Kulturelle Impulse durch Residenzen
Residenzprogramme eröffnen Künstler*innen nicht nur neue Perspektiven, sondern setzen zugleich auch kulturelle Impulse auf internationaler Ebene. Oft entstehen weitreichende Netzwerke und Freundschaften, die lange über den eigentlichen Aufenthalt hinauswirken. Wir haben mit Schriftstellerin, Performerin und Kulturberaterin Chandrika Narayanan-Mohan über ihre Teilnahme am Residenzprogramm „Studio Quantum“ gesprochen.
Von Katrin Figge
Was hat Sie an diesem Residenzprogramm interessiert? Welche Erwartungen hatten Sie, und wurden diese Erwartungen erfüllt?
Ich habe eine Reihe von Arbeiten entwickelt, für die ich Physiker*innen zu ihrem beruflichen Werdegang befragt und ihre Geschichten in Gedichte umgewandelt habe. Ich wollte wissenschaftliche Arbeiten „entmystifizieren“, indem ich den Alltag von Forschenden in den Mittelpunkt stellte. Als ich 2023 Writer in Residence für das Institute of Physics Ireland war, las ich eine Kurzgeschichtensammlung, in der Autor*innen mit CERN-Wissenschaftler*innen zusammengebracht wurden. Besonders fasziniert hat mich die Kurzgeschichte von lisa minerva luxx, die Quantenforschung mit Queerness, Migrant*innenidentität und der Bedeutung von „Zuhause“ verband. Sie inspirierte mich dazu, ein Stück zu schreiben, das Quanten mit wechselnden Identitäten und Familie verbindet. Durch Gespräche mit Quantenforscher*innen, die sich als Migrant*innen identifizieren, wollte ich diese Arbeit während meiner Residenz ausbauen und ihre Geschichten in Gedichten erzählen.
Ich hatte noch nie zuvor an einer strukturierten Künstler*innenresidenz teilgenommen und wusste daher nicht, was mich erwarten würde. Zunächst einmal musste ich die enorme Menge an Informationen über Quantenphysik und die verschiedenen Arten, wie sich Künstler*innen mit diesem Thema auseinandergesetzt haben, aufnehmen. Ich dachte, ich würde ein paar Gedichte über Quantenphysik schreiben und in zwei Monaten fertig sein. Stattdessen habe ich nun mehr Fragen als Antworten, was eher dem Geist wissenschaftlicher und künstlerischer Bemühungen entspricht als meinen ursprünglichen Plänen.
Welche Erfahrungen haben Sie während der Residenz gesammelt? Was waren Ihre Highlights, aber auch Herausforderungen?
Ich war eine von zehn Künstler*innen von Studio Quantum. Im Rahmen des Residenzprogramms nahmen wir an Online-Vorlesungen teil und besuchten ein Quanten-Kunst-Symposium in Berlin mit dem Titel „Fertile Void”. Mein Projekt selbst fand am King’s College London statt, wo ich mit Dr. James Millen und den Forscher*innen seines Labors zusammenarbeitete und auch James’ Quantenvorlesungen besuchte. Für meine Gedichte interviewte ich drei Wissenschaftlerinnen: Clelia Altomonte und Margarita Khokhlova vom King’s College sowie Dr. Ivette Fuentes, die ich bei „Fertile Void“ kennengelernt hatte. In London fanden zwei Veranstaltungen statt, bei denen ich auftrat: eine mit Dr. Eugene Lim und Dr. Linda Rocco und eine mit der Science Gallery London. Die Begegnungen mit den anderen Wissenschaftler*innen und Künstler*innen waren definitiv die Höhepunkte der Residenz.
Ich stand aber auch vor einigen Herausforderungen. Es fiel mir oft schwer, die Quantenphysik zu verstehen, und ich fühlte mich als Autorin inmitten versierter bildender Künstler*innen und Technolog*innen überfordert. Es war auch emotional anstrengend, Zeit in London zu verbringen, zwölf Jahre nachdem ich das Vereinigte Königreich aufgrund der restriktiven Einwanderungspolitik verlassen musste. Doch jetzt habe ich all diese Sorgen, Unsicherheiten und emotionalen Erschütterungen in das Projekt selbst integriert und ihnen erlaubt, meine ursprüngliche Idee zu untermauern und manchmal sogar zu überstrahlen.
Sie waren eine der teilnehmenden Künstler*innen bei dem internationalen Symposium „Fertile Void“ in Berlin im letzten Jahr. Wie haben Sie die Veranstaltung erlebt?
Für „Fertile Void“ habe ich mit dem Studio-Quantum-Künstler und Performance-Poeten David Odiase kooperiert, um unsere Arbeit in einer Performance miteinander zu verknüpfen. Unsere gemeinsamen Themen waren Mutterschaft, nichtlineare Zeit und Erinnerung. Wir haben Stücke aufgeführt, die sich auf die Arbeit des jeweils anderen bezogen. Ich habe „Fertile Void“ geschrieben, ein neues Stück über die Ungewissheit der Schwangerschaft, die sich wie ein Quantenzustand anfühlt. Wir haben auch mit OpenAI gearbeitet, um Filmclips zu unseren Stücken zu erstellen. Es war magisch, die Bühne und den künstlerischen Prozess mit David Odiase zu teilen und die anderen Künstler*innen von Studio Quantum zu treffen. Ich habe noch nie mit internationalen Künstler*innen zusammengearbeitet, und es war schön, einmal nicht die Minderheit in einer Gruppe darzustellen. Ich hatte das Gefühl, Teil eines globalen Gesprächs zu sein – und nicht nur eines westlichen. „Fertile Void“ war eine der denkwürdigsten Erfahrungen meines Lebens, und ich hoffe, mit den Künstler*innen in Kontakt zu bleiben.
Inwiefern hat das Residenzprogramm einen nachhaltigen Einfluss auf Ihre Arbeit?
Ich habe eine neue „künstlerische“ Familie, mit der ich nun regelmäßig in Kontakt stehe. Meine Arbeit für „Fertile Void” ist zur Basis für eine Essaysammlung geworden, und mein Studio Quantum-Projekt „Beautiful Workings”, das ich zusammen mit Fallow Media in Irland entwickle, ist für mich eine neue Ebene der multidisziplinären Zusammenarbeit. Kurz gesagt, dieser Aufenthalt hat mir neue Türen geöffnet, und ich freue mich darauf, sie zu durchschreiten.
Studio Quantum ist ein internationales Veranstaltungs- und Residenzprogramm des Goethe-Instituts, welches die Rolle der Kunst im Kontext neu aufkommender Quantentechnologien untersucht. Die Projektleitung hat das Goethe-Institut Irland inne.