Hubert Fichte in Brasilien
Liebe und Ethnologie

Ausstellungsraum im Centro Municipal de Arte Hélio Oiticica mit Arbeiten von Ayrson Heráclito (links) und Ana Leticia Barreto (rechts)
Ausstellungsraum im Centro Municipal de Arte Hélio Oiticica mit Arbeiten von Ayrson Heráclito (links) und Ana Leticia Barreto (rechts) | Foto: Diana Sandes

Hubert Fichte war Poet, Ethnologe und früher Vorreiter für neue Disziplinen wie Queer Studies und Postcolonial Studies. In den 1970er Jahren reiste er in mehrere Länder in Südamerika, der Karibik und Afrika und schrieb seine Beobachtungen nieder. Die Ausstellung „Implosão: Trans(relacion)ando Hubert Fichte“ zeigt als Teil des Projekts „Hubert Fichte: Liebe und Ethnologie“ des Goethe-Instituts nun in Rio de Janeiro künstlerische Auseinandersetzungen mit den kontroversen Themen des Autors.

Der deutsche Freigeist Hubert Fichte unternahm zwischen 1969 und 1982 drei Reisen nach Brasilien, erlebte das Land unter dem Militärregime und wurde Zeuge der Zensur der  Medien und der Künste im Allgemeinen. Die Ausstellung „Implosão: Trans(relacion)ando Hubert Fichte“ – eine Hommage an das Vermächtnis des bi-/homosexuellen, unangepassten, anarchischen Kultautors – kommt nun unter der verfassungsmäßig garantierten Meinungsfreiheit nach Rio de Janeiro. 

Kontroverse Kunst zu Fichtes Werk
Kontroverse Kunst zu Fichtes Werk | Foto: Diana Sandes

Ausstellung mit Bedacht

Und doch war auch hier Vorsicht geboten. Die Kunst in Brasilien erlebt 2017 eine Welle des Konservatismus, die unter anderem bereits zur Schließung einer Ausstellung in Porto Alegre führte, Performances verhinderte und die Gültigkeit renommierter Werkschauen in São Paulo infrage stellt.
Das Projekt wurde von Anselm Franke und Diedrich Diederichsen konzipiert und in Deutschland zunächst vom Haus der Kulturen der Welt (HKW) in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut initiiert. Die Ausstellung lud zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler ein, Werke zu schaffen, die mit dem Universum Hubert Fichtes in Dialog treten. Eine Möglichkeit (gar die Absicht), umstrittenen und dem Autor wichtigen Themen aus dem Weg zu gehen, bestand dabei nicht.

Bewusst umstrittene Themen

Sex, die Chronik metropolitaner Subkulturen und Besuche der Kultstätten afrobrasilianischer Religionen und ihrer Priesterinnen sind Elemente der Arbeiten von Ayrson Heráclito (Bahia), Coletivo Bonobando (Rio de Janeiro), Letícia Barreto (São Paulo), Michelle Mattiuzzi (Bahia), Negro Leo (Maranhão), Pan African Space Station (Südafrika) sowie Rodrigo Bueno (São Paulo). Werke, die diese Themen auf explizitere Weise behandeln, sind mit einer Altersfreigabe ab 18 Jahren im zweiten Stockwerk des Centro de Arte Municipal Hélio Oiticica zu sehen. Auch Salvador kommt in Fichtes Nachlass vor, in Gestalt des erstmals ins Portugiesische übersetzten Buchs „Explosion. Roman der Ethnologie“.

Vorurteile reflektieren

In den Werken werden Hubert Fichtes Auseinandersetzungen im brasilianischen Kontext kritisch reflektiert. In der Performance des hauptsächlich aus schwarzen Darstellerinnen und Darstellern bestehenden Coletivo Bonobando nähert sich beispielsweise einer der Schauspieler dem Publikum als „Whitenograf“, eine Art Forscher des Weiß-seins. Er stellt diskriminierende Fragen, die sonst Schwarze in Brasilien zu hören bekommen, wie: „Hatten Sie je Umgang mit Feuerwaffen?“ oder „Wurden Sie bereits früher schon einmal von der Polizei angehalten?“ Zum Schluss kommt die ungewöhnliche Bitte, dem Weißen das Gehirn vermessen zu dürfen.

Kontroverse Abschnitte aus Fichtes Werk

Ironie ist ein Weg, den die Künstlerinnen und Künstler für den Umgang mit Abschnitten aus Fichtes Werk wählten. Es sind Abschnitte, an denen man sich heute gesellschaftlich reibt, wie etwa die Übersexualisierung des schwarzen Körpers oder sein Verrat am Konzept des „Redestandpunkts“, nach dem eine diskriminierte Person für sich selbst und als Protagonist ihres eigenen Kampfes spricht.

Fichte und Ethnologie

Unter Betonung dieser Frage wird die Auseinandersetzung zwischen Fichte und dem Ethnologen Pierre Verger (wie in „Explosion. Roman der Ethnologie“ geschildert) in einer Installation von zwei schwarzen Schauspielern inszeniert, die ihre Gesichter weiß schminken - in Anlehnung und Umkehrung des „Blackfacing“.

Das „trans“ im Titel der Schau schließlich zieht sich durch alle Werke, verweist es doch auf Reflexion und Transition. Fichtes „experimentelle Ethnografie“ erreicht Brasilien als Möglichkeit der Analyse und Resignifikation durch unsere eigene vielschichtige Kultur.

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