Theateraufführung „Ich schau dir in die Augen...“ von René Pollesch

Festival Bo:m

Bereits zum sechsten Mal findet in diesem Frühjahr das internationale „Festival Bo:m“ statt; Kunst und Künstler aller Sparten präsentieren ihre neuesten Werke und Produktionen. Das Spektrum reicht von Musik über Tanz, Theater und Performance bis zu Film und Video. Vom 22. März bis zum 18. April werden an verschiedenen Spielorten in Seoul insgesamt zwanzig Werke präsentiert. Das Goethe-Institut hat dieses Jahr die Aufführung von zwei deutschen Produktionen ermöglicht: Ich schau dir in die Augen, gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang! vom Dramatiker und Regisseur René Pollesch (22. und 23. März) sowie die preisgekrönte Performance Testament von She She Pop und ihren Vätern (13. und 14. April, siehe Ankündigung).

Pollesch ist Absolvent des Gießener Instituts für Angewandte Theaterwissenschaft und momentan Leiter des Praters, der Nebenspielstätte der Volksbühne Berlin, wo er seit 2001 durchgehend neue, immer selbstverfasste Stücke zur Aufführung bringt. Im Prater hat er auch sein erstes Einpersonenstück inszeniert: Ich schau dir in die Augen, gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang! Einziger Darsteller ist Fabian Hinrichs, dem größeren Publikum bekannt durch seine Rolle in dem Kinofilm Sophie Scholl – Die letzten Tage.

Der sperrige Titel deutet es bereits an: Wie immer in Polleschs Inszenierungen, dreht sich auch Ich schau dir in die Augen, gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang! um die Paradoxien, Fallstricke und Chancen, die der unauflösbaren Spannung zwischen überwältigendem politischen Tagesgeschehen (hier die globale Finanzkrise) und privaten Handlungsoptionen – bzw. dem Mangel daran – innewohnen. Die Hintergrundfolie bildet diesmal die Theorie der „Interpassivität“ des Wiener Philosophen Robert Pfaller. Dessen These besagt, dass der moderne Mensch nicht nur für sich produzieren lässt (Stichwort Kulturindustrie), sondern auch den Konsum zunehmend Anderen überlässt – eine Art „delegierter Genuss“. Doch wie sieht das in der Praxis aus?

Fabian Hinrichs zeigt es uns: Zu immer wieder eingeblendetem Gelächter vom Band, das wie in einer Serienkomödie das Publikum um die eigene emotionale Reaktion entlastet, glänzt er als brillanter Alleinunterhalter: Mal geht er mit der elektrischen Zahnbürste auf die Zuschauer los, dann wieder schwingt er im Predigerton philosophische Reden, musiziert melancholisch oder betreibt beißende Kulturkritik. Die Fachzeitschrift Theater heute kürte Fabian Hinrichs für seine Leistungen in diesem Stück zum „Schauspieler des Jahres“.

Die „Mischung aus ‚Casablanca‘-Romantik und Adorno, bei gleichzeitiger Unerschrockenheit der Kampfansage an unsere bequeme Welt der Täuschungen“ (Anne Peter auf nachtkritik.de) dürfte auch in Seoul für Begeisterung sorgen. In Kooperation mit der Volksbühne Berlin ermöglicht das Goethe-Institut dieses Gastspiel und damit die Korea-Premiere des wortgewandten Theaters von René Pollesch.

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