Yui Tanizaki an Lilian Peter
Kyoto, 3. – 14. September 2021




Liebe Lilian,

dies ist der letzte Text von mir in unserem Briefwechsel. Ich war ja mit meinen Antworten immer in Verzug, aber dieses Mal ist es doch ein wenig erschreckend, wie verspätet Dich mein Brief erreicht. Ein Grund ist sicher, dass ich unseren Briefwechsel mit diesem Text beenden muss, aber darüber hinaus spielt meine immense Alltagsbelastung eine große Rolle. Die Elternzeit ist vorbei und seit April arbeite ich wieder, das heißt, mein Unterricht an der Universität hat begonnen. Ein Kind aufzuziehen und gleichzeitig einer Arbeit nachzugehen hatte ich mir nicht so hart vorgestellt. Nein, so ist es nicht, hätte ich nur ein Betätigungsfeld, würde ich es schon irgendwie meistern. Aber ich habe zwei, das Unterrichten und das Schreiben. Dem Zweiteren möchte ich mich widmen, doch sind die Pflichten des Ersteren groß, demzufolge wird die Zeit zum Schreiben mehr und mehr gekürzt.

Trotzdem wäre es machbar gewesen, hätte ich in einen Arbeitsrhythmus gefunden. Ein Vorfall im Juni vereitelte dies. Es gibt Personen, von denen man völlig unerwartet wegen der Geburt und Erziehung eines Kindes angegriffen wird, und das äußerst feindselig. Dies hat mich sehr verletzt und ich musste eine Zeit qualvoller Pein durchleben. Mehr als alles andere ist dies der Grund für meine Schreibblockade. Nicht allein dieser Briefwechsel, sondern auch eine für dieses Jahr geplante umfangreiche Schreibarbeit, das heißt, so gut wie alles geriet ins Stocken. Jedes Mal, wenn ich Dir den Grund meiner späten Antwort erklären und auf den Vorfall Bezug nehmen wollte, stiegen die negativen Gefühle wieder in mir auf und setzten mir gesundheitlich zu. Doch genug davon. Ich werde nun von dem schreiben, was mich jetzt gerade beschäftigt und was ich in Ruhe in Worte fassen kann.


Heute Morgen regnet es. Meine Tochter ist in der Kita, wohin sie mein Mann auf dem Weg zur Arbeit bringt. Normalerweise räume ich dann den Tisch ab, verstaue die überall verstreuten Spielsachen, putze die ganze Wohnung, erledige die Wäsche und wende mich anschließend meiner Arbeit zu. Die Hausarbeit habe ich heute aber zurückgestellt und mich zuerst dem Schreiben zugewandt.

Im Allgemeinen wird die Zeit am Morgen als etwas sehr Kostbares angesehen. Dieser Zustand im Moment des Aufstehens, bei dem keine fremden Komponenten zwischen dem bis dahin Geträumten und dem eigenen Ich existieren.- Für mich ist es die beste Zeit zum Schreiben. Das Verfassen von Texten ist ein vergängliches Unterfangen. Obwohl es das eigene zentrale Anliegen ist, kann es sich vor der erdrückenden Materialität von Haushalt, Kindererziehung und Leben verflüchtigen und verschwinden. Zumindest bei mir verhält es sich so. Genau betrachtet steht es in Zusammenhang mit Selbsteinschätzung (Gedanken wie: Wo liegt denn der Wert meiner Texte? Putzen macht mehr Sinn.), aber darauf gehe ich jetzt nicht weiter ein.

Da mir die Zeit direkt nach dem Aufstehen nicht zur Verfügung steht (meistens nimmt meine Tochter sie in Anspruch), bleibt nichts anderes, als danach ins Café zu gehen. Doch hier gibt es ein weiteres Problem. Die Covid-19-Pandemie.

Als ich Dir im letzten Jahr schrieb, hatte ich noch das Gefühl, an einem Tisch im Café sitzen zu können, solange dort gründlich desinfiziert und die Sicherheitsbestimmungen eingehalten wurden. Inzwischen kann ich nicht mehr so denken. Japan hat eine Infektionsexplosion verursacht. Eigentlich wollte ich schreiben, dass es zu einer Infektionsexplosion „kam“, aber das trifft nicht den wahren Kern der Sache. Im Fall Japans wurde von vornherein betont, dass das Abhalten der Olympischen Spiele in einer Zeit, in der sich die Delta-Variante ausbreitet, unvermeidlich zu einer Infektionsexplosion führen würde, nichtsdestotrotz führte man die Spiele durch. In meinen Augen grenzt alles an ein Überzeugungsverbrechen.

... Am Vormittag habe ich bis hierher geschrieben, doch dann bewegte sich mein Pinsel (die auf die Tastatur tippenden Hände) nicht mehr. Ich war dabei, über meinen Ärger im Hinblick auf die Pandemie zu schreiben, doch warum auch immer öffnete ich ein anderes File und hielt einen heute Morgen gesehenen seltsamen Traum fest. Unser Ärger und unsere Machtlosigkeit.- Es scheint, dass die Ende August nur schwer zu bändigen geglaubte Infektionslage sich die letzten Tage ein wenig beruhigt hat, trotzdem sind die Krankenhäuser überfordert, sodass viele Menschen nicht aufgenommen und behandelt werden können. Wenn ich über meinen Ärger schreibe, ist es doch allzu privat. Dieser Brief ist an Dich, Lilian, gerichtet, aber gleichzeitig wird er ins Internet gestellt und erhält somit das Wesen eines öffentlichen Werkes. Ärger verliert die Distanz zum Geschehen, sodass ich mir im Unklaren bin, ob die Angemessenheit solcher Zeilen für eine Darstellung in der Öffentlichkeit gegeben ist.

Viren sind nicht sichtbar und wir sind kaum in der Lage zu erfahren, welchem Leid die Menschen zu Hause oder im Krankenhaus ausgeliefert sind. Das ist wohl das Charakteristische des Covid-19 Unheils. Bedrohung erfüllt die Welt und dreht man sich um, ist das Virus vielleicht schon da. Mein Mann und ich sind bereits geimpft, wodurch die Möglichkeit eines schweren Krankheitsverlaufs gering ist. Kann ich aber meine einjährige Tochter, die an allem und jedem großes Interesse hat, alles berühren, aber nicht die Hände waschen will, richtig beschützen? Am Abend lasse ich den Tag noch einmal an mir vorbeiziehen, zähle die Möglichkeiten einer Infektion und werde von Gewissensbissen und Sorgen übermannt.


Obwohl ich vorhin niedergeschrieben habe, dass ich nur noch davon schreiben werde, was ich in Ruhe in Worte fassen kann, scheint es mir offensichtlich nicht möglich. In diesen Tagen sind es meine kleine Tochter und die Pflanzen auf dem Balkon, die mir Ruhe schenken. Mir wurde bewusst, dass die Beobachtung von etwas Heranwachsendem Freude schenken kann. In den im Wachstumsprozess befindlichen Dingen fließt eine unbezweifelbare Zeit. Seit zirka zehn Jahren ging mir immer wieder durch den Kopf, dass meine Zeit schon stehen geblieben ist, doch mit einem stets vorwärtsschreitenden Wesen vor Augen, wächst in mir das Gefühl, dass sich auch meine Zeit wieder bewegt.

Zum Abfassen dieses Textes habe ich unseren Briefwechsel noch einmal gelesen. Dein Brief aus einem Berlin, in dem ein Lockdown den anderen ablöst, zeigt, wie gerade das  sich Abkapseln in der Wohnung ein Denk-Abenteuer entstehen lässt. Dein letzter Brief zeigte ein wunderbares tiefes Denken und große Gedankenbilder. Die Seefahrer der Nordsee, die vor langer Zeit zum Walfang fuhren und die Frauen am Webstuhl, die auf ihre Rückkehr warteten. Ich benutze das Motiv des Webens ab und an als Thema meiner Romane. Mein vor der Geburt meiner Tochter erschienene umfangreiche Roman spielt in meiner Heimat und handelt von den Fabrikarbeiterinnen, die dort früher in der Textilherstellung tätig waren. Außerdem habe ich auch schon die Frauen zu Protagonistinnen gemacht, welche die zur Herstellung von Seidenstoffen benötigten Seidenraupen aufzogen. Und tatsächlich entsprechen diese Texte Erzählungen über ein „nicht dokumentiertes Früher“. Lilian, Dein Schreibvorhaben, dem Du Dich gerade widmest, interessiert mich sehr. Und was für eine Überraschung! Ein Vorfahre von Dir kommt in Melvilles Moby Dick vor! Wenn Du das Buch abgeschlossen hast, möchte ich es unbedingt lesen.


Als ich mich in meinem letzten Brief auf das „Land der Mütter“ im Faust bezogen habe, hast Du daraufhin Deine Gedanken zum „Sprechen der Mütter“ dargelegt. Da Faust, dem „Land der Mütter“ entkommen, am „festen Strand“, also in der „Wirklichkeit“ ankomme, liege die Überlegung nahe, dass das „Land der Mütter“ etwas sich Bewegendes und eine Sphäre der sich wandelnden Bilder sei.

Ich kann nicht umhin, mich daran zu erinnern, an welchem Ort ich die Zeit von Beginn der Schwangerschaft bis nach der Entbindung verbracht habe. Ich denke, es handelte sich um einen Bereich, der sich nicht weit entfernt vom Reich der Toten befand. Der Vorgang einer Entbindung entspricht natürlich der Geburt neuen Lebens, doch die Früchte des Lebens können nur in nächster Nähe zum Tod empfangen werden. Die Mutter nähert sich dem Tod und ebenso das Baby, da es sich auf dem Weg aus dem Innern des Mutterleibs vom anderen Ende des Geburtskanals beim Durchqueren der Grenze dieses Jenseits zum Diesseits dem Tod nähert. Mir war, als würden Leben und Tod miteinander wettstreiten, und die aus dieser Dynamik entstehende wie ein Sturm wütende Kraft entsprach der Entbindung und Geburt. In der Vergangenheit, als die medizinische Versorgung noch nicht so weit entwickelt war, ging viel Leben bei Entbindungen verloren.

Mir scheint, dass das auf diese Weise das Licht der Welt erblickende Baby, obwohl es nun schon im Diesseits weilt, noch eine Weile im Jenseitigen „dort drüben“ lebt. Ich meine diese Zeit meiner Tochter, in der ich zu Beginn unseres Briefwechsels an Dich schrieb: „Ich habe das Gefühl, keinen Menschen, sondern eine andere Art Lebewesen aufzuziehen.“ Es steht für ein Leben und ein Dasein, das Du aus dem Faust zitiert hast: „Um sie kein Ort, noch weniger eine Zeit.“ Und indem ich mich um meine Tochter kümmerte, wurde ich in diese Welt hineingezogen, betrat sie teilweise und lebte dort zusammen mit dem Baby.  Zu dem Zeitpunkt, als meine Tochter begann, Beikost zu essen, sie also etwas anderes als nur Muttermilch zu sich nahm, wuchs ihr Interesse an der Außenwelt zusehends und ich hatte das Gefühl, dass sie nun, ohne den Umweg über die Mutter, direkt mit der Welt eine Verbindung zustande bringen konnte.


Auf diese Weise macht ein Baby nach und nach erste Schritte aus dem Grenzbereich des Schattenreichs in die Konkretheit dieser Welt. Meine Tochter ist nun ein Jahr und sieben Monate alt und betritt allmählich die Welt des Symbolischen. Das heißt, sie prägt sich Wörter ein.


Sie ist für ihr Alter nicht unbedingt gesprächig (wenn sie nach mir kommt, ist das nicht weiter verwunderlich) und spricht nur, wenn ihr der Sinn danach steht. Allerdings lernt sie zweifellos, dass zwischen der Welt und den Worten Verbindungen existieren. Ich spüre dies deutlich, wenn ich ihr aus einem Bilderbuch vorlese.

Womöglich sollten Wörter und Erfahrungen jeweils in der gleichen Quantität aufgenommen werden. Ich kann mich schwach erinnern, von einer derartigen Erziehungsmethode schon einmal gehört zu haben. Doch in einer Zeit, in der eine Pandemie um sich greift, ist es unmöglich, alles und jedes im Original zu zeigen. Meine Tochter liebt Tiere, doch fürchte ich mich davor, mit ihr in den überfüllten Zoo zu gehen. Sie kennt schon viele Tiere, die sie in der Realität noch nicht gesehen hat.

Giraffe, Elefant, Nilpferd, Koala, Hase. Tauchen diese Tiere in einem neuen Bilderbuch auf, deutet sie mit einem „Ah“ auf das Bücherregel. Sie will damit sagen, dass dieses Tier in einem unserer Bilderbücher vorkommt. Taucht in einem Dialog „suya suya“ (friedlich schlafen) auf, bringt sie das Buch (unter einem Bild mit Seeottern steht „suya suya“), in dem es ebenfalls benutzt wird. Sie meint damit: „Hier kommt es auch vor. Es ist das Gleiche.“

Die „Töne“ die aus der eigenen oder aus Kehlen von Menschen der Umgebung kommen.- Sie schien die Stimmen ihr vertrauter Menschen leichter zu hören und versuchte dann ziemlich bald sie nachzusprechen - wenn ich zum Beispiel „dakko“ [tragen] sagte, ahmte sie mich nach und sagte „diyakko“. Doch kurze Zeit nach ihrem ersten Geburtstag hat sie offensichtlich erkannt, dass Worte eine „Bedeutung“ haben.


Wörter schaffen Verbindungen von Objekt zu Objekt. Entsprechen sie sich auch nicht völlig, besitzen sie doch gemeinsame Eigenschaften und verknüpfen durch Linien einzelne Punkte. Die bis ins Unzählbare vermehrten Linien entsprechen wohl der Erkenntniswelt, in der wir leben. Durch meine Tochter wurde mir dies erneut bewusst. Sie ist noch so klein und doch – nein, gerade weil sie klein ist, ist es für mich interessant, unmittelbar zu erfahren, wie sie ein Netzwerk von Wortmaschen in sich aufbaut. Und im Besonderen, dass dies zuallererst über die Welt der Bücher geschieht.

Meine Tochter hat gestern zum ersten Mal das Wort „nenne“ [schlafen]  gesagt. Ich lese ihr zum Einschlafen ein Bilderbuch mit dem Titel Mô nenne [Schon eingeschlafen] vor, und sie hat durch Anlehnung an das Buch mein „nenne“ imitiert. Jedes Mal, wenn sie irgendein neues Wort ausspricht, ist es für mich, als würde ein Licht im Dunkeln angezündet. Ein neues Licht hat wieder ihre Erkenntniswelt erhellt.


Die Erinnerung an das von Dir beschriebene „Sprechen der Mütter“ taucht dabei auf.  Indem mein Kind sich Wörter einprägt, kann auch ich womöglich wieder aus dem „Land der Mütter“ entfliehen. Das liegt allerdings noch in weiter Zukunft. Und doch entferne ich mich auch in diesem Moment Schritt für Schritt vom Ort der „Geburt“, dem Chaos des Ursprungs und der von diesem Magnetfeld geformten Sphäre der Zwischenwelt.

Unsere Gesellschaftsordnung existiert auf einer auf Vernunft basierenden klaren Erkenntniswelt. Unter diesem geordneten Gelände breitet sich in der Tiefe der Erde ein riesiges Gebiet gefrorenen Bodens aus. Um Deine Worte zu benutzen, „Eingefrorenes und Eingeschlossenes“, das heißt, das „Sprechen der Mütter“ liegt im Schlaf. Nein, es schläft nicht. In Wirklichkeit lebt es und bewegt sich. Doch von hier aus ist es nur schwer zu erblicken. Denn von dieser eine starrsinnige Gesellschaftsordnung aufoktroyierenden Welt, mit anderen Worten „der sich auf der Seite der Väter befindenden Welt“, wird es als unnütz angesehen.

Und doch haben wir uns alle früher einmal dort aufgehalten. Diese im Kojiki als „Ne no kuni“ [Land der Ursprünge] beziehungsweise „Haha no kuni“ [Land der Mütter] aufgeführte Zwischenwelt.- Was ich von dort in den Mund gelegt und zu Ohren bekommen habe. Die mühsam gewonnenen Wortfragmente, zum Beispiel das Lallen eines Babys – sollen die Aussprachemöglichkeiten aller Sprachen der Welt beinhalten und bergen sicher auch die Wörter des Ursprungs in sich. Das, was Faust zu erblicken wünschte, aber nicht direkt zu Gesicht bekam, ich glaube, dass ich „diese Dinge“ zusammen mit meinem Kind durchschreiten konnte. Die Dinge, die ein Mensch nach und nach verliert, wenn er sich die menschlichen Fähigkeiten – so etwas wie Sprache oder Vernunft aneignet.- Wenn ich behaupte, dass ich einen heimlichen Blick auf deren wahren Charakter werfen konnte, ist es sicher allzu übertrieben.


Was das Schreiben betrifft, befinde ich mich derzeit in einer sehr schwierigen Lage. Diese Version des Briefes (Mehrere Entwürfe davor habe ich vernichtet. Ich hatte mich beim Schreiben von meinem Ärger leiten lassen, dann aber entschieden, dass sie in dieser Form keinem literarischen Werk entsprechen.) habe ich am dritten September begonnen und den letzten Teil schreibe ich heute am Mittag des vierzehnten.
 
Währenddessen war mein Mann auf Auslandsdienstreise (ausgerechnet mitten in der Pandemie!), ich erledigte die Hausarbeit und Kinderbetreuung allein und fuhr zu meinem Arbeitsplatz, zu dem ich für die Hinfahrt zwei Stunden brauche. Im Zug schrieb ich ein paar Zeilen, während meine Tochter schlief, schrieb ich ein paar Zeilen, unterbrach die Schreibtätigkeit, weil sie aufwachte und weinte (Was das Schreiben betrifft sind solche Unterbrechungen nur schwer zu ertragen. Es ist, als ob ein gerade in Fluss gekommener Text gewaltsam mit einem Beilschlag gestoppt wird.), am nächsten Morgen dann Unterrichtsvorbereitung, putzen, Babynahrung kochen, abends die Beschäftigung mit dem Kind und gemeinsames Einschlafen, am nächsten Morgen früh aufstehen, Hausarbeiten erledigen und nach einer geschriebenen Zeile wieder das Weinen der Tochter, eine erneute Unterbrechung und noch eine weitere - somit benötigte ich nur für das Schreiben der Schlusssequenz mehrere Tage. Es gab Tage mit schönem Wetter, ich betrachtete vom Zugfenster aus die in der Herbstsonne leuchtenden Reisfelder, heute regnet es wieder, ich sitze auf einer Café-Terrasse, schreibe und blicke dabei auf die Baumblätter über mir, die den Charme ihrer Farben durch die Feuchtigkeit vergrößern.


Ich wurde mit meiner Tochter schwanger, erhielt im siebten Monat die Diagnose einer drohenden Frühgeburt, und seit der Zeit, als ich drei Monate nichts tun und nur liegen durfte, musste ich meine schriftstellerische Tätigkeit so gut wie aufgeben. Seit damals hege ich unentwegt einen stillen Ärger in mir. Dieser richtet sich keineswegs gegen meine Tochter. Auf die Frage, wogegen, kann ich keine Antwort geben, doch scheint mir dieser Ärger, mit dem ich manchmal nicht umgehen kann, wie ein Teil von dem, was Du „Sprechen der Mütter“ nennst. Er ist wie eine Magmakammer in der gefrorenen Erde. Wahrscheinlich habe ich gerade in einer so schwierigen Situation meines Schreibens daran festzuhalten. Ich muss darauf achten, das „Sprechen“ nicht aufzugeben - solange es noch nicht aus mir entwichen ist.


Ich sammle die Wortfragmente, die ich in meiner zerstückelten Zeit sammeln kann, spinne sie zu Fäden, webe daraus ein Tuch und übergebe es Dir.


In Vorfreude auf Deine letzte Antwort

 
Deine Yui




PS: Auf meinem Balkon wuchert es dieses Jahr nicht so wild wie im letzten. Der Lavendel war etwas zu groß geraten und zog mit seinem Nektarduft immer wieder große Hornissen an, sodass ich ihn entfernt habe. Das Olivenbäumchen und den Perückenstrauch gibt es aber immer noch, außerdem Hortensien und andere Blumen. Auf dem nun hornissensicheren Balkon konnte meine Tochter in diesem Sommer im Planschbecken spielen.



 

Deutsche Übersetzung: Isolde Kiefer-Ikeda