Das Goethe-Institut
In Gesellschaft

Kunst braucht Raum, Sicherheit, Freiheit und Förderung. Das Goethe-Institut setzt sich in über 150 Ländern dafür ein, dass die Kulturszene vor Ort möglichst ungehindert gedeihen kann. Es hilft dabei, nachhaltige Strukturen für eine Kunst- und Kreativwirtschaft aufzubauen, und bietet Kreativschaffenden geschützte Freiräume – auch dort, wo Kunst- und Meinungsfreiheit unter Druck geraten.
 

Berlin Damaskus
Die Ideen sind meist schon da: für eine Web-Serie, eine neue App oder für Projekte, die lokaler Kultur Sichtbarkeit verschaffen. Doch können Kreative ihre Impulse und Einfälle auch umsetzen? Wie können sie ein Publikum erreichen und sich so langfristig behaupten? Dass ihnen das gelingt, dafür setzen sich die Goethe-Institute weltweit ein: Über verschiedene Programme unterstützen sie Kreativunternehmer*innen in der ganzen Welt darin, ihre Ideen voranzubringen.

„Der Kultur- und Kreativsektor ist weltweit ein Motor für die Gestaltung des gesellschaftlichen Wandels“, erklärt Nico Degenkolb, Referent für Kunst- und Kreativwirtschaft in der Münchner Zentrale des Goethe-Instituts. „Wir sehen es als unsere Aufgabe, diesen Sektor in unterschiedlichen Ländern zu fördern – und zwar, das ist uns wichtig, angepasst an den jeweiligen lokalen Bedarf.“ Die Programme des Goethe-Instituts im Bereich Kunst- und Kreativwirtschaft erreichen Menschen in Ländern wie Jordanien und Kenia, Frankreich oder Südafrika.
Die jeweils für die Programme ausgewählten „Trainees“ – darunter Künstler*innen und Kulturschaffende aus Musik, Literatur, bildender und darstellender Kunst, Film, Architektur, Design und der Games-Industrie – bringen laut Degenkolb eine starke künstlerische Kraft mit, haben ein hohes eigenes kreatives Potenzial. Es gehe in den Programmen deshalb nicht darum, sie künstlerisch zu qualifizieren oder weiterzubilden, sondern ihnen vielmehr ökonomisches Handwerkszeug zu vermitteln. „Wir qualifizieren und beraten sie und vernetzen sie untereinander wie auch international.“

Mit HUB@Goethe durchstarten

Ein Beispiel ist das Programm HUB@Goethe, über das Künstler*innen in Südafrika gefördert werden: „I am dynamic, and I am a dreamer“, sagt Sechaba Lengane über sich. Dynamisch und tatkräftig verfolgt der Südafrikaner auch seinen ganz eigenen Traum: Menschen zusammenzubringen. Sein Filmprojekt „The Coal“ umfasst zehn- bis fünfzehnminütige Videosequenzen, die zwei Personen unterschiedlicher Generationen zeigen, wie sie gemeinsam eine Mahlzeit einnehmen und sich dabei, angeleitet durch Fragekärtchen, unterhalten. Mütter und Töchter, Großeltern und Enkel, Väter und Söhne. Herausarbeiten wolle Lengane damit die Rolle von Mahlzeiten, die oft „heilenden Effekte“ von gemeinsam eingenommenem Essen – und sicher auch: von Gesprächen über Generationsgrenzen hinweg.

Lengane ist einer von 13 Künstler*innen und Jungunternehmer*innen aus dem Großraum Johannesburg, die  2021 am Mentoring-Programm des Goethe-Instituts teilnehmen – so viele wie noch nie seit dem Start 2017. Über sieben Monate durchlaufen die „Hubbers“, wie sie intern auch genannt werden, mehrere Stationen, werden Schritt für Schritt durch die Weiterentwicklung ihres Unternehmens oder ihres Kunstprojekts geführt. Doch die Kreativen bekommen auch praktische Unterstützung: In der neu gestalteten Bibliothek in Johannesburg, dem „Library-Gamebox-Hub“, haben sie einen Ort, wo sie sich treffen, austauschen und daneben auch Internetverbindung und Drucker nutzen können.
  Godisamang Khunou, Sechaba Lengane und Thami Mazibuko (v.l.n.r.) Foto: Thabang Radebe Godisamang Khunou, Sechaba Lengane und Thami Mazibuko (v.l.n.r.) Hier wird auch Godisamang Khunou künftig arbeiten: Die Regisseurin betreibt eine Produktionsfirma für Dokumentar- und Spielfilme und hat als Thema vor allem den Feminismus in Afrika im Blick. Ihr jüngster Film wurde 2019 auf der DOK Leipzig ausgezeichnet und erhielt zudem den Most Promising Film Award beim Durban Film Mart. Sie will Frauen in ihrem Land unterstützen, indem sie sie als Fotografinnen und Redakteurinnen engagiert. Schon in den ersten Hub-Mentoring-Veranstaltungen habe sie einiges gelernt, über Wirtschaftsthemen aber auch über sich selbst und ihre eigenen Stärken. Doch das war erstmal nur Theorie. „Nun möchte ich sehen, wie all das – mithilfe des Programms – zum Leben erwacht“, sagt sie.

Leben will auch Thami Mazibuko in seine Community bringen: Das Soweto Book Café, das er im gleichnamigen Johannesburger Township betreibt, soll sich nach seiner Vision weiter zu einem kulturellen Treffpunkt entwickeln. Schon heute organisiert Mazibuko, der sich als Kunst- und Kulturaktivist beschreibt, immer wieder Literaturveranstaltungen und Schachabende in seinem Café. „Die Menschen sollen hier Informationen austauschen und Lifestyle-Trends aufschnappen können“, sagt er. Als „Goethe-Hubber“ will er sich unternehmerische Fähigkeiten aneignen, damit sein Geschäft wächst, profitabel wird und nachhaltig bestehen kann.

Für „The Coal“-Unternehmer Sechaba Lengane steht ein anderer Vorteil von HUB@Goethe im Zentrum: Ihm eröffne sich durch das Programm ein internationales Netzwerk, sagt er. „Ich war immer fasziniert vom Goethe-Institut als einer Einrichtung, die die Kunst- und Kreativwirtschaft unterstützt – auf unserem Kontinent, aber auch weltweit.“ Er will von anderen lernen, will wachsen. Damit seine Träume Wirklichkeit werden.

Freiräume öffnen, rote Linien verschieben

Künstlerische Arbeit in Krisenzeiten

Gerade in Krisen und in Zeiten schwieriger politischer Entwicklungen benötigen Kultur- und Bildungseinrichtungen besondere Unterstützung. Auch dafür steht das Goethe-Institut: für schnelle und pragmatische Hilfen, für die Einrichtung von Anlaufstellen, für Rückenstärkung in unüberschaubaren Zeiten.

Im Sommer 2020 wurde auf seine Initiative hin – und der des Auswärtigen Amtes – der Internationale Hilfsfonds eingerichtet, über den ausländische Organisationen aus Kultur und Bildung Unterstützung für den Umgang mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie erhalten konnten.
 

Internationaler Hilfsfonds
„Theater ist für uns mehr als pure Unterhaltung.“

Das Royal District Theatre in Tiflis entwickelte mit Unterstützung des Hilfsfonds 2020 neue Möglichkeiten für den analogen und digitalen Raum, um den Kontakt zum Publikum wieder aufzunehmen.
 

Auch in Ländern in illiberalen politischen Situationen will das Goethe-Institut weiterhin als verlässlicher Partner und Unterstützer agieren – ein Anspruch, der aktueller ist denn je: „Wir beobachten, dass die Freiräume insgesamt enger werden“, berichtet Carola Lentz, Präsidentin des Goethe-Instituts, auf der Jahrespressekonferenz 2021. „An vielen Orten der Welt sehen wir uns mit anderen Wertvorstellungen konfrontiert. Viele unserer Partner sind zivilgesellschaftliche Akteure, die in unruhigen Zeiten besonders unter Druck geraten. Pluralismus und Kunst- und Meinungsfreiheit müssen aktiv geschützt werden, auch die Kulturschaffenden selbst.“
  Im Rahmen des Projektes „Houmtek“ verschönern Anwohner*innen den öffentlichen Raum in Tunesien. Foto: Dora Dalila Cheffi/Goethe-Institut Im Rahmen des Projektes „Houmtek“ verschönern Anwohner*innen den öffentlichen Raum in Tunesien. So es die politische Lage vor Ort noch erlaubt, versuchen lokale Goethe-Institute auch in Zeiten des Umsturzes Kulturschaffende zu unterstützen. So begleiteten die Goethe-Institute im Nahen Osten und Nordafrika den Arabischen Frühling und stärken seitdem die zivilgesellschaftlichen Akteur*innen durch Kultur- und Bildungsprojekte. In Tunesien eröffnete beispielsweise das Austauschprogramm „Théâtre Demain“ jungen Bühnenbildner*innen und -techniker*innen 2013 neue Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt. Auch der Kurzfilmwettbewerb „Khatawat“ trug seit der Einführung 2013 zur Weiterbildung von mehr als 200 jungen Menschen bei, für einige Filmemacher*innen war er der Startschuss ihrer Karriere.

Damit die Entwicklungen, die vor etwa zehn Jahren mit dem Arabischen Frühling angestoßen wurden, weitergehen, setzt das Goethe-Institut seit 2012 im Rahmen der Ta’ziz-Partnerschaft mehr als 150 Projekte mit mehr als 30.000 Teilnehmenden in der Region um. Zum Beispiel „Houmtek“, bei dem Nachbarschaftsinitiativen aus ganz Tunesien den öffentlichen Raum verschönern und aneignen. „Unser Projekt trägt zu verbesserten Lebensbedingungen der Bewohner in der Cité Erriadh bei, einem Arbeiterviertel in Beni Khiar mit 3000 Einwohner*innen“, freut sich Samira Ben Ammar, die illegale Mülldeponien unter Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen der lokalen Gemeinschaft in urbane Gärten transformiert.


 

Orte der Begegnung schaffen: Künstler*innen im sicheren Exil

Die audiovisuelle Performance „Home Within“ des syrischen Klarinettisten Kinan Azmeh und des syrisch-armenischen Künstlers Kevork Mourad im „Goethe-Institut Damaskus | Im Exil“ 2016. Foto: Bernhard Ludewig Die audiovisuelle Performance „Home Within“ des syrischen Klarinettisten Kinan Azmeh und des syrisch-armenischen Künstlers Kevork Mourad im „Goethe-Institut Damaskus | Im Exil“ 2016. Doch manchmal wird auch diesem kulturpolitischen Vor-Ort-Engagement des Goethe-Instituts der Riegel vorgeschoben. Was es dann braucht, sind Einfallsreichtum und Symbolkraft, wie sich 2012 zeigte: Aufgrund der sich zuspitzenden Sicherheitslage in Syrien musste damals das Goethe-Institut Damaskus geschlossen werden, mussten auch viele Kunstschaffende ihr Land verlassen und leben seither in Europa im Exil. Ihnen sei in ihrem Heimatland „der Boden unter den Füßen weggezogen worden“, erklärte der damalige Leiter des Instituts, Björn Luley.

Um den syrischen Künstler*innen auch im Exil einen Anlaufpunkt zu geben – aber auch, um ein wirkmächtiges Zeichen zu setzen –, schaffte das Goethe-Institut in Berlin einen neuen Ort der kulturellen Begegnung: das „Goethe-Institut Damaskus | Im Exil“, einen temporären Popup-Raum in einem leerstehenden Ladenlokal in Berlin-Mitte. Im Herbst 2016 fanden hier Diskussionen, Workshops, Filmreihen, Ausstellungen und Konzerte statt, bekamen syrische Künstler*innen und Autor*innen eine Bühne, um die Auswirkungen von Krieg und Vertreibung auf ihre Arbeit zu erörtern. Hier, geschützt und gehört, fanden sie vor Publikum Worte für zentrale ästhetische und ethische Fragen, etwa darüber, wie sich die syrische Revolution zeigen lässt, die geradezu entfesselte Gewalt, ohne zu reinem Schauspiel oder einer Projektionsfläche für Mitleid zu werden.
 

Interview mit Kathinka Dittrich van Weringh
„Wo können wir zusammen­arbeiten?“

Bevor Kathinka Dittrich van Weringh das Goethe-Institut Moskau gründete, arbeitete sie ab 1969 als stellvertretende Institutsleiterin in dem von Francisco Franco beherrschten Spanien. Über geheime Treffen im Goethe-Institut Barcelona und Auseinandersetzungen mit der Zensurbehörde spricht sie im Interview.
 

Auch Menschen, die sich in ihrem Heimatland für Demokratie und die Freiheit der Kunst einsetzen, will das Goethe-Institut unter einen besonderen Schutz stellen. Dafür gründete es gemeinsam mit dem Institut für Auslandsbeziehungen 2018 die Martin-Roth-Initiative, die temporäre Schutzaufenthalte von Künstler*innen in Deutschland oder sicheren Drittstaaten organisiert und fördert.

Unterstützung in und für die Kunst- und Kreativszene in Krisenländern wird es wohl auch weiterhin geben müssen: Im Sommer 2021 erhielt die Deutsche Botschaft in Minsk vom Belarussischen Außenministerium die Aufforderung, die Tätigkeit des Goethe-Instituts in seinem Land ab dem 30. Juli 2021 einzustellen. Eine solche Situation hat sich in der 70-jährigen Geschichte des Instituts so noch nie zugetragen. 27 Jahre lang war das Goethe-Institut in Minsk tätig gewesen, hat in dieser Zeit die kulturellen und gesellschaftlichen Beziehungen zwischen Belarus und Deutschland gestärkt. Nun ist es geschlossen. Auf unbestimmte Zeit – in der Hoffnung, dass es in Bälde doch seine Arbeit wieder aufnehmen kann.
 
Text: Romy König