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Britische Skepsis gegenüber Robotern
Warum Großbritannien – noch – nicht auf Roboter steht

Cartoon eines Roboters, der fernsieht
© Goethe Institut London. Illustration: Carlos D'Agaro.

Britischer Skeptizismus und die Angst vor dem Terminator könnten die Roboterrevolution aufhalten. 

Von Chris Stokel-Walker

Science-Fiction ist seit langem auf die Idee von Robotern fixiert, weit bevor der tschechische Autor Karel Čapek den Begriff 1920 in einem Theaterstück prägte. Der Gedanke, dass ein nichtmenschliches Pendant uns assistieren könnte – sei es in einer sklavereiähnlichen Beziehung wie bei Čapek oder als ebenbürtiges Gegenüber –, ist ein Menschheitstraum. Aber in den vergangenen mehr als hundert Jahren drifteten der Roboter aus der Literatur und der Roboter der Realität weit auseinander.

Bis jetzt. Dank massiver technologischer Fortschritte steht die Roboterrevolution heute unmittelbar bevor. Firmen wie Boston Dynamics, deren menschenähnliche Roboter über und um Objekte herum hüpfen, springen und tanzen können, und SoftBank Robotics, deren Roboter Pepper Kund*innen seit beinahe einem Jahrzehnt dabei hilft, an ihr Ziel zu gelangen, haben die Roboter-Renaissance in Gang gebracht. Noch nie waren wir näher daran, dass Science-Fiction wissenschaftliche Wirklichkeit wird.
Auch beim Goethe-Institut London ist ein Interesse daran erwacht, einen eigenen humanoiden Roboter Pepper in der Bibliothek des Instituts einzusetzen, um für Besucher*innen verschiedene Buchgenres ausfindig zu machen. Das Institut steht mit seinem Vorstoß auf das Terrain der Robotik keineswegs alleine da – Organisationen und Individuen in aller Welt lassen Roboter auf jeweils eigene Art und Weise Aufgaben erledigen.

Es ist die natürliche Entwicklung von Jahrzehnten von Technologie, die auf unser Leben übergreift. „Hier im Westen sind wir stark an Informationsbildschirme und das Eingeben von Informationen gewöhnt, wenn wir überlegen, wie wir an einen bestimmten Ort kommen“, erklärt Jonathan Aitken, der sich als Wissenschaftler an der Universität Sheffield mit der Nutzung von Robotern beschäftigt. „Pepper hat den Vorteil, dass er einen physisch dort hinbringen kann – dazu kommt die Gelegenheit für eine Beschäftigung oder Interaktion mit dem Roboter, die man womöglich noch nie hatte.“

Während es jedoch weltweit mehr als drei Millionen Industrieroboter und wahrscheinlich Tausende von eher menschenähnlichen Robotern mit mehr oder weniger ausgeprägter künstlicher Intelligenz oder Interaktionsmöglichkeiten gibt, hinkt Großbritannien im Robotikrennen hinterher. 2020 wurden der International Federation of Robotics zufolge in Großbritannien nur knapp über 2.200 Roboter installiert – ein Zehntel der im selben Zeitraum in Deutschland installierten Anzahl und etwa fünf Prozent der Menge an neuen Robotern, die im selben Jahr in Japan eintrafen. Großbritannien liegt mit seiner Nutzung von Robotern weltweit auf Platz 22 und steigt in der Tabelle um so weiter ab, je mehr andere Länder die Technologie bereitwillig annehmen.

„In Großbritannien sind wir immer noch dabei, verschiedene Arten von Robotern zu untersuchen“, erklärt David Cameron von der Universität Sheffield, der sich mit Mensch-Computer-Interaktion beschäftigt und den möglichen Einsatz von Robotern im Klassenzimmer erforscht hat. „Wir stehen noch ganz am Anfang einer Vorstellung davon, welche Rolle die Dinger tatsächlich übernehmen könnten und wo sie zum Einsatz kämen.“ Unter Brit*innen besteht eine der Hauptblockaden, die die Nutzung solcher Roboter in Großbritannien verzögert, aus einer ganz einfachen Frage: „Nützt das wirklich etwas?“

Camerons Einschätzung zufolge ist technologische Verschachtelung – und die Tatsache, dass wir Technologie als fertiges Produkt ansehen – ebenfalls ein Grund dafür, dass Roboter in Großbritannien noch nicht weithin eingesetzt werden. Wir sind von der Allgegenwart von Smartphones und anderen Geräten verwöhnt, die man einfach nur anschaltet und sie funktionieren. Wir haben vergessen, dass eine ganze Reihe von Iterationsschritten nötig war, bei denen die Technologie noch nicht perfekt war, um an den Punkt zu gelangen, an dem sie einfach funktioniert. Und weil Roboter noch nicht fehlerlos in der Lage sind, alle menschlichen Eigenheiten, Unsicherheiten und Winkelzüge zu erfassen, sind wir nicht gewillt, sie vorbehaltlos zu akzeptieren. „Ich glaube, wir suchen nach einem Roboter, der ein rundum perfektes Endprodukt ist“, erklärt Cameron. „Pepper könnte das sein, aber im Endeffekt leistet er dann doch um einiges weniger, als man erwarten könnte.“

Diese Enttäuschung oder das Gefühl wenig überzeugender Interaktionen mit Robotern – ob in der Vergangenheit oder für die Zukunft erwartet – können mit ein Grund dafür sein, warum wir sie so zögerlich akzeptieren, während andere Länder damit kein Problem haben. YouGov zufolge glaubt ein Viertel aller Brit*innen, dass Roboter nie eine dem Menschen ebenbürtige Intelligenz entwickeln werden. In Japan, wo Dienstleistungsroboter auf beschränkte, sorgfältig definierte Weise seit Jahren eingesetzt werden, ist das Vertrauen größer. Dort kamen Roboter zum Einsatz, um Besucher*innen durch Tokio zu führen; um ältere Menschen mit Anteilnahme und Fürsorge zu behandeln und ihnen ein vertrautes Gesicht und eine Stimme zu bieten, mit der sie sprechen können; sowie in der Fahrzeugmontage und in der Geräteherstellung.

„Bei uns im Westen wissen wir nicht so genau, wie wir mit Robotern interagieren sollen“, erklärt Aitken. Interessanterweise erwarten wir keine reibungslosen Interaktionen mit Robotern – und empfinden diese tatsächlich als abschreckend, wenn sie genau, aber nicht freundlich sind.
 

„Wir stellten fest, dass ein Roboter, der sympathischer war, aber Fehler machte, einem Roboter vorgezogen wurde, der alles absolut perfekt erledigte“, erklärt er.



Stattdessen bevorzugen wir menschenähnliche Interaktionen und die Möglichkeit, uns mit einem Roboter zu unterhalten, selbst wenn das bedeutet, dass er nicht immer alles 100% richtig macht.

Und ohne diese Persönlichkeit stehen wir Robotern und ihren Absichten oft misstrauisch gegenüber. Das könnte zum Teil daran liegen, wie wir sie häufig erleben – in Popkultur, Film und Fernsehen. „In unserer Jugend begegneten wir ihnen hauptsächlich in Filmen wie Terminator“, erklärt Aitken. „Das ist allerdings keine akkurate Abbildung davon, wo wir innerhalb eines Prozesses Roboter einzusetzen beginnen.“ Großbritannien so weit zu bringen, dass Roboter problemlos akzeptiert werden, erfordert letzten Endes einen Prozess der Aufklärung und – in diesem Zusammenhang eine Ironie – der Deprogrammierung der ganzen damit verbundenen negativen Konnotationen und stattdessen einer stärkeren Hervorhebung der positiven Aspekte. Dazu müssen die Entwickler*innen von Robotern, die mit Menschen zu tun haben, auch deren Fähigkeiten verbessern, zuzuhören, Gefühle zum Ausdruck zu bringen und zu interagieren, wenn sie mit Personen in Kontakt kommen, die ihren Absichten und Zielen womöglich skeptisch gegenüberstehen.

„Es ist ein Lernprozess, weil Roboter uns sehr fremd sind“, erklärt Aitken. „Es geht darum, zu verändern, wie sie dargestellt werden, und die positiven Dinge aufzuzeigen, die in der Robotik passieren, aber auch einige dieser Prozesse zu beleuchten. Wir müssen hinter die Fassade schauen, um zu sehen, wie manches davon funktioniert. Zum Teil nehmen die Leute das als Black Box war, die wie Zauberei wirkt.“
 

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