Popkultur und Autobahn Autobahn – die Band

Standbild aus dem Film The Big Lebowski zeigt das LP Cover der Band Autobahnshowing the Autobahn Album cover
© Universal Studios, 1998

Jeder kennt das Kraftwerk-Stück „Autobahn“, den Beitrag können wir uns also schenken. Aber, Moment mal, da war doch noch so was? Stefan Kloo enthüllt die sagenumwobene und kuriose Geschichte der Band Autobahn.  

MUC: Hey Los Angeles, was fällt dir ein, wenn du an das Motiv „Autobahn“ denkst?

LAX: Oh, die Autobahn, dieses mystische Wunderwerk deutscher Ingenieurskunst, das auf der Wunschliste jedes Geschwindigkeitsfanatikers in den USA steht, der sich danach sehnt, wenigstens einmal im Leben so richtig Gummi zu geben und ohne jegliches Tempolimit zu heizen?

MUC: Genau, die Autobahn. Aber wir haben das Tempolimit schon abgedeckt, und es ist eh eine romantisch verklärte und fragwürdige Fantasie, die übrigens derzeit wieder zur Debatte steht. (Ey, die Autobahn ist 13.192 Kilometer lang. Siebzig Prozent davon haben kein Tempolimit, go Ami Speed racer, go!)

LAX: Hmm ... na dann, ich könnte zum Beispiel berichten, dass in Los Angeles allein schon rund 1.046 Kilometer Freeway verlaufen oder den Unterschied zwischen einem Freeway und einem Highway erklären? Wir könnten uns lange über die kuriosen Glasfaser-Straßenriesen entlang unserer Freeways unterhalten, die hinreißende Kunst und Artefakte in der Ausstellung „Eyes on the Road“, die gerade im Peterson Automotive Museum läuft, oder Unfälle – Havarien aller Art, die wir hier auf den Freeways hatten: verschüttete Orangen, Avocados, Fische, Geld, Mayonnaisegläser, Toilettenpapier, Wasserstoffperoxid, Hühner ... Die umgestürzte Ladung von Brooke-Shields-Puppen, die damals Route 91 blockierte, qualifiziert sich definitiv als eine klassische Los-Angeles-Stau-Anekdote. Oder ich könnte darüber schreiben, wie wir sechs bis acht Spuren in jede Richtung haben und trotzdem im Stau stecken, wie definierend die Freeways für LA sind, wie viel Zeit wir in unseren Autos verbringen und dabei nörgeln, wieso jeder ständig am Texten ist und auf sein Handy glotzt, anstatt auf die Straße zu achten, und wie nervtötend das sein kann … Oder wir könnten tief in die Geschichte des Redlining und des Rassismus bei der Autobahnplanung und -entwicklung in LA eintauchen. 

MUC: Das alles in 5.000 Zeichen?!

LAX: Nee, nicht möglich, dann lieber: Autobahn – die Band!

MUC: Du meinst Autobahn das Lied? Von der deutschen Elektro-Musikband Kraftwerk, veröffentlicht 1974 als Titeltrack ihres vierten Studioalbums? Bekannt für seinen bahnbrechenden Einsatz elektronischer Instrumente und seine thematische Erkundung des deutschen Rapid-Verkehrsnetzes, der Autobahn? Der über 22 Minuten lange Track, der repetitive elektronische Melodien und Rhythmen durchsetzt mit Funksprüchen und Soundeffekten enthält, die die Erfahrung des Fahrens auf der Autobahn reproduzieren sollen? Der Track, der zweifelsfrei als eines von Kraftwerks Markenzeichen und als wegweisende Arbeit im Genre der elektronischen Musik gilt? Autobahn?! Jeder kennt das, Autobahn ist legendär.

LAX: Nein, ich meine Autobahn – die Band.

MUC: Bitte was?

LAX: Autobahn! Die sagenumwobene Techno-Pop-Gruppe, bestehend aus Uli Kunkel und seinen beiden Bandkollegen Franz und Dieter. Die Band veröffentlichte Ende der 1970er-Jahre ein Album mit dem Titel Nagelbett, Maude Lebowski hat eine Kopie in ihrer LP-Sammlung. Hast du das mal gehört?

MUC: Ja, nee. Erzähl weiter …

LAX: Die Mitglieder der Gruppe, Kunkel und seine zwei Freunde, sind erklärte Nihilisten. Also Typen, die sich dafür entschieden haben, an nichts statt an schnöde gesellschaftliche Regeln oder irgendein Regierungssystem zu glauben. Das Ansehen der Band, obwohl sie in ihrer Zeit und in ihrem Kreis vielleicht sogar recht erfolgreich waren, verlor durch ihre fragwürdigen Unternehmen schließlich etwas an Glanz.
© Universal Studios, 1998.
Uli zum Beispiel hatte später eine kurze Karriere in Pornos als Karl Hungus, der Kabelmann, und verlegte in der Jackie-Treehorn-Produktion Logjammin bei Bunny Lebowski ordentlich Kabel: „Ich bin hier, um dein Kabel zu reparieren […]”. Die drei Autobahn-Deutschen sind irgendwann auf die schiefe Bahn geraten und versuchten Anfang der 1990er-Jahre, Geld von Jeffrey Lebowski, dem Millionär und Geschäftsmann, zu erpressen, indem sie die Entführung seiner Frau, Bunny Lebowski, inszenierten. Eine Reihe von Missverständnissen vereitelten aber ihren Plan, weil sie den Dude mit seinem millionenschweren Gegenstück verwechselten. Als klar wurde, dass Jeffrey Lebowski nie das Lösegeld gezahlt hat, um sich so eben dieser teuren, krass verschuldeten Trophäenfrau zu entledigen, zündeten die drei kleinkriminellen Nihilisten das Auto vom Dude an und verlangten alles an Kohle, was er, Walter und Donny bei sich hatten. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie Dieters Freundin bereits den kleinen Zeh abgeschnitten und an den dicken Lebowski geschickt, um zu beweisen, dass sie Bunny auch wirklich entführt hatten und fanden, irgendwer muss dafür herhalten und zahlen. (Bunny war tatsächlich aber nur ein paar Tage in Palm Springs und mit ziemlicher Sicherheit Teil der erbärmlichen Verschwörung.)
© Universal Studios, 1998.
Ja, die Sache ist ordentlich aus dem Ruder gelaufen, und das letzte Mal, als wir die Truppe gesehen haben, hingen sie in Johnie's Diner auf Fairfax und Wilshire ab und aßen Heidelbeer-Pfannkuchen. Auf Reddit wird gemunkelt, dass Uli, der oft als das kriminelle Mastermind der Band angesehen wurde, weil er ein fieses Gangster-Frettchen/Murmeltier und ein Schwert hatte, letztendlich sein Ohr für gute Musik verlor und dass die Band sich irgendwann nach ihrer Cut-Off-Your-Johnson-Anniversary-Tour aufgelöst hat.  

Über Franz weiß man wenig, aber die Leute sagen, dass Dieter irgendwann mal Bass für eine kaum bekannte LA-Band spielte, und dass die neunzehige Freundin möglicherweise dieselbe Sängerin ist, die später einen Oscar für ihr Lied Save Me gewann. Autobahn – die Band, wie auch Sprockets und Fraktus, existiert heute hauptsächlich als eine übertrieben penible Erinnerung in den Köpfen ausgesuchter Kegelbrüder, anstatt die Disney Hall mit Konzerten ihres gesamten Katalogs zu füllen. Schade eigentlich, das war eine Band, aus der hätte was werden können.

MUC: Ja, das hört sich alles sehr dämlich an. Das geht auf keinen Fall.

LAX: Alles klar. Ich mach mich gleich dran!
 
Haftungsausschluss:
  • Nein, das hier handelt NICHT von der Band Autobahn aus Leeds, England, die derzeit auf der Suche nach einem Perkussionisten oder Schlagzeuger ist, der die Werke von Moe Tucker, Jaki Liebezeit und Klaus Dinger zu schätzen weiß. Schick diesen Rockern halt eine DM, wenn du interessiert bist.
  • Auch nicht über Automaton von Aesthetic Perfection, obwohl die Lumpen ganz offensichtlich den Style von Autobahn abgekupfert haben. Sakrileg!
  • Peter Stormare, Torsten Voges und Flea sind eigentlich keine Kriminellen. Jedenfalls keine besonders guten.
„Der Teppich hat das Zimmer erst richtig gemütlich gemacht, hab ich recht?“

Haftungsausschluss vom Haftungsausschluss:
  • Der Erzähler ist ein ordentlich geweihter Priester der Church of Dudeism und ist tatsächlich damit davon gekommen, als solcher mal ein Paar getraut zu haben.
„Und wenn ich das nur mal so sagen darf, auf persönlicher Ebene bin ich wirklich ein riesiger Fan.