Von Nazala Salauddin
Das gehört gar nicht zur Tagesordnung

Das gehört gar nicht zur Tagesordnung
© Sadia Akhter

Wie kann die grundsätzliche Denkweise über die weibliche Sexualität in einem religiös restriktiven Land wie Bangladesch einschneidend verändert werden? Können wir die Komplexität der weiblichen Sexualität jemals mit kritischen Augen verstehen? Reicht es aus, soziale und politische Gesichtspunkte verschiendener Akteure zur Sprache zu bringen? Wir müssen tiefer in uns graben, um dort gründlich aufzuräumen.

Die landläufig als 'Frauen' verstandenen weiblichen Geschöpfe in diesem Land, wurden über die Notwendigkeit 'ihrer Ermächtigung' (Empowerment) informiert und aufgeklärt. Dennoch hat es bis heute den Anschein, dass uns die Vorstellungskraft fehlt, um die Definition dieses Wortes zu begreifen und uns darüber Gedanken zu machen. Sogar die bloße weibliche Präsenz in vielen politischen und sozialen Bereichen dieses Landes wird missverstanden. Ich spreche hier nicht von einer sehr subtilen oder radikalen Auffassung von Feminismus, ich will lediglich damit sagen, dass selbst das grundlegendste Verständnis der Männer und vor allem der Frauen selbst über die Bedeutung von Empowerment für sie selbst sowie über die damit verbundenen Handlungen und Verantwortlichkeiten unklar geblieben ist. Vielleicht liegt das Problem in einer molaren Konstruktion des Themas, die Empowerment als eine zu erzielende 'Einheit' wahrnimmt, und nicht als eine molekulare Verflechtung, das heisst eine Deterritorialisierung des 'Werdegangs einer Frau'. Es gibt eine segmentierte Betrachtungsweise von Frauenfragen nämlich als geschlechtsspezifische Themen.

Dieses Problem ist nicht nur in unserem Land vorherrschend, Schubladendenken ist die Art und Weise, wie soziale Fragen weltweit angegangen werden. Doch genau das passiert unentwegt, wie bei vorbelasteten Emotionen deren  Intensität sich vielfach steigert und die Form von vorbelasteten Konzepten annimmt. Sie setzen  sich rhizomatisch durch. Dieses Gebilde der Wahrnehmung erklärt sich durch das fehlende soziale Netz, mehr noch als durch die hierarchischen Strukturen mit ihren einhergehenden Einschränkungen bzw. Konzeptualisierung. Ein Paradebeispiel dafür ist der Mangel an Wohnungen  für Frauen in unserem Land. Viele sind nicht in der Lage, eine Wohnung zu mieten, und viele müssen unter dem Mangel an angemessenen Wohnplätzen leiden, obwohl sie Miete zahlen und sich eine Wohnung teilen (Khaled 1), egal ob es sich um arme Frauen, Frauen aus der Mittelschicht, junge Frauen an der Universität oder berufstätige Frauen handelt. All dies ist Ausdruck von Fällen der Nachlässigkeit und Erschwernissen, aber welche Sichtweise verbirgt sich dahinter? Manche sind  der Meinung, dass Frauen besser zu Hause bleiben oder in der Öffentlichkeit möglichst nicht sichbar sein sollten, um sicherzustellen, dass sie ihre Gedanken nicht öffentlich äußern; oder manche  'ermächtigen' sie, vielleicht, während sie genau diese 'Ermächtigung'  dadurch untergraben, dass jegliche Initiative fehlt, ein Umfeld zu schaffen, in dem sie 'handeln' können. Die vom Staat betonte Definition von 'Ermächtigung' als Teil seiner 'entwicklungspolitischen Agenda', bleibt  eher symbolisch und ernsthaft problematisch. Es hat den Anschein, dass ihre soziale Entwicklungsagenda Macht nur im Sinne einer wirtschaftlichen Position für Frauen vorsieht, ohne weder ein Umfeld bzw. ein soziales Unterstützungsgerüst zu schaffen, das sie in die Lage versetzen würde, ihre Arbeit zur Selbsterfüllung auszuführen und ihnen zu einer höheren Lebensqualität, auch gesellschaftlich zu verhelfen. Geschweige denn der  Beachtung von Mechanismen der inneren Unterdrückung und Abwertung, denen rhizomatische Wahrnehmungen zugrunde liegen, und unterschwellig verlaufen. Das Wohnen von Frauen in den Slums ist problematisch: Die meisten Arbeiterinnen leben in Gruppenunterkünften (messes)  in den Slums (bostees). Dort sind sie einem ungesunden Umfeld ausgesetzt, in dem sie von den Ordnungshütern überwacht und von den örtlichen Schleppern bzw. Gangster (mastaans) drangsaliert werden. Die Arbeiterin Raj Banu veranschaulicht diese Situation: "Sie wollen also etwas über unser Leben erfahren. Unser Leben ist voller Probleme. Das größte Problem ist die Wohnsituation. Heute kommt jemand von der Regierung (shokar), um uns um 10.30 Uhr aus unseren Bewohnungen rauszuschmeissen. Wir haben also nicht viel Zeit, um mit Ihnen zu sprechen. Wir wissen nicht, was danach mit uns geschehen wird." (Lebensbedingungen...) Dennoch ist die von der Regierung geleistete Hilfe nicht unerheblich. Angeblich unterstützt sie Frauen und hält unsere Position in der globalen Bekleidungsindustrie durch Massenunterkünfte und Gruppenprojekte in Ehren. Der Schwerpunkt bei der 'Aufklärung der Frauen' liegt auf der Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Frauen. Die sozialen und kulturellen Normen, die die Berufswahl bestimmen, werden weniger berücksichtigt.  Laut der Studie "Living Conditions of Women Workers in the RMG sector in Bangladesh" (Lebensbedingungen von Arbeiterinnen in der Konfektionskleidungsbranche in Bangladesch) heisst es:  "Junge Frauen aus derselben Squatter-Siedlung gehen morgens und abends in Gruppen, um unerwünschte Kommentare von Fremden oder Annäherungsversuche von männlichen Bauarbeitern und Rikschafahrern zu vermeiden." Die Gangsterherrschaft durch die mastaans wirkt sich oft auch bis auf die Arbeitsplätze der Fabrikarbeiterinnen aus, wo sie gefährdet sind, sexuell belästigt und  körperlich bedroht zu werden. In dem Artikel "Bangladesh: Protect Garments Worker's Rights" (Bangladesch: Schützt die Rechte der Arbeiterinnen in der Bekleidungsindustrie) schreibt eine anonyme Gewerkschafterin der Bekleidungsindustrie: "Es gab einmal einen mastaan sowie den Bruder des Besitzers und einige andere Mitarbeiter. Der maastan drohte: "Wenn du deinen Job nicht aufgibst, werden wir dir etwas Schlimmes antun, also nimm dein Geld, nimm zwei Monatslöhne und hau ab." Ich war sehr verängstigt und stimmte zu. Ich unterschrieb das Kündigungsschreiben und bekam das Geld ausgehändigt. Wer Widerstand leistet, muss mit Konsequenzen rechnen und leiden." Dies verdeutlicht, wie ernst es die Regierung mit der 'Ermächtigung' von Frauen meint, denn einige von ihnen wurden angegriffen, nur weil sie ihre eigene Gewerkschaft gründen wollten. So haben weibliche Beschäftigte im Allgemeinen (und Beschäftigte im Allgemeinen) panische Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, wenn sie für ihre Rechte kämpfen. Das hält sie natürlich nicht davon ab, öffentlich zu protestieren oder die Fabrik zu besetzen, wenn es um Hunger geht, wie z.B. trotz des Klimas der Angst immer wieder stattgefundenen 'wilden' Streiks, Sitzblockaden und Proteste beweisen.

Sexualität im Rhizom


Was die Sexualität anbelangt, würde ich behaupten, dass sich die Wahrnehmung der Frauen von  ihren eigenen sexuellen Wünsche trotz der beträchtlichen und im Vergleich zu Nachbarländern wie Indien relativ hohen Beteiligung an Bildung und Wirtschaft rhizomatisch ausbreiten kann, wie es sich bei Krebszellen verhält. 

Es verewigen sich bestimmte Gedankengänge, die dazu führen, dass man sich auf eine bestimmte Art und Weise verhält. Doch, wenn wir uns die Widersprüche ansehen, die die bisher gesammelten Daten offenlegen, ist die Norm alles andere als 'offensichtlich'.  Einige Feldstudien erhalten die Vorstellung aufrecht, dass Frauen die Geschlechternormen befolgen und auf die sexuellen Wünsche ihres Mannes eingehen. Wenn sie dazu gezwungen und gegen ihren Willen bedrängt werden, wird ihr Selbstwertgefühl untergraben, und sie sind nur noch Gebärmaschinen. Einige von ihnen erleiden ein sexuelles Trauma oder lehnen den Geschlechtsverkehr sogar ganz ab. Dies ist jedoch kein Indiz für eine universelle Norm - wie wir noch im weiteren Verlauf sehen werden - aber es ist sicherlich ein Grund zur Überlegung darüber, wie wir das Projekt  'Empowerment' gestalten wollen. Eine 25- jährige Frau äußerte sich  zum Thema sexuelles Trauma wie folgt: "Erzwungener Sex ist eine bittere Erfahrung. Zu dem Zeitpunkt hasse ich alles. Ich habe das Gefühl, sterben zu müssen. Nur eine Frau, die das erlebt hat, kann verstehen, was erzwungener Sex bedeutet. Ich fühle mich schrecklich, sowohl geistig als auch körperlich" (Khan 251-253). Das Konzept von Respekt, Vertrauen und Liebe, das eine Beziehung idealerweise beinhalten soll, kann man vergessen. Es ist lediglich ein Vertrag mit stillschweigend internalisierten Erwartungen, der solche Fälle von unausgesprochenem Wollen und Verlangen unsichtbar zu kontrollieren scheint. Solche Fallstudien liefern den Anschein, dass die weibliche Wahrnehmung der Sexualität von Unterdrückung gekennzeichnet ist und zwar in Form von Scham. Diese Wahrnehmung  breitet sich aus wie ein Netz von Wurzeln und stellt eine Verbindung von Gefühlen, Unzufriedenheiten und erlittenen, uralten Ungerechtigkeiten her, denn die 'sexuellen Rechte' existieren ausschließlich zugunsten der Männer und Ehemänner auf der gleichen Ebene der sich immerwährenden nicht-hierarchischen rhizomatischen Erscheinungen - ein Verbund von Versionen unterschiedlicher sexueller Intensitäten und deren Reaktionen wie Assemblagen. 

Dennoch ist ebenfalls das Gegenteil bezüglich Heirat auch in Bangladesch anzutreffen. Sowohl in ländlichen als auch in städtischen Gebieten sind sich viele Mädchen ihrer Sexualität gegenüber positiv eingestellt und diese Einstellung wird durch verheiratete Frauen sowie weibliche Verwandte rhizomatisch verbreitet.

In Khans Artikel heißt es: "Eine 25-jährige Befragte, die bis zur 12. Klasse die Schule besucht hat, sagte: "Ja, natürlich wusste ich Bescheid über das Sexualleben, das nach der Heirat stattfindet. Und jeder gebildete Mensch weiß das. Meine Schwägerin hatte mir einige Techniken beigebracht, wie ich mich meinem Mann nähern oder mich durch die regelmäßige Einnahme von Pillen vor einer Schwangerschaft schützen kann." (242).

Da man sich von dieser Ebene der typischen kulturellen Gebilde nicht wegbewegt, bleibt der Zugang zu positiven Versionen des sexuellen Bewusstseins der Frauen uns mehr oder weniger verschlossen (abgesehen von Ausnahmen), was zur Folge hat, dass wir im Schatten des Nichtwissens leben, wobei das wirkliche Verlangen in der weiblichen Erfahrung/Identität lebt, aber für uns eine nicht erkennbare Lichtquelle bleibt.

Das Verhalten von Männern kann sehr wohl von der normativen Voreingenommenheit ihrer Geschlechtsidentität und ihres klischeehaften Überlegenheitsgefühls stammen, insbesondere wegen des auf ihrer bloßen Existenz beruhenden wirtschaftlichen und sozialen Status. Die ganze Struktur kann als rhizomatisch verstanden werden, da sie manchmal schwer zu durchbrechen oder gar zu verstehen ist. Ihre Elemente haben sich so gut innerhalb der Psyche der beiden Geschlechter eingenistet, dass wir uns kaum die Mühe machen, die Struktur zu hinterfragen, so unendlich verbindend und territorialisierend sind ihre Tendenzen. Die durch erzwungenen Sex oder die völlige Missachtung der sexuellen Gesundheit von beiden Geschlechtern verursachten rhizomatischen Stränge sexueller Unterdrückung und ein einhergehendes traumatisiertes Selbstwertgefühl führen zur Verinnerlichung des sexuellen Kummers bei Frauen und sorgt dafür, dass er vom  Bewusstsein der Frauen aufgenommen wird. Natürlich können auch männliche Opfer sexueller Traumata eine ähnliche Verinnerlichung erfahren. Das ist spürbar einer der Gründe, warum vorehelicher Geschlechtsverkehr nach kulturellen und religiösen Normen nicht akzeptabel ist, aber der Zusammenhalt und das Ansehen der Familie sind weniger stark beeinträchtigt, wenn es sich um einen Mann handelt, nicht aber, wenn es eine Frau betrifft (Khan 237-253). Die sexuellen Wurzeln bilden eine Einheit unter den Frauen und verfestigen sich in solch einem Ausmaß, dass eine Deterritorialisierung unmöglich erscheint. Soziale und eheliche 'Fluchtwege' werden daher nur im schlimmsten Fall eingeschlagen, etwa bei Schädigung der weiblichen Anatomie durch Verhütung oder bei familiären Krisen.  Laut einer kritischen Analyse sexueller Sachverhalte sind überraschenderweise Neugier und ethisches Verhalten nicht rhizomatisch, sondern sehr hierarchisch, da Männer und Frauen unterschiedlich in ihrem moralischen Charakter und ihrer Erziehung sind. Auch Umweltfaktoren beeinflussen die Einstellung von Männern und Frauen zur Sexualtät. Glücklicherweise ist die 

Religion eine normgebende Hürde gegen Misshandlung und Ungerechtigkeit und idealisiert eine harmonische Beziehung zwischen Mann und Frau. Viele beachten es, da sexuelle Aktivität und deren Aufrechterhaltung nach der Heirat im Islam nicht nur erlaubt, sondern erwünscht sind.

Allerdings kann die normative Ebene als eine Reibungsfläche für diese 'ideale Ebene' wirken, wo die krebsartigen männlichen rhizomatischen Prinzipien die wahre weibliche Neugier und natürliche Bekennung zu ihrer Sexualität gefährdet haben, und an deren Stelle hat die männliche sexuelle Dominanz zugenommen und sich gleichmäßig rhizomatisch verbreitet, indem das weibliche Bewusstsein als die gleiche  Ebene der Weiterführung  und Aufrechterhaltung benutzt. Die Religion wirkt jedoch als Katalysator für positives sexuelles Verhalten von Frauen, die in der Lage sind, diese 'ideale Ebene' zu erreichen, und zwar in Fällen erfüllter ehelicher Beziehungen, die neue Gefüge und sogar Fluchtwege schaffen.

Seltsame Bettgenossen


Man kann vielleicht davonausgehen, dass Vorurteile Raum für Empowerment geschaffen haben - etwa im wirtschaftlichen Bereich. Ein wichtiges Beispiel dafür ist die Behandlung der Arbeiterinnen in der Bekleidungsindustrie durch ihre Vorgesetzten. Ihnen werden 'einfache Arbeiten' zugeteilt und bleiben somit  ungelernte Arbeiterinnen. Sie können nicht befördert werden, und  verdienen also nicht mehr (Repon 31). Sie werden vor allem wegen der niedrigen Lohnkosten und ihrer physischen Erscheinung für die Bekleidungsbranche ausgewählt. Dort erfahren sie Repressalien und Missachtung  ihrer grundlegenden Rechte. Viele der Probleme kommen aufgrund ihrer unangemessenen und falschen Darstellung durch Nichtregierungsorganisationen gar nicht zur Sprache und erhalten nicht die dringend benötigte Aufmerksamkeit und Gehör. Die NGO‘s und Geberorganisationen konzentrieren sich auf Themen, die international wichtig sind und ihr finanzieller Wert messbar ist. Die Gewerkschaften und Gruppen, die im Zusammenhang mit der Stärkung der Rolle der Frau gegründet werden, können auch in ihrer Führung und ihrem Anliegen korrupt werden, was eine Aufnahme von neuen Mitgliedern und die freie Meinungsäußerung innerhalb dieser Gruppen verhindert. Dem Artikel von Srivastava zufolge schlagen die von den Organisationen durchgeführten Maßnahmen fehl und führen nicht zu einer Lösung, da die Ursachen für die Unterdrückung von Frauen und die Verweigerung ihrer grundlegenden Rechte nicht erkannt werden. Die von Geberorganisationen und NGO‘s eingeleiteten Schritte werden nicht ordnungsgemäß ausgewertet, um ihre tatsächlichen Auswirkungen auf die Veränderung des Status der Frauen festzustellen. Somit fehlt die Möglichkeit, die Tragweite des Eintretens der verschiedenen Organisationen herauszufinden (13-15). An der Schnittstelle zwischen der internationalen und der nationalen Ebene müssen viele angesehene Frauenorganisationen zwischen ihren eigenen Prioritäten und denen der Geber navigieren. In Nazneens Artikel heißt es zum Beispiel: "Einige dieser Organisationen, wie Bangladesh Mohila Parishad (BMP), Naripokkho, Women for Women, Bangladesh National Women Lawyer’s Association (BNWLA), versuchten bezüglich der Finanzierung sicherzustellen, dass die Ziele der Organisation mit den spezifischen Aufträgen der Geber übereinstimmten. Sie versuchten auch, die Kontrolle über ihre Arbeitsplanung zu behalten und ihre Unabhängigkeit zu bewahren, indem sie ihre Kernaktivitäten von der projektfinanzierten Arbeit getrennt halten" (12). Dies deutet darauf hin, dass wichtige Bewegungen einen schwierigen Weg beschritten haben, um sich in die von Gebern finanzierten Programme einzufügen und gleichzeitig ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Die Bewegungen zum Empowerment der Frau funktionieren innerhalb des gesellschaftlichen Systems, solange es den politischen Absichten und den sozialen Zweckmäßigkeiten entspricht. Zu diesen, Zweckmäßigkeiten insbesondere für die 'Entwicklungs'- Programme der Dritten Welt, gehört, dass Frauen als Antriebskraft zur Verbesserung der Wirtschaft benutzen werden, indem man ihnen Rechte und Schutz durch organisierte Frauenbewegungen verspricht. Anfangs mag alles richtig erscheinen. Aber schließlich beginnt die Fassade zu verblassen: Nach und nach  werden Schwachstellen in solchen Bewegungen sowie die Zweckentfremdung  solcher Bewegungen für wirtschaftliche und persönliche Vorteile  aufgedeckt. So heißt es in Nazneens Artikel: "Die organisatorischen Abläufe sind standardisiert, formalisiert und etwas bürokratisch" (12). Ein deutlicheres Beispiel ist, wie die Fabrikmanager die gewerkschaftliche Organisierung von Arbeiterinnen mit verschiedenen Mitteln verhindern und verbergen kaum noch ihre wahren Motive, die nicht in erster Linie dem Wohlergehen ihrer Arbeiterinnen dienen. Im Artikel "Bangladesh: Protect Garment's Worker's Rights" heißt es: "Gewerkschaftsaktivisten beklagten sich auch darüber, dass einige der Gewerkschaften in den Fabriken nicht wirklich unabhängig sind, sondern so genannte von den Fabrikbesitzern selbst gegründete 'gelbe Gewerkschaften' sind, um die Arbeiterinnen zu kontrollieren und sie daran zu hindern, eine Gewerkschaft ihrer Wahl zu gründen oder ihr beizutreten." Dies beweist, dass die Vorgesetzten bereit sind, offen zu lügen, indem sie eine angeblich angemessene Beteiligung von Fabrikarbeitern vorweisen und behaupten, zu einer florierenden Wirtschaft beitragen zu wollen.

Sie werden Empowerment der Frauen 'unterstützen', wenn es ihren Absichten dient und die Arbeit in der Fabrik störungsfrei abläuft. Sie schrecken sogar vor sexuellen Angriffen auf die Frauen nicht zurück,  solange es ihrem Zweck dient, die Fabrik für ihre sogenannte 'wirtschaftliche Entwicklung' zu betreiben. Ein weiteres Beispiel dafür findet sich in dem Artikel "Bangladesh: Protect Garment’s Worker’s Rights": "Viele weibliche Beschäftigte berichteten, dass sie sich Drohungen oder Beschimpfungen sexueller Art haben gefallen lassen müssen. Andere beschwerten sich über einen Fabrikaufseher, der androhte, dass jede Frau, die der Gewerkschaft beitrete, nackt ausgezogen und auf die Straße geworfen werden würde. In einer anderen Fabrik sagte ein Betriebsleiter, zu einer Gewerkschaftsorganisatorin, sie 'beschmutze' seine Fabrik und solle in einem Bordell arbeiten.

Die Bessenheit


Das von verschiedenen nationalen und internationalen Organisationen geförderte internationalen Organisationen geförderte Konzept von Empowerment folgt weitgehend einem instrumentalistischen Ansatz, bei dem das Konzept für organisatorische Ziele instrumentalisiert oder angeblich begehrt wird. Der übergreifende Fokus auf die wirtschaftliche Entwicklung (Mikro- sowie Makroebene) bezüglich der Frauen scheint im Hinblick auf die  bereits bestehenden Bedingungen, im Wesentlichen keine Veränderung im kulturellen oder individuellen Bereich ausgelöst zu haben.

Was die berufstätigen Frauen in Bangladesch betrifft, eine oft gelobte Bevölkerungsgruppe, sind weiterhin aus wichtigen Entscheidungspositionen weitgehend ausgeschlossen. Wenn man ihnen wichtige Positionen einräumen würde, bedeutet das auch, dass die männlichen Mitarbeiter ihre Macht teilen. Bisher ist es  im Bekleidungssektor so gehandhabt worden dass Männer Vorgesetztenpositionen besetzen, selbst wenn die weiblichen Mitarbeiter kompetenter sind (Repon 3-41).

Ich will nicht behaupten, dass Empowerment gleichbedeutend ist mit dem Thatcher-cum-Indira-Gandhi-Modell, oder wie es in unserem Fall ist, die mächtigste Person des Landes eine Frau ist, oder dass es mehr weibliche CEOs geben sollte. 

Die neo-liberalen Medien scheinen von der 'individuellen Erfolgsgeschichte' zu leben, ohne Rücksicht auf die Ethik eines rücksichtslosen 'Chefs' oder der Führungskraft, für die sie ohne Bedenken werben.

Das Beispiel für starke Frauen sollte, wenn überhaupt, von der untersten Schicht der Gesellschaft ausgehen - oder wie kann man sonst wissen ob sich die Sanduhr überhaupt umgedreht hat? Doch selbst an der so genannten Basis ist Solidarität unter Frauen nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit. In dem internationalen Film Made in Bangladesh von Rubaiyat Hossain versucht die Protagonistin Shimu nach einem verheerenden (und nicht ungewöhnlichen) Fabrikbrand, den Weg des Widerstands zu gehen, indem sie sich für eine Gewerkschaft einsetzt; ihre Mitarbeiterinnen sind jedoch bis zu einem gewissen Grad gegen sie. Das läßt erkennen,  dass bei den Frauen einfache Eigeninteressen oder Ängste Vorrang vor dem Bestreben nach Emanzipation und der Sicherung der Arbeitsrechte haben.

Hausarbeit und andere informelle Tätigkeiten werden nicht ernstgenommen, weil die Gesellschaft den Wert von Arbeiten, die kein Geld einbringen, nicht anerkennt. Die patriarchalische Sichtweise scheint verzweigt zu sein und sich ausschließlich auf Werte wie Effizienz, Sparsamkeit und körperliche Stärke stützt. Doch passt sie sehr gut zur rhizomatischen Konsumgesellschaft und zu ihrem Entwicklungsgebot.

Sie sieht jedoch nicht die von Frauen oder weiblichen Energien ständig ausgehende rhizomatische Kraft. Eine Kraft, die wie 'Kitt' beim Zusammenhalten der Familie wirkt und bei der Betreuung von für die Wirtschaft so wichtigen Arbeitskräften entscheidend ist. Das ist doch, was das kapitalistische patriarchalische System sich ersehnt.

Trotz solchem Einsatz von seiten der Frauen sucht das System ständig nach Wegen, die  weibliche Stärke unaufälliger auszubeuten, und zwar im Namen des Profits und der Erhöhung der  Effizenz - eine Einstellung, die den  rhizomatischen Prozess verschleiert und dem hierarchischen System zum Überleben verhilft. Die weibliche Stärke wird strukturell  unter Kontrolle gebracht, wobei Gespräche über, oder eher, einfache Erwähnungen von Empowerment gar nicht für sie bestimmt sind. Sie dienen lediglich dazu, das   unterdrückerische hierarchische System zu rechtfertigen oder, im Rahmen  der rhizomatischen Diskriminierung, alle Strukturen zu nähren und aufrechtzuerhalten. In vielen Fällen werden den Frauen Unterstützung in Form von menschenwürdigen Arbeitsverhältnissen vorenthalten. Damit sie ihre Arbeit verrichten können, benötigen sie z.B. einen angemessenen Mutterschaftsurlaub, sanitäre Einrichtungen (ich konnte in meiner Schule nie auf die Toilette gehen und war die meiste Zeit meines Studiums dehydriert), Kinderbetreuungseinrichtungen usw.  All dies ist nicht nur in Bangladesch der Fall, sondern weltweit sehen sich berufstätige Frauen unter den  ausbeuterischen Rahmenbedingungen des Kapitalismus mit ähnlichen Erschwernissen konfrontiert. Gehören solche Kompromisse zu bestimmten Territorien - und wenn ja, wessen Interessen wird dabei gedient?

Frauen können sehr wohl davon profitieren, eine pyramidale Struktur zu unterstützen, in der die weibliche Psyche nicht nur 'gebildet' ist, sondern sich selbst und andere nicht nur für eine gweisse Zeit sondern über Generationen hinweg in Gruppen unterstützen kann. Dazu fällt mir eine TV-Serie aus Kolkata ein mit dem Schwiegermutter-Schwiegertochter-Syndrom, ein weiterer 'rhizomatischer' Strang der 'Entmachtung'. Wenn die Töchter eines jeden Hauses von den älteren Frauen der Familie unterstützt werden würden, ihre Arbeit in Solidarität mit anderen Frauen in der Familie zu verrichten, anstelle sich von ständiger Eifersucht, Kritik, Mangel an Mitgefühl und Verständnis beeinträchtigen zu lassen, dann könnte eine kollektive 'Macht' realisierbarer sein und nicht nur durch eine Handvoll von Frauen, die befördert werden oder erfolgreich sind, indem sie ihr persönliches oder soziales Leben opfern (ganzheitlich, menschlich handeln).

Literaturverzeichnis:

 

AUTORIN

Nazala Salauddin
© Nazala Salauddin

Nazala Salauddin ist eine ehrgeizige Studentin aus Bangladesch. Sie hat kürzlich ihren Bachelor an der BRAC University abgeschlossen und studiert zur Zeit Englische Literatur im Master-Studiengang an derselben Universität. Sie würde sehr gerne Schriftstellerin werden und  hat vor, Romane und Prosastücke zu schreiben, die sich kritisch  mit dem Dilemma der Menschen auseinandersetzen. Es ist ihre Hoffnung und ihr Wunsch durch ihre Schreibkunst etwas bewirken zu können.

ILLUSTRATORIN

Sadia Akter
© Sadia Akter
Hallo, hier ist Sadia Akter. Ich habe meinen Abschluss in der Abteilung für Grafikdesign an der Universität Dhaka gemacht. Zurzeit mache ich meinen Postgraduiertenabschluss an derselben Fakultät. Ich habe immer gedacht, dass ich eine freie und lebendige Seele habe, wie ein Vogel. Als Kind habe ich immer ein starkes künstlerisches Selbst in mir gespürt, das eine neue Richtung bekam, als ich hier an der Fakultät für Bildende Kunst studierte. Ich erforsche mich ständig selbst und suche nach Inspiration durch alles, was mich umgibt. Ich liebe es, meine Seele in neue Kunstformen wie Theater und Performance Studies einzuführen. Ich bin Kinderbuchillustratorin und habe für Kunden in der ganzen Welt gearbeitet. Ich habe ein breites Spektrum an Arbeitsbereichen, in denen ich jeden Tag meine Flügel ausbreite.

Top