Paulo Carvalho: Deutsch als Karrieresprungbrett

Paulo Carvalho, Diretor Brasileiro da Escola Alemã Corcovado
Ana Branco © Goethe-Institut

Als Paulo Carvalho Lehrer des Goethe-Instituts Rio de Janeiro wurde, war er sehr stolz. Er hat selbst Deutsch am Institut gelernt, und die Lehrer/innen waren eine Art Helden und Heldinnen für ihn. Auf einmal war er selbst einer von ihnen. Die Lehrtätigkeit ruht, als Direktor des brasilianischen Teils der Escola Alemã Corcovado ist Carvalho voll ausgefüllt. Aber vieles von dem, was ihn in seine Position gebracht hat und was er in seinem Alltag und seiner Arbeit braucht, kommt aus seiner Ausbildung und seiner Tätigkeit am Goethe-Institut.
 

Herr Carvalho, Sie haben familiär keinen Bezug zur deutschen Sprache. Wie ist bei Ihnen der Kontakt enstanden?

Er ist dem Konzept der dritten Sprache geschuldet. Nachdem ich eineinhalb Jahre Englisch-Kurs übersprungen habe, hatte ich die Möglichkeit, eine weitere Sprache zu lernen. Aus einem persönlichen Grund und eher zufällig habe ich Deutsch gewählt. Es war ein sehr glücklicher Zufall für mein Leben.

Wie sind Sie zum Goethe-Institut Rio de Janeiro gekommen?

Ich habe meine erste Deutschstunde im Goethe-Institut mit der Lehrerin Gisela in einem halbintensiven Kurs in einem Monat Oktober gemacht. Und ich erinnere mich wie heute an eine der ersten Sätze aus der ersten Stunde, der mich beeindruckt hat: “Das weiß ich nicht.” Für mich gab es zwei Möglichkeiten: Entweder diese Sprache ist total willkürlich und ergibt nicht den geringsten Sinn. Oder sie hat eine spezielle Satzstruktur.

Was offensichtlich der Fall war?

Ja, das hat meine Neugier für die Sprache geweckt und mich motiviert. Das, was man sonst in drei Jahren macht, habe ich in einem Jahr gemacht. Ich habe alle möglichen Intensivkurse besucht. Und ich habe das erste Diplom nach eineinhalb Jahren gemacht. Ich habe eine sehr tiefe Beziehung zur deutschen Sprache aufgebaut.

Haben Sie da schon gemerkt dass sich durch das Deutsch Türen öffnen?

Nein, das ist bei mir mit einem persönlichen Reifeprozess zusammen gekommen. Ich war 16 und wusste nicht so recht, was ich aus oder in meinem Leben machen wollen würde. Telekommunikationstechnik, Architektur oder Kino – und ich wurde Deutschlehrer. Deutsch lernen hat mir in erster Linie Spaß gemacht und an zweiter Stelle stand die Frage, was ich damit in der Praxis tun würde.

Was war für Sie die beste Methode Deutsch zu lernen?

Meine Erfahrung als Lehrling, der ich war oder immer noch bin dadurch, dass das nicht meine Muttersprache ist, ist mit viel Natürlichkeit und wenig Druck zu lernen. Die Dinge fließen zu lassen. Als Lehrer am Goethe-Institut habe ich diese Perspektive mitgenommen. Ich habe die Deutschlehrer-Ausbildung unter anderem am Goethe-Institut in São Paulo gemacht, ein Praktikum bei Fernando Gil, der den pädagogischen Bereich in Rio koordiniert, eine bestimmte Zeit am Baukurs gearbeitet. Alles basiert immer darauf, dass ein/e Lehrer/in weiss, was er/sie im Klassenzimmer tut. Ob man nun mehr oder weniger Grammatik vermittelt – innerhalb einer Gruppe kommt es darauf an, die unterschiedlichsten Impulse zu geben, damit jeder so viel wie möglich lernt.

Bis zu welchem Punkt müssen Sie auch Vermittler zwischen der deutschen und der brasilianischen Kultur sein?

Ich gebe in meiner Funktion als Direktor des brasilianischen Teils zu, dass dies eine geringere Herausforderung ist, als es auf den ersten Blick erscheint. Wir sind eine Begegnungsschule, die Struktur hat sich über die Zeit entwickelt. Es gibt einen deutschen und einen brasilianischen Teil und die Strukturen wiederholen sich. Es ist eine Schule. Mit verschiedenen Charakteristiken, die sich auf eine sehr interessante Art und Weise komplementieren.

Worin sehen Sie die Herausforderungen im Kulturaustausch, in der Sprachvermittlung und Erziehung für das Goethe-Institut und die Escola Alemã Corcovado in den kommenden 60 Jahren?

Die technologischen Veränderungen und neuen Formen der Kommunikation, des Lernens und Arbeitens bedeuten eine Herausforderung für Lehranstalten. Sei es im Umfeld der Schule oder in dem des Instituts. Die Tendenz zu Unterrichtsformen, bei der die Schülerin/der Schüler nicht oder nur tweilweise anwesend ist, ist eine Herausforderung für das Goethe-Institut. In der Schule ist es ohne Zweifel der bewusste und verantwortungsvolle Umgang mit den neuen Technologien. Uns ist es lieber, diesen zu lehren als vorzugeben, dass die neuen Medien und soziale Netzwerke nicht existieren.
 


 

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