Die Erststimme

The winner takes it all

© Bundeszentrale für politische Bildung/bpb

In Deutschland werden 299 Bundestagsabgeordnete per Mehrheitswahl bestimmt. Die Zahl entspricht nicht zufällig der Zahl der Wahlkreise. Denn in jedem der 299 Wahlkreise gibt es ein so genanntes Direktmandat zu holen.

Vertreter der Parteien, aber auch Parteilose werben um die Erststimmen der Wahlberechtigten ihres Wahlkreises. Wer die meisten bekommt, darf als Abgeordneter in den Bundestag einziehen. Es genügt die einfache Mehrheit: The winner takes it all. Egal, ob der siegreiche Kandidat 20 oder gar 60 Prozent der Erststimmen auf sich vereint: Das Mandat gehört ihm... oder ihr. Die anderen schauen in die Röhre. Dieses System begünstigt meist die Kandidaten großer (Volks-)Parteien.

Es ist landläufiger Rat für Erstwähler: „Schmeiß deine Erststimme nicht für die Kandidaten der Kleinparteien weg! Die haben sowieso keine Chance.“ Jedoch gibt es Ausnahmen, die diesen Rat Lügen strafen. Das System der Direktmandate in den 299 Wahlkreisen stellt nicht nur sicher, dass wirklich jede Region ihren Vertreter im Bundestag hat. Es eröffnet auch den Kandidaten Chance auf Erfolg, die in ihrem Wahlkreis sehr beliebt sind, aber keine Partei im Rücken haben – oder sich sogar ausdrücklich von ihrer eigenen Partei distanzieren. Hans Christian Ströbele ist so ein Beispiel.

Unter der rot-grünen Bundesregierung (1998 bis 2005) von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) beteiligte sich die Bundeswehr mit Kampfverbänden an den Kriegen im Kosovo (1999) und in Afghanistan (ab Dezember 2001). Vor allem für die Grünen stellten die Auslandseinsätze der Bundeswehr eine Zerreißprobe dar. Es kam zu Massenaustritten. Die Partei war in ihren frühen Jahren stark in der Friedensbewegung verankert. Unter dem Einfluss des damaligen Außenministers Joschka Fischer wandten sich die Grünen jedoch vom strikten Pazifismus ab. Einer der stärksten internen Kritiker am neuen außenpolitischen Kurs der Grünen war Hans-Christian Ströbele.

Zur Bundestagswahl 2002 wurde dem innerparteilichen Querschläger ein aussichtsreicher Listenplatz verweigert. Ströbele trat scheinbar aussichtslos als Direktkandidat an. Er verzichtet auf Werbematerial seiner Partei und machte Wahlkampf mit Slogans wie „Ströbele wählen heißt Fischer quälen“... und gewann. In seinem Berliner Wahlkreis holte Ströbele mit 31,6 Prozent der Erststimmen das erste Direktmandat für die Grünen überhaupt. Bei den Bundestagswahlen 2005 und 2009 konnte Ströbele sein Direktmandat – beide Male mit deutlichem Vorsprung – verteidigen. Und auch 2013 tritt der mittlerweile 73-Jährige wieder an.



Einleitung 2. Die Zweitstimme

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September 2013

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