Border Movement
Alien Panda Jury

APJ with team
Foto: Prabhat

Alien Panda Jury: „Es ist sehr interessant, eine andere Kultur zu erleben und ihre pure Schönheit zu sehen.
 

„Es tut mir leid; es fällt mir manchmal schwer, meine Worte klar auszudrücken“, sagte Daniel Arthur Panjwaneey, als ich ihn bat, sich an seinen in Deutschland verbrachten Sommer als Teil der Border Movement Residency (in Partnerschaft mit dem Goethe-Institut, Wild City, Ableton und dem Musicboard Berlin ins Leben gerufen) Anfang des Jahres 2017 im kleinsten Detail zu erinnern.

BMRs einzigartiges Aufenthaltsprogramm wurde entworfen, um sich um die Bedürfnisse jeden Bewohners zu kümmern. Panjwaneey alias Alien Panda Jury verbrachte zwei Monate in Deutschland und erstellte Sonic-Settlements, die eine fremde, aber einladende Welt herbeizaubern. Es entstand in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern, die an Shows teilgenommen, dort gespielt und eindringliche Musikkomplexe ausgearbeitet haben. Der 31-jährige Musikproduzent, der die lebendige und brutale Stadt Karachi sein Zuhause nennt, tauchte auch selbst in den Multikulturalismus ein, den man in den Straßen Berlins findet – eine Erfahrung, die für den Musiker auf einem höchst persönlichen Niveau sowohl tiefgründig als auch aufschlussreich war.

Wie Panjwaneey beschrieb, übte die Residency keinen Druck auf die Künstler aus und war in ihrem Ansatz nicht traditionell. „Der Ausgang war sogar schon vor meinem Eintreffen offen“, begann Daniel. „Als ich mit Gerriet, dem Gründer von Border Movement, sprach, fragte er mich, ob ich kochen kann, und ich sagte ihm, dass das kein Problem sei. Er sagte mir dann, dass es ganz bei mir liege zu entscheiden, mit welcher Art Künstler ich zusammenarbeiten möchte, oder ob ich überhaupt mit einem Künstler zusammenarbeiten möchte. Er sagte mir, dass ich die Möglichkeit habe, am Ende meines Aufenthaltes etwas zu machen und nicht unbedingt am Anfang. Sie setzen einen in keinster Weise unter Druck. Ich fand das wirklich interessant.“

Während er in Berlin war, spielte Panjwaneey – der mit Indie-Bands wie Orangenoise und The D/A Method verbunden und ein fantastischer Bassgitarrenspieler ist – zwei Gigs in Berlin, inklusive einem auf der kultigen Volksbühne Roter Salon – ein Ort, den er als geschichtsträchtig in Erinnerung behält. „Das war für Noland Label, ein von den Teichmann-Brüdern gegründetes Label, die hinter dem Karachi Files Projekt stehen. Da waren sie, ich und die Musikerin Ramsha Shakeel, die aus Kanada einflog. Wir spielten auf dem Torstraßen Festival 2017, ein jährlich stattfindendes Straßenfest. Ich spielte außerdem in dieser total verrückten Galerie namens Bethanien für eine Kunstausstellung namens „Born in the Purple“ von Viron Erol Vert. Er kommt aus der Türkei und wohnt jetzt in Berlin und bei der Ausstellung ging es um viele Fragen der Identität und des Geschlechts, also war es mir eine große Ehre, dort zu spielen. Ich spielte auch in der Favorit Bar in München, was viel Spaß gemacht hat.“

Panjwaneey gab zu, dass obwohl er nicht sehr viele Gigs gespielt hat, es für ihn darum ging, Musik als Kultur zu verstehen sowie Modalitäten für sein Live-Set auszuarbeiten. Allerdings arbeitete er mit dem Künstler Pablo Lauf zusammen .

„Pablo war dreimal in Karachi und kam das erste Mal vor zwei Jahren zu Karachi Files. Es gab schon vorher eine Verbindung und so fanden die meisten meiner Gemeinschaftsarbeiten mit ihm statt, weil ich zu Anfang bei ihm wohnte.“

Die Atmosphäre, die Panjwaneey in Deutschland begrüßte, war entspannt, und dadurch konnte er ein Lebensgefühl beobachten, für das es in Pakistan im Moment keinen Platz gibt.

„Für mich ging es wirklich darum, den Club als Kultur zu verstehen“, sagte der Musikproduzent, der seinen Musikmix unter dem Künstlernamen Alien Panda Jury spielt. „Wie die Clubmusik als Widerstandsbewegung an einem Ort wie Deutschland, vor allem in Hinblick auf die Geschichte, verwendet wurde und warum das existiert. Wir in Pakistan haben Dritte-Welt-Probleme und sie haben Erste-Welt-Probleme. In Pakistan gibt es so etwas wie LGBT-Rechte nicht. In Deutschland gibt es wenigstens etwas. Es ist sehr interessant, eine andere Kultur zu erleben und ihre eigene Schönheit zu sehen sowie zu sehen, wie Musik als Werkzeug für etwas verwendet werden kann, das buchstäblich massenhaft Leben verändern kann.“

Abgesehen davon, dass er einer Form von Diversität ausgesetzt war, für die man in Pakistan umgebracht werden kann, konnte Panjwaneey in den Wochen fernab der Heimat, wo das im Fokus stehende Musikklima eher kommerzielle Unternehmen begünstigt, Themen, die er im Kopf hatte, im Kontext seiner eigenen Musik auszuarbeiten.

„Während meines Aufenthaltes wollte ich mein Live-Set ausarbeiten, weil es mich krankgemacht hat, ich wollte es entwickeln. Ich wollte nicht am Laptop sitzen und wollte anfangen, analoges Equipment zu benutzen, und das war etwas, an das ich vorher nicht gewöhnt war. Bei meinem Aufenthalt habe ich damit begonnen. Also habe ich mich für einen Teil des Aufenthaltes in einen Raum gesperrt und an meinem eigenen Zeug gearbeitet. Gleichzeitig wollte ich den Aufenthalt nutzen, um herauszufinden, wie ich Sachen für ein Festival besser gestalten kann, das ich letztes Jahr in Kathmandu  gestartet habe und jedes Jahr abhalten möchte.“

Einen weiteren großen Einfluss auf Panjwaneey hat die Stadt Berlin selbst, in der die Club- und Live-Musik-Kultur in kompletten Kontrast zur Szene in Pakistan steht. Anders als in Karachi, wo die Wertschätzung für verschiedene experimentelle Musikformen so lückenhaft ist, dass es eine Art Selbstzweifel auslösen kann, hat Berlin Panjwaneey dabei geholfen, die Unvollkommenheit zu würdigen.

„Fast jede Veranstaltung, die man betritt, ist wie in einen Traum zu kommen, weil die Menschen die Musik in so einer offenen Art ausdrücken, dass es keine angepasste Struktur gibt“, bemerkte Panjwaneey. „Das Element der Überraschung war interessant für mich. Man kommt zu Gigs, bei denen die Leute improvisieren und es interessiert sie einen sch***. Es gibt einen Gig, bei dem die Leute zwei Stunden ein lautes Dröhnen spielen, und es gibt Leute, die das genießen; es gibt ein Publikum dafür. An einem Ort wie Pakistan denkt man als Live-Künstler darüber nach, wie man sich der Welt präsentiert, und Berlin half mir dabei zu realisieren, dass es mich einen sch*** interessieren sollte. Als ich in München spielte, habe ich zwei neue Tracks gespielt und ein paar Fehler gemacht, aber es hat mich nicht so sehr beeinflusst, wie es das in Karachi hätte. Es hat mich in dieser Hinsicht etwas freier gemacht.“

Zum Schluss fragte ich Panjwaneey, was er denkt erreicht zu haben. Darauf antwortete er: „Ich fühle mich so, als ob ich mich etwas hängen gelassen habe. Ich hätte viel mehr tun können, aber ich denke, ich habe mich auch an viele Dinge angepasst. Persönlich war es ein schweres Jahr.“

Aber nichts davon wird Alien Panda Jury davon abhalten, Musik zu machen. Er plant, nach dem BMR Tracks unter einem neuen Künstlernamen herauszugeben. Einer davon taucht tiefer in den Club-Sound ein. Und er hat auch Pläne, eine EP herauszugeben. Zum Glück ist die Reise für Panjwaneey noch lange nicht vorbei; er fängt gerade erst an.
 

  • Border Movement Foto: Prabhat
  • APJ with team Foto: Prabhat
  • APJ on a hill Foto: Pablo Lauf
  • APJ Portrait Foto: Pablo Lauf
  • Apj at home Foto: Pablo Lauf