Thomas Hummitzsch über "Operation Läckerli"
Museales ist Trumpf

Tim Dinter: Museumsquartett | Kunstmuseum Basel © Tim Dinter (Ausschnitt)

Als Tim Dinter in den neunziger Jahren als Teil der Comicgruppe Monogatari nach Basel reist, ist er die Berliner Hektik gewöhnt. In Basel geht er ins Museum.

Zugegeben, man weiß nicht genau, ob da eher der Zeichner (Tim Dinter) oder der Szenarist (Kai Pfeiffer) durch Basel flaniert, aber der einleitende Kommentar spricht Bände: „Berlin – hier wachsen die sehenswerten Sedimente im Zeitraffer. Dieses Paradies der Instant-Archäologie hat auf meiner zarten Haut eine fossile Kruste gebildet. Ich werde die verstopften Poren meines Sehnervs entschlacken müssen. Hierfür hilft nur eine gründliche Entgiftungskur“, heißt es da. Und infolge stolpert der gezeichnete anonyme Protagonist – es ist der melancholische „Flaneur“, den Pfeiffer und Dinter Anfang der 2000er Jahre für die FAZ erfanden und durch Berlin streifen ließen – durch „Basel – Ort der Reinheit“, vom historischen Marktplatz über den Ausblick vom Münster auf den Rhein zum Schaulager Basels, einem „Kunstkühlschrank“, in dem „Kunstwerke wie Leichen klimatisiert“ werden, „um ewig frisch erscheinenden Kunstgeschmack zu garantieren.

Diese Einleitung der „Operation Läckerli – Comicreportagen aus Basel“ ist auf sprachlicher Ebene wegweisend für Tim Dinters Solisten-Beitrag in dem 2004 herausgegeben Band (der übrigens die vierte und letzte Publikation darstellt, bevor die Mitglieder der Gruppe Markus Witzel alias Mawil, Tim Dinter, Kathi Käppel, Jens Harder, Ulli Lust und Kai Pfeiffer jeweils eigene Wege gehen). Denn Dinter interessiert die Stadt selbst nicht so richtig, er überlässt deren Highlights – den FC Basel, den Basel Beach und die touristischen Eindrücke beim Spaziergang durch die Innenstadt – seinen zeichnenden Kompagnons.

Er widmet sich stattdessen den musealen Möglichkeiten der Stadt und stellt diese in einem Quartett zusammen. Quartett – für alle, die sich nicht mehr erinnern – sind jene Kartensammlungen, die mehrere Kennwerte ihrer jeweiligen Objekte tragen, um diese miteinander zu vergleichen. Zwei oder mehr Spieler spielen dann gegeneinander. Der jeweilige Spieler im Vorteil pickt sich einen Wert auf seiner Karte heraus, von dem er ausgeht, dass er der beste im Spiel ist und fragt diesen bei seinen Mitspielern ab. Hat er Recht, bekommt er deren Karten, hat jemand einen besseren Wert, muss er abgeben und ist nicht mehr am Zug.

Nach diesem Muster hat Dinter ein Museumsquartett erstellt, berücksichtigt hat er ein dutzend Häuser: das Museum für Gegenwartskunst, das Kunstmuseum Basel, das eingangs erwähnte Schaulager, die Fondation Beyeler, das Historische Museum Barfüsserkirche, das Museum der Kulturen – Naturhistorisches Museum, das Antikenmuseum, die Kunsthalle Basel, das Museum Jean Tinguely Basel, das Vitra Design Museum, das Karikatur & Cartoon-Museum (heute Cartoonmuseum) Basel und das Puppenhausmuseum (in der Reihenfolge der Abbildung). Die jeweiligen Kennwerte lauten Ausstellungsfläche in Quadratmetern, Anzahl der Exponate, Besucherzahlen im Jahr, Jahr der Eröffnung und dann eine persönliche Wertung von Architektur, Renommee und Lage, bewertet mit einer bis fünf Bananen (warum Bananen, erklärt sich nicht); eine Banane ist schlecht, fünf Bananen die Bestnote.

Wer jemals in Basel war, der weiß, dass die Stadt tatsächlich einige Museen zu bieten hat und man kann Dinters Quartett durchaus wie einen Museumsführer lesen, der auf einen Blick zusammenfasst, ob sich der Besuch lohnt. Woran man sich dabei orientiert, kann jeder selbst entscheiden, ob nach Lage, Besucherzahlen, Anzahl der Exponate oder der Architektur, wenngleich Dinters Angaben nicht immer ausreichend hilfreich sind. Beispielsweise ist das Renommee von Puppenhausmuseum und Karikaturmuseum identisch (fünf Bananen), ein Blick auf die Besucherzahlen zur Entscheidungsfindung ist jedoch wenig hilfreich, da steht nämlich einmal 15.000 und einmal viele (welcher Wert wo steht, finden Sie am besten selbst heraus).

Als kleine Hilfestellung für das Spiel dieses Quartetts seien noch ein paar Fakten verraten: das Museum mit der größten Ausstellungsfläche hat auch die meisten Exponate und ist schon mehr als einhundert Jahre alt, bei Architektur und Renommee ist diese Karte allerdings schlagbar. Etwa durch die Karte eines Museums, das genauso alt ist wie das eben beschriebene, aber ansonsten in fast allen Kategorien (außer Lage) schlagbar scheint. Das Museum mit den meisten Besuchern schwächelt übrigens bei der Anzahl der Exponate, im Cartoonmuseum etwa ist die Exponatdichte um ein Vielfaches höher. Es gäbe natürlich noch viel mehr zu analysieren, aber letztendlich verhält es sich mit diesem Quartett wie mit allen anderen: jeder Spieler muss seine eigene Strategie finden, wenn er erfolgreich sein will. Woran der Erfolg gemessen wird, ob an der Anzahl der Karten oder dem angenehmsten Museumsbesuch, kann zum Glück jeder selbst entscheiden.

Monogatari. Operation Läckerli – Comicreportagen aus Basel. Edition Moderne. 160 Seiten. 18,- Euro.

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