählt von ihrer Oma, die als Beispiel für die Generation älterer Menschen dient, die mit der Einführung einer anderen, vielleicht sogar künstlichen Sprache, wie Esperanto, überfordert wäre. Dieses Argument will der Kapitän des Kristelig Gymnasium in Oslo, Frede Frihagen entkräften, indem er den Vorschlag unterbreitet Deutsch als offizielle europäische Sprache einzuführen. Er stützt seine Argumentation auf wirtschaftliche Faktoren und betont: „Deutschland ist eine der führenden Wirtschaftsnationen in Europa – also ist es doch nur logisch, Deutsch zu sprechen, vor allem in der Arbeitswelt“. Bei so viel Enthusiasmus für Deutschland, muss das vorwiegend deutsche Publikum ein bisschen schmunzeln.

KULTUR GEGEN TECHNIK

Über differenzierte Sachverhalte nicht in der Muttersprache und vor Publikum zu sprechen erfordert zu allererst Mut, findet auch Jurymitglied Nicolai Fanin, der sich über den Verlauf des Wettbewerbs freut: „Ich finde, dass die Debatte allgemein auf einem hohen Niveau stattfindet.“ Er sieht aber die Gewichtung der Argumentationsbeiträge ungleich verteilt: „ Allerdings trägt, glaube ich, die Geschlechtertrennung der beiden Teams dazu bei, dass mir der Wettbewerb ein bisschen „gegendert“ vorkommt. Die Mädchen sprechen über Kultur und die Jungen über Technik, dennoch ist die Vielfalt der einzelnen Beiträge erstaunlich gut.“

Die Definition von „europäisch“ bleibt im Verlauf der Debatte etwas unscharf, mal sind in den Ausführungen alle Länder in Europa gemeint, mal nur die, die zur Europäischen Union gehören. Das schadet der Spannung aber nicht, denn bei einem Debattierwettbewerb werden auch „die Kreativität der Argumentation, ebenso wie Aussprache, Witz oder Widerlegung der Gegenseite bewertet“, erklärt Fanin. So stehen emotionale Sprachbilder wie „Sprachen zu unterdrücken ist, wie Menschen zu unterdrücken“ und „Steckdosen können standardisiert werden, aber nicht unsere Sprache“ dem Hauptargument der „technischen Effizienz einer gemeinsamen Sprache“ des Kristelig Gymnas. gegenüber.

Obwohl der letzte Vertreter dieses Teams, Fredrik Øien Pedersen, der statt mit Notizzettel mit Laptop in der Hand vor das Publikum tritt, da am Morgen sein Drucker versagte, auch die politische und kulturelle Dimension der Ausgangsthese betont. Er findet, dass „die Einführung einer einheitlichen Sprache dazu beiträgt, bestehende negative Stigmatisierungen anderer Kulturen zu verringern“. Sie könnte sogar dazu führen, eine deutlich vielfältigere Kultur, zusammengesetzt aus allen europäischen Kulturen, zu kreieren. Dies, so führt Fredrik weiter aus, würde ein harmonischeres Miteinander in Europa bedeuten. Allerdings bliebe die Frage offen, ob sich konfliktfrei auf eine der insgesamt 150 in Europa gesprochenen Sprachen geeinigt werden könnte.

Die Debatte entscheidet sich zugunsten des Contra-Teams, das sich gegen eine einheitliche Sprache positioniert hat, besonders im Hinblick auf die Verknüpfung von Sprache mit kultureller Vielfalt und Identität, von Menschen, Ländern und Kulturen.
Am ersten Dezember findet das Finale des ersten Debattierwettbewerbs deutscher Sprache in Norwegen im Goethe-Institut Norwegen in Oslo statt. Dann werden Mina, Aline, Mathilde und Vilde auf das Gewinnerteam der Kongsbakken Videregående Skole aus Tromsø treffen. Die Schüler aus Tromsø qualifizierten sich mit ihrer Pro-Argumentation für eine offizielle Sprache in allen Ländern Europas, in der Vorrunde Nord, vom 28. 09. 2017, die an der Universitetet i Tromsø ausgerichtet wurde. Sie setzten sich knapp gegen die Teilnehmer der Senja Videregående Skole Abteilung Finnfjordbotn aus Finnsnes durch, die etwa 100 Kilometer mit der Fähre, ihren Lehrerinnen und 20 weiteren Deutschschülern angereist waren.
Das Goethe-Institut Norwegen ist überzeugt, dass dieses Finale wieder Jugendliche zeigen wird, die sich in eine lebendige Diskussion stürzen und sich für demokratische Werte und kulturelle Vielfalt aussprechen.