Dalibor Joler

Dalibor Joler © Creative Commons 4.0 Dalibor Joler Creative Commons 4.0

Mit Dalibor Joler haben wir uns auf dem Platz bei der ehemaligen Zagreber Kultkneipe Kavkaz getroffen und ihn gefragt, warum er gerade diesen Ort als Treffpunkt gewählt hat?
 
Mit dem Übersetzen fing ich sofort nach Abschluss meines Studiums an, im Jahr 1990, und die ersten, die mir etwas zum Übersetzen anvertrauten, und zwar ganz schön ernsthafte Sachen, befanden sich und befinden sich immer noch an diesem Platz. Ich kam in den Neunzigern also wegen des Übersetzens sehr oft auf diesen Platz. Hier hat alles begonnen.
Auf einer Seite des Platzes befindet sich das Lexikografische Institut Miroslav Krleža und auf der anderen der Verlag, für den ich mein erstes Buch übersetzt habe: „Einführung in die Katholische Soziallehre“. Für das Lexikografische Institut war ich jahrelang als Übersetzungsmitarbeiter für Deutsch im Rahmen der Arbeit am „Achtsprachigen Enzyklopädischen Wörterbuch“ tätig. Da das ein sehr umfangreiches Projekt war, hat die Arbeit einige Jahre gedauert und das war eine sehr gute Lektion, eine kostbare Erfahrung. Danach war alles leichter: Haben Sie denn schon etwas übersetzt? - Ja, habe ich. Die „Einführung in die Katholische Soziallehre.“ Außerdem arbeite ich am „Achtsprachigen Wörterbuch“ mit.
 
Wer ist Dalibor Joler?


Sekundarlehrer für Deutsch und Französisch und Übersetzer. Kurz ausgedrückt. In der Freizeit auch Hobbyfotograf.
 
Wenn ich nicht am Übersetzen bin… Hobbys, Interessen?

Fotografiere ich und gehe mit meiner Frau auf Reisen. Das letzte Reiseziel vor Corona: der Süden Italiens - Rom, Neapel, Capri, die Amalfiküste.
 
Als Kind wollte ich…

Dirigent werden. Ich habe eine musikalische Grundschulbildung absolviert, danach aber aufgehört. Doch das Dirigieren faszinierte mich. Ich kann mich erinnern, dass es meinen Eltern auf die Nerven ging. Ich lief in unserer Wohnung umher und dirigierte zu Opernmusik, fuchtelte mit meinen Armen herum. Meine Mutter sagte immer, sie würde eines Tages von mir noch eins auf die Nase bekommen.
 
Wenn ich kein Übersetzer wäre, wäre ich…

Es gibt zwei weitere Berufe, in denen ich mir mich vorstellen kann: Anwalt und Arzt. Ich bedaure nicht, dass ich beides nicht bin. Doch wenn ich nicht übersetzen oder unterrichten würde, wären das die Berufe, die ich mir für mich vorstellen könnte.
 
Stadt oder Land?


Stadt.
 
Sommer oder Winter?


Sommer.
 
Tee oder Kaffee?


Kaffee.
 
Mein Lieblingsschulfach...


Deutsch. Ohne Unterbrechung seit der Grundschule. Kroatisch auch. Deutsch und Kroatisch mochte ich über alles.
 
Das schlimmste/schwierigste/ langweiligste Schulfach...

Mathematik, Mathematik, Mathematik. Die Mathematiker mögen es mir verzeihen, keiner hat es je geschafft, mein Interesse für die Mathematik zu wecken. Das hat einfach nicht geklappt.
 
Mein/e Lieblingssänger/in...
Es gibt einen und dann erstmal lange niemanden - Oliver.
 
Mein Leibgericht...

Ich komme aus Slawonien, bin aber Liebhaber der mediterranen Küche. Nichts für ungut an alle Slawonier - die slawonische Küche ist schmackhaft, aber ich esse am liebsten mediterran und das genieße ich.
 
Die Beatles oder die Stones?

Die Beatles.
 
Ich glaube ich bin sehr schlecht im…

Tanzen, leider. Ich habe es nicht gelernt, als ich es hätte tun können. Doch, selbst wenn ich es getan hätte, stellt sich die Frage, ob ich es je erlernt hätte.
 
Soziale Netze - ja oder nein?

Eher „nein“ als „ja“. Ich schaue zwar hin und wieder bei Facebook vorbei, aber eher dienstlich.
 
Meine Lieblingsfigur aus meinen Übersetzungen...

Harry Hole aus den Romanen von Joe Nesbø. Ich habe seine beiden ersten Romane, „Der Fledermausmann“ und „Kakerlaken“, übersetzt, die zu der Zeit noch nicht aus dem Norwegischen ins Englische, aber ins Deutsche übersetzt worden waren. So kam es, dass ich Harry Hole als Übersetzer gut kennengelernt habe und ich finde er ist ein cooler Typ. Ein Antiheld. Die meisten Romane von Nesbø wurden bei uns nämlich aus dem Englischen übersetzt, und erst in letzter Zeit übersetzt man sie direkt aus dem Norwegischen.
 
Die abstoßendste Figur aus meinen Übersetzungen...

Niemand, wirklich niemand. Mein Verhältnis zum Text, den ich übersetze ist kein solches, dass mich eine Figur abstoßen würde. Meistens ärgere ich mich eher über den Autor, wenn er einen Gedanken nicht klar und fließend ausdrücken kann. Wenn der Text sozusagen stockt.
 
Das Schwierigste, was ich je übersetzt habe...

Das weiß ich, wie aus der Pistole geschossen! Ich werde wohl auch nie etwas Schwierigeres übersetzen. Es war ein Buch des deutschen Germanisten Klaus Michael Bogdal „Europa erfindet die Zigeuner“, eine umfassende Studie über die Geschichte der Roma in Europa, aus einer literarischen Perspektive erzählt. Sie ist nicht allein deshalb anspruchsvoll, weil sie 800 Normseiten umfasst, sondern weil sie einfach alles beinhaltet, was im Deutschen eine Herausforderung sein kann: Zum Beispiel Poesie und Prosa auf Mittelhochdeutsch, das mir seit dem Studium natürlich wieder entfallen war. Deshalb musste ich Wörterbücher durchstöbern, entsprechende Texte suchen, sie mit viel Mühe lesen und dann übersetzen. Die Texte waren nicht umfangreich, aber es ist anstrengend, weil man sie erst entschlüsseln muss. Das Buch enthält auch eine ziemliche Anzahl an Versen in Hochdeutsch, und da sie in Reimen verfasst sind, war auch das eine Herausforderung. Es handelt sich um eine Studie aus den Bereichen Geschichte, Kunst und Literatur, die sowohl im fachlichen als auch im lexikalischen Sinne anspruchsvoll ist. Der Autor hat nicht nur einen außerordentlich wissenschaftlichen Schreibstil, er hat sich auch aller komplexesten grammatischen Strukturen des Deutschen bedient, die bei der Übersetzung ins Kroatische Kopfschmerzen bereiten. Das sind häufig unüberschaubar lange Sätze: Wenn man den Satz erst einmal zu Ende gelesen hat, weiß man gar nicht, wo man mit der Übersetzung beginnen soll. Man muss kürzen, einen Satz in zwei oder drei verwandeln, und das klappt nicht immer auf Anhieb. Ein schwieriges Buch, sehr anspruchsvoll, aber auch sehr interessant und anregend. Ich bin froh, dass ich mich damit in meinen reiferen Übersetzerjahren angelegt habe.
 
Wo ich am liebsten übersetze...

Auf meinem Balkon in Novi Vinodolski.
 
Prosa oder Poesie?


Prosa. Poesie, nur wenn es sein muss. Ansonsten Prosa!
 
Mein/e kroatische/r Lieblingsautor/in...


Neben dem Übersetzen bleibt nicht viel Zeit zum Lesen. Ich lese, was ich übersetze, und ich übersetze praktisch ständig. Abends findet sich vor dem Schlafengehen noch etwas Zeit für anderen Lesestoff. Wer mich in den letzten Jahren gut unterhalten hat, ist Ivica Ivanišević, weil er ganz nach meinem Geschmack schreibt - geistreich, unterhaltsam und intelligent.
 
Mein momentanes Lieblingswerk aus der deutschsprachigen Literatur...

Das ist einfach! Ich übersetze ganz unterschiedliche Texte. Manchmal ist mir etwas lieber, manchmal mag ich es weniger gern, und manchmal bin ich begeistert. Es gibt ein Buch, das mich wirklich begeistert hat, und einen Autor, der mich begeistert hat, vor allem, weil ich ihn nicht kannte. Erst später, nachdem ich den Roman gelesen hatte, googelte ich den Autor und war überrascht, wie jung er ist, und doch so reif - Benedict Wells. Er ist fantastisch! Ich habe sein Buch „Vom Ende der Einsamkeit“ übersetzt und es hat mich erobert!
 
Pläne für den Sommer, bzw. das Meer oder die Berge?

Das Meer!

 
 
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